“Alles nur ein Spaß?” – 30 Jahre Redhorse-Jäger. Ein Interview mit Jürgen Rudig

Die beste RZ aller Zeiten? Terranische Raumschiffe: Abfangjäger der neuen "Redhorse"-Baureihe, Rudig 1981; Source: PR I, Band 1059 Fels der Einsamkeit

Als ich mir im Spätherbst 1981 an einem üblichen Dienstagmorgen vor Schulbeginn PERRY RHODAN 1. Auflage Band 1059 Fels der Einsamkeit am Kiosk kaufte, war ich wie alle vier Wochen insbesondere auf die neue Risszeichnung gespannt. Noch vor Ort schlug ich mit klopfenden Herzen die Heftmitte auf – und sofort wieder zu! Mein Leben war von diesem Augenblick an ein anderes. Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas Seltsameres und Fremdartigeres gesehen als Jürgen Rudigs Abfangjäger der neuen “Redhorse”-Baureihe.

Zu dieser Zeit hatte ich schon erste Veröffentlichungen meiner eigenen Risszeichnungen als “Leser-RZ” erlebt, aber mir wurde in diesem Moment schlagartig klar, dass ich meinen Zeichenstil komplett umstellen müsste, um wirklich die Risszeichnungen anzufertigen, die ich mir bis dahin aber nur vage vorzustellen gewagt hatte.

Das ist jetzt beinahe 30 Jahre her, und im Zuge der Wiederbelebung dieses Blogs und des bevorstehenden WeltCons in Mannheim zum 50-jährigen Jubiläum der PERRY RHODAN-Serie, hielt ich es für eine gute Idee, Kontakt mit Jürgen Rudig zu suchen, um ihn selber zu fragen, wie er das damals erlebt hat.

Wir haben kurz miteinander telefoniert und dann das folgende Interview per E-Mail geführt.

Jürgen Rudig ist Jahrgang 1958, verheiratet, hat zwei halbwegs erwachsene Kinder, ist seit fast 30 Jahren im öffentlichen Dienst, inzwischen Schulleiter einer weiterführenden Schule irgendwo im Hinterland von Aachen. Er hatte seit vielen Jahren kaum noch Kontakt mit PERRY RHODAN und dem SF-Fandom; um so mehr freut es mich, dass er hier Rede und Auskunft stand.

Wie kam es zum “Redhorse-Jäger” – einer Risszeichnung, die auch im Vergleich zu Deinen vorhergehenden Veröffentlichungen heraussticht?

Vor über 30 Jahren stand ich mitten im Studium in Aachen – Kunst und Deutsch –  und wollte eventuell Lehrer werden. Mittelprächtig begabt, hatte ich neben dem Studium schon etliches verkaufen können und verdiente für einen Burschen von Anfang Zwanzig gar nicht mal schlecht damit: Ölportraits nach Vorlage, Buchillustrationen für kleine regionale Verlage, Raumabwicklungen für Architekten, und – ja, klar –natürlich diese Risszeichnungen. Wie ich dazu kam, ein andermal. Es soll hier und heute ja vornehmlich um diesen vermaledeiten “Redhorse-Jäger” gehen, der wohl einigen Staub aufgewirbelt hat und mehr oder weniger das Ende meiner kurzen „Karriere“ als Risszeichner einläutete.

Der “Redhorse-Jäger” war ja eine typische freie Arbeit, die mit dem “Perryversum” nur über die Namensgebung verbunden war, aber sie war nicht im luftleeren Raum entstanden?

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ich das Ding bei Jim Burns abgekupfert haben soll – oder zumindest davon motiviert gewesen wäre. Da ist sogar ein bisschen was dran, obwohl ich beim Zeichnen dieses Jägers – soweit ich das in der Erinnerung noch zusammenbekomme –  schwer unter dem Eindruck von einer anderen illustren Größe der damaligen Zeit stand: Möbius.

Brian Lewis' "Gaussi-Jäger" aus MECHANISMO. Die RZs darin (es gibt noch eine des Robots im Vordergrund) sind über Chris Burns' Bilder gedubbt. Source: RZJ und Sky-Ffy

Das nehme ich Dir sofort ab. Die beiden verdutzten Piloten vorm Jäger könnten direkt aus Der hermetischen Garage gesprungen sein!

Über die ersten Hefte von Metal Hurlant – “Schwermetall” – stolperte ich beim Stöbern im Katalog des Volksverlages, das muss 1979 gewesen sein. Die Möbius-Storys haben mich umgehauen – so locker, so dermaßen gekonnt, erkennbar mit einem Filzer hingeworfen … In einer Rezension las ich dann, dass Möbius angeblich einfach drauflos zeichne, ohne konkreten Plan, ohne Vorzeichnung, eben einfach mit dem Filzer. Das wollte ich unbedingt auch versuchen, mit eigenen Comics, aber eben auch mit Risszeichnungen. Ich malte und zeichnete zu der Zeit sowieso sehr viel, probierte nun auch in dieser Richtung herum, entwarf großformatige Arbeiten – halb Comic, halb Risszeichnung –, kombinierte die Rotring-Feder mit dem Edding 3000. Die Ergebnisse waren eher zwiespältig und liegen zum Teil heute noch in meiner Sammlung vergraben.

Das ist eine gute Nachricht!

Ich nicht weiß, warum es eine gute Nachricht sei soll, dass ich noch alte RZs irgendwo vergraben habe. Ist es gut, dass die noch da sind? Oder ist es gut, dass sie so tief vergraben sind?

Spaß beiseite – ungefähr zur gleichen Zeit war ich dann mal wieder zu Besuch bei Willi Voltz zu Hause, um eine eher übliche Risszeichnung – ich weiß nicht mehr welche – abzuliefern, sauber eingerollt in eine Papprolle und fast 300 Kilometer im klapprigen Käfer meiner Freundin transportiert. Willi Voltz fand die RZ prima und nahm sie sofort, und dann schenkte er mir etwas: Die beiden Bände Mechanismo und Planeten Story – beide Bücher habe ich heute noch.

Ich will nicht abstreiten, dass Jim Burns auf mich Eindruck machte (wie gesagt: ein bisschen was mag dran sein, dass der Gaussi-Jäger meinen “Redhorse” beeinflusste), aber  – großes Aber!  – siehe oben: Zu dem Zeitpunkt waren meine Ideen von halbschrottigen Raumschiffen, die von skurrilen Typen mehr improvisiert als geflogen wurden, von Raumfahrzeugen, denen man einen harten Arbeitsalltag ansah und die mit lockerer Hand eher hingeworfen als durchkonstruiert schienen, schon sehr weit gediehen.

OK, aber eine Risszeichnung ist zuerst einmal keine Comic-Illustration. Gewisse “Freiheiten” hattest Du Dir in Deinen Arbeiten bis dahin immer herausgenommen, aber eben auch durch Deine handwerklichen Qualitäten z. B. beim Setzen von Schraffuren so geschickt kaschiert, dass der Eindruck der technischen “Blaupause” immer erhalten geblieben ist. Beim “Redhorse-Jäger” hatte ich den Eindruck, dass Du uns sagen wolltest: “Das mache ich jetzt extra schief und absurd!” Damit keiner mehr auf die Idee kommt, das Ding könnte es wirklich mal geben.

Ich war den von mir zumindest so empfundenen Bierernst der Szene um die Rhodan-Serie eigentlich satt. Als begeisterter, kritischer Leser von Lem, den Strugatzkis u. a. hatte ich den Hype (so würde man heute wohl sagen) um diese Weltraumserie sowieso nie ganz begriffen. Auch wollte ich eigentlich weg von der ganzen Matrosen-Ästhetik mit “Decks”, “Geschützpforten”, “Kommandoständen”, “Außenschotts”  etc. Ich war immer der Meinung, Raumschiffe – und die Typen, die sie fliegen – sehen in zweitausend Jahren ganz anders aus als für uns vorstellbar. Raumschiff Orion mit seiner ganz eigenen Ästhetik imponierte mir z. B. viel mehr als der ganze Star Wars-Kram.

Also, langer Rede kurzer Sinn: Es musste mal was Spaßiges, was Anderes her, und zudem lebte ich in dem Gottvertrauen darauf, dass man mir auch “so was” im wahrsten Sinne des Wortes abkaufen würde, vielleicht sogar Verständnis dafür hätte, mich unterstützen würde …  Ansonsten konnte ich ja noch genug alte Omas und Kommunionskinder in Öl produzieren.

Interessant, dass Du doch deutlich in Distanz zu PERRY RHODAN gehst – gerade, wenn man Deine urtypisch “rhodanesken” Arbeiten Shift und Korvette (Neukonstruktion) aus den PR-Sonderheften betrachtet.

Ich hatte meinen Adlatus Ralf, einem Freund aus der Abi-Zeit, der mir als verschworener Rhodan-Freak von Anfang an immer gerne die notwendigen Daten lieferte. So  entwarf ich also an einem Nachmittag den “Redhorse- Jäger” (und ich meine ehrlich, ich hatte da den Gaussi- Jäger zumindest bewusst schon wieder vergessen oder verdrängt). Hatte ich bisher immer sorgfältig tagelang mit Bleistift vorgezeichnet und dann Stück um Stück mit Rotring nachgearbeitet, so warf ich jetzt nur die Perspektive und ungefähre Abmessungen Freihand mit Bleistift aufs A2-Papier, um dann sofort mit Rotring und Edding loszulegen. Wobei diese Kombination im Original nie besonders gut aussah, denn der Rotring trocknete tiefschwarz, der Edding eher matt und gräulich.

Schade, dass bei dieser “integrativen” Zeichentechnik im Gegensatz zur “klassischen” Methode mit dem Abtuschen auf Transparentpapier die oft sehr ausdrucksstarke Bleistiftvorzeichnung vernichtet wird.

Nun, wie dem auch sei: das Ding wurde sehr schnell fertig, sah im Original ulkig und gar nicht mal schlecht aus. Und Ralf konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, noch mehr Blödsinn einzubauen. Er prophezeite mir weise vorausschauend, ein schlimmes (Risszeichner)-Ende. Aber ich war nicht mehr zu halten: Das Ding musste auf den Postweg, mal gucken wie der Verlag reagiert … Ich könnte ja auch gerne wieder, falls gewünscht, was “Normales” zeichnen, dachte ich ganz naiv damals.

Als ob Deine anderen RZs jemals “normal” gewesen wären …

Tja, das “Ding” wurde dann tatsächlich also gedruckt, ohne vorher mal nachzufragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte, oder ohne das “Ding” einfach kommentarlos zurückzuschicken mit der freundlichen Bitte, mich erst mal gründlich auszuschlafen und dann noch mal anzurufen … Ich hätte es verstanden. Den Mut des nun Verantwortlichen in der Redaktion – ich habe heute keine Ahnung mehr wer das war – bewundere ich ehrlich, die “etablierten” Rhodan- Leser mit dieser “ernstgemeinten Spaßnummer” von einem Raumvogel zu düpieren. Immerhin war ich bis dahin nur im PERRY RHODAN-Magazin gedruckt worden.

Also meines Wissens war Willi Voltz doch zu dieser Zeit der dafür Verantwortliche. Ich kann mich an ein Risszeichnertreffen im Oktober 1982 bei Willi in Heusenstamm erinnern – für mich damals ein Ritterschlag, dabei sein zu dürfen – , bei dem Du auch gewesen bist und noch faszinierendere Arbeiten präsentiert hast.

Aber neben diesem Gag und all dem Spaß, den Ralf und ich damit hatten, bleibt für mich bis heute der durchaus ernst zu nehmende Hintergrund und Anlass für diese Zeichnung, das eigentliche Unvermögen, sich wirklich vorzustellen, wie solche Fahrzeuge in ein- oder zweitausend Jahren aussehen und funktionieren mögen. Wer sich einen Raumjäger als perfektionierten Düsenjäger vorstellt und einen Raumkreuzer als Weltkriegsschlachtschiff mit Laserkanonen und großen Heckflossen, begeht m. E. den gleichen Fehler wie die phantastischen Autoren des 18.  bzw. 19.Jahrhunderts, die auch nur ihre Kenntnisse von Technik lediglich in die Zukunft umsetzten. Wobei Jules Verne der Sache noch am nächsten kam, aber letztlich ja auch der Ästhetik seiner Zeit verhaftet blieb.

In diese Kerbe haut auch das Leitmotiv dieses Blogs: “Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.” (Arthur C. Clarke)

Aber andere – und vielleicht bessere – Risszeichner als ich erkannten das ja auch, setzen diesen Gedanken aber vielleicht etwas “sozialverträglicher” (sprich “serienverträglicher”) um.

Jedenfalls war meine kurze Karriere als “Shooting-Star” der RZ-Szene (vom “technisch und zeichnerisch höchst begabten Leser”, siehe PERRY RHODAN-Sonderheft Nr.1, hin zum Sündenfall der Szene mit anschließendem “Rauswurf”) damit im Großen und Ganzen beendet. Eine Zeichnung konnte ich noch – ohne großen Erfolg offensichtlich – unterbringen (Raumschiff der Namenlosen, PR 1123); der RZ-Zeichnerclub reagierte, soweit ich mich erinnere, gar nicht mehr auf mich bzw. ließ mich ab da links liegen … Dann war’s das für mich wohl gewesen mit PERRY RHODAN.

Ich kann nicht bestätigen, dass Du wegen des “Redhorse-Jägers” auf eine schwarze Liste gekommen wärest. Im übrigen war der der Konsens schon ab Mitte 1983, dass diese RZ ein wichtiger Meilenstein für das Genre gewesen ist – vielleicht vegleichbar mit dem Punk-Klassiker Never Mind the Bollocks der Sex Pistols.

Viel mehr bleibt nicht zu sagen – dass der gute alte “Redhorse-Jäger” offensichtlich eine sehr kontrovers geführte Diskussion auslöste, finde ich im Nachhinein – ich erfuhr erst Jahre später zufällig davon, als mich das alles längst nicht mehr interessierte   – eigentlich gar nicht schlecht.

Irgendwann in diese Zeitspanne fiel – soweit ich es erinnere – der für mich und wohl auch viele andere unerwartete und sehr bedauerliche Tod meines Mentors Willi Voltz. Er war ein sehr sympathischer, zurückhaltender und intelligenter Mann, den ich damals sehr mochte und bewunderte.

Aber zu dem Zeitpunkt lockten schon ganz andere Aufträge und – im wahrsten Sinne – neue “Perspektiven”.

“Holzklasse ins All?” Chaos Communication Camp 2011: Tag 1

"Laser auf Span (2011)" Meine risszeichnerische Interpretation des Innenlebens der CCCRocket-Ikone hat Frank Rieger mit dem Lasercutter der raumfahrtagentur in Span gebrannt. Das Signet selbst wurde von Marten Suhr für das CCCamp 1999 entworfen; 2003 das lebensgroße Modell dazu gebaut.

Die nächsten Tage bin ich auf dem Chaos Communication Camp [1] auf dem Gelände des Luftfahrtmuseums Finowfurt [2]untergekommen im weiträumigen c-base Village. Die Ankunft gestern an Tag 0 war nach Einbruch der Dunkelheit phantastisch, da die CCC-Orga mit ihren Helfern von Art Event eine Fusion-artige Atmosphäre hingezaubert hatten [3] – aber noch ganz still trotz schon gut gefüllter Campingareale. Das vierte CCCamp seit Altlandsberg 1999 knüpft an die Aufbruchstimmung von damals an – diesmal mit dem Aufruf an die internationale Hacker Community, den Weltraum nicht nur metaphorisch zu erobern.

Diese Auftaktveranstaltung samt des versuchten Agenda Setting zur ist semi-glücklich verlaufen. Ich glaube, mit einer ähnlichen auf drei nicht gleichermaßen perfekt frei englischsprachig Vortragende hätte auch JFK vor 50 Jahren Mühe gehabt, das Apollo-Programm zum Abheben zu bringen.

In einer Mischung aus 50-Jahre-Nostalgie und neuer ziviligesellschaftlicher wie privatwirtschaftlicher Initiative tut sich in Sachen Raumfahrt gerade eine Menge. Interessant auch, dass Tim Pritlove mit seiner Podcastreihe Raumzeit [4] für DLR & ESA gerade eine Menge Grundlagen unters Volk bringt – Tim, der maßgeblich die beiden Altlandsberger CCCamps als “Discordian Evangelist” initiiert hat.

Da ich zu der Zeit im c-base Outpost am Mariannenplatz 23 Tims Evangelisierung hautnah miterleben durfte, kenne ich den wie immer bei Tim langwierigen und kritischen Gestaltungsprozess, bis es c-base-Mitbegründer Marten Suhr (damals zur Designergruppe marplon4 gehörig) gelungen war, der inzwischen zur Ikone des Clubs gewordenen Rakete die richtige Knubbeligkeit, das korrekte Farbschema und den idealen Anflugwinkel zu verpassen.

Als begeisterter Zeuge des Prozesses habe ich dann Martens Outline genommen und mir eine quietschfidele Innenausstattung für die dazugehörige Risszeichnung ausgedacht, die dann auch im damaligen Camp Guide Aufnahme gefunden hat. Angelehnt war die 1999er-Campmission als Hommage an Douglas Adams The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, die Rakete sollte im Auftrag der im Erdorbit kreisenden “turnschuhförmigen” Heart of Gold den Kontakt mit der der irdischen Hackergemeinde aufnehmen.

Um die Hintergrundlegende noch besser zu verdeutlichen, machte Marten Suhr auch noch ein damals Aufsehen erregendes kleines Promovideo The Rendezvous [5] (gefühlt Jahrzehnte vorm heutige üblichen YouTube-Embedding), an den der wiederum von Marten sowie c-base -3D-Artist e-Punk neue 2011er Camp-Trailer nach 12 Jahren Pause stilistisch nahtlos angeknüpft hat:

Für mich war die kleine Spaß-RZ zum Chaos Communication Camp 1999 eine tolle Übung, um bei Risszeichnungen, die ich zu der Zeit schon mit Freehand zu zeichnen begann, mal in Farbe zu versuchen. Es ist erstaunlich, wie schnell dies geht, wenn die grundsätzliche Anlage der Vektorobjekte darauf abgestellt ist.

Das habe ich auch umgekehrt gemerkt: Als Frank Rieger mich vor einiger Zeit gefragt hat, ob ich nicht einmal eine Risszeichnung vom auf der Raumfahrtagentur [6] im Stattbad Wedding stationierten Lasercutter brennen lassen wollte, dauerte die “Retroversion” auf eine Strichzeichnung der CCCRocket keine zwanzig Minuten. Nur bei der Aufbereitung der Vektordaten für den Lasercutter mussten wir dann letzte Woche einen Work-around machen, der zur Folge hatte, dass alle Pfadlinien jetzt doppelt vom Laser in die Holzspanplatte gebrannt wurden.

Damit sieht die gelaserte “Holzklasse”-Version der Rakete jetzt im Vergleich zu ihrer älteren, vektorglatten Schwester richtig geerdet aus.

[1] Offizielle CCCamp2011-Website des CCC
[2] Website des Luftfahrtmuseums Finowfurt
[3] Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat hier einige Fotos von Tag 0 auf Flickr gestellt
[4] Raumzeit – Der Podcast über Raumfahrt von ESA und DLR
[5] Im Webarchiv des CCC sind einige Stills des CCCamp-Trailers von 1999 zu sehen.
[6] Die Raumfahrtagentur bei Hackerspaces.org

“Möchten Sie das Universum jetzt neu starten?” Fünf gute Gründe für PR NEO

Jetzt ein Erbe des Multiversums? In den Pop-Comics des Studio Giolitti gelang schon einmal die transuniversale Migration zwischen den Genres. Source: "Die Millis kommen" Seite 18 der Ausgabe 38 von "PERRY - Unser Mann im All" (1969), bereitgestellt von Stephan Koenig via comicartfans.com

Nach einigem Geraune und Gerüchten über das “Geheimprojekt X” löste die PERRY RHODAN-Redakteurin Elke Rohwer über das Logbuch der Redaktion [1] doch überraschend schnell auf, was es mit der am 30. September startenden neuen 160-Seiten-Taschenheft-Serie auf sich haben würde: Es ist ein Reboot der klassischen PR-Exposition im Jahre 2036 unter der Tagline: “Die Zukunft beginnt von vorn.”

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Serie und der am gleichen Wochenende stattfindenden PERRY RHODAN-WeltCons [2] in Mannheim wäre jede andere denkbare Möglichkeit nach Offenlegung des Formats des “Geheimprojekt X” nicht realistisch gewesen. Es erscheint mir die richtige Entscheidung, auch wenn damit die in den Textformaten mehr oder minder durchgehaltene fiktionale Kontinuität des einen “Perryversums” im Kernbereich der Marke – dem Romanheft – durchbrochen wird. Diskontinuitäten des jetzt sich wahrhaftig zu einem Multiversum auffaltenden PERRY RHODAN-Kosmos gab es unter der Hand schon dadurch, dass die Handlungselemente der eingestellten Nebenserie ATLAN so gut wie keinen Niederschlag in der Haupthandlung verursachen durften, was auch für die über viele Jahre als Hors-Serie gelaufenen “Planetenromane” galt, die aber zumindesst den Anspruch erhoben im “kanonischen” Perryversum zu spielen.

Offene Brüche in der Kontinuität gab es im Bereich der Comic-Reihe PERRY – Unser Mann im All, in der verschiedene Charaktere der Romanhefte in eine für den damaligen Stand der Serie weit entfernte Zukunft entführt neu zusammen gewürfelt wurden. Auch die legendäre Italo-Verfilmung der PR-Exposition SOS aus dem Weltraum [3] bediente sich sehr frei der Motive der Romanvorlage.

Welche Vorteile bringt der Reboot des PERRY RHODAN-Kosmos mit NEO?

1. “Back to the Roots” und Komplexitätsreduktion: Die starke Exposition der Serie, dass ein privilegierter, aber doch normaler Mensch durch den Kontakt mit technologisch hochentwickelten Außerirdischen zum Handlungsträger und Menschheitsbevollmächtigten aus eignem Recht wird – und nicht zum Unterworfenen –, hat großen Anteil am Mythos der Serie. Diese klassische und originelle Alien Encounter-Story kann jetzt wieder erzählt werden, ohne dass Neueinsteigern die ganzen aufgelaufenen Widersprüche zum heutigen Realuniversum erläutert werden müssen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man schon an dieser Stelle viele Gutwillige verprellt, die darüberhinaus durch die Komplexität des späteren Perryversums überfordert sind. Die kurzlebige, in der klassischen Kontinuität angesiedelte PERRY RHODAN-ACTION-Serie hatte dies schon versucht – ich fand allerdings allein die Titelgestaltung im Vergleich zur Hauptserie  schon sehr trashig und wenig anziehend für eine “Premium-Pulp-Marke”.

2. “Beyond Pulp”: Handlung, Personen, Setting, Near-Future-Technologien können jetzt zeitgemäßer und qualitativ hochwertiger in Stil und nach heutigen Erkentnissen und Lesegewohnheiten noch einmal erzählt werden – wichtig in Bezug auf Frauengestalten, Multikulturalität und Anti-Militarismus. Das deutsche Publikum ist mit solchen Reboots durch die ständigen Superhelden-Comic-Neuverfilmungen auch inzwischen viel vertrauter und wissen um den Reiz einer solchen Neuinterpretation, was früher nur im Feuilleton den Regietheaterfürsten bei der Neuinszenieung des Faust zugestanden wurde.

3. Sorgfaltspflicht: Die frühen PR-Romane waren Wegwerfliteratur – trotz weit gespannter Zukunftsszenarien (“Der Erbe des Universums”) ganz dem Hier und Jetzt verpflichtet. Die neue Generation der NEO-Autoren wird in dem Bewusstsein schreiben, dass ihre Texte auch in gar nicht mal so fernen 25 Jahren noch Bestand haben sollten. NEO spielt in 2036 – im Übrigen auch das 100. Geburtsjahr des fiktionalen Perry Rhodan des nun “Classic Universe”.

4. “Rücksturz zur Erde”: Ich meine damit, dass unsere Gegenwart sich in den alltäglichen Lebensbelangen schon fast viel futuristischer gebärdet als die gesamten rhodanesken Space-Opera-Genreversatzstücke zusammen leisten können: Cyberspace, Gen- und Nanotechnologien, die Singularität. Gerade die Geschichte der damaligen ersten 20 Bände könnte in der NEO-Reihe intensiviert werden – vergleichbar der TV-Serie Smallville, in der sich das insgesamt ja ziemlich überkandidelte DC-Multiversum um Superman/Clark Kent langsam und TV-Konsumenten-verträglich aufspannt.

5. Internationale Vermarktung: Die Ursprungsgeschichte und Exposition für all die faszinierenden PR-Handlungselemente waren nach 1969 für Film- oder TV-Umsetzungen fürs große Mainstreampublikum nicht mehr vermittelbar. Und so gab es für die Marke keine Möglichkeit an den Boom der konkurrierenden visuellen SF-Universen aus Hollywood in adäquater Form anzuknüpfen. Roland Emmerichs Independence Day war in diesem Sinne unter diesen Beschränkungen die bestmögliche PERRY RHODAN-Verfilmung überhaupt. Mit dem Neustart als PERRY RHODAN NEO könnte dieser ‘strukturelle Flaschenhals’ beseitigt werden. Man wird sehen, wie NEO andere Vermarktungshindernisse für den wichtigen US-Markt umgehen wird: Ein aus höherer kosmischer Einsicht desertierender US-Major wird wenig Chancen beim amerikanischen Publikum haben. Sollte das Setting für Rhodans nächste Mondlandung aber einen bösen globalen Privatkonzern oder aber eine korrupte internationale “UN Space Administration” umfassen, könnte es schon besser aussehen.

Alles in allem also ein gutes und längst überfälliges Projekt, um die Marke für die nächsten 50 Jahre fit zu machen. Ich bin sehr gespannt auf den Neustart, und ob es sich neben der Hauptlinie, deren aktueller Neuroversum-Zyklus schwach gestartet ist, etablieren wird oder ob NEO bloß ein “Pocket-Universum” bleiben wird.

[1] Der Logbuch-Eintrag vom 4. August 2011 von PERRY RHODAN-Redakteurin Elke Rohwer zu PERRY RHODAN NEO
[2] PHUTURAMA: Event WeltCon-Panel “Space Design”
[3] WP: PERRY RHODAN, Abschnitt über SOS aus dem Weltall

Der Link zur Comic-Seite aus PERRY – Unser Mann im All:
http://www.comicartfans.com/GalleryPiece.asp?Piece=404428&GSub=63504

Tomer Hanukas Space Race 2020

Mit Sieben-Meilen-Stiefeln ins All. Höhere Mächte befahlen: "Rechte untere Ecke mit rosa Abgaswölkchen füllen!"

Tomer Hanuka mit seinem großartigen Portfolio [1] hatte ich schon vor einiger Zeit in die HYPERLINKS gestellt, jetzt ist mit seiner Auftragsarbeit Space Race 2020 für Nike “Swoosh!”Air die Gelegenheit gekommen, ihn hier mal zu präsentieren.

Da ich mich selber im Moment stark mit den 1960er Jahren und dem “Space Race Age” beschäftige, ist dieses Motiv für mich sehr interessant, da es in perfekter Manier den klassischen Gestaltungsprinzipien Disruption und Harmonie folgt. In Einklang mit den Assoziationen, die der Begriff “Space Race” weckt, ist der Astronaut nach klassischen inzwischen retrofuturistischen Pulp-Vorgaben mit eng anliegendem Skaphander und großer transparenter Helmkuppel gezeichnet. Die ungewöhnliche Untersicht in den Schritt ist dagegen ein indiskretes, disruptives Element – in Verbindung mit den rosa Abgaswolken vielleicht sogar mit beabsichtigt schwuler Konnotation?

Eingefangen wird das Spiel mit den SciFi-Stereotypen erst durch die Einbeziehung der Kunden Nike Air. Der Space Race 2020-Protagonist in seinem speziellen Spreizschritt, ist die direkte Umsetzung des Nike “Air Jordan”-Key Visuals. Die Power der Raketentriebwerke liegt in den futuristischen 2020-Stiefeln, die mit einem dezenten “Fast Forward”-Signet gekennzeichnet sind. Interessant und wieder disruptiv: die Nabelschnur, mit dem der “Space Racer” – an wen? – gebunden ist.

Tomer Hanuka Konturlinien wie seine ungewöhnlichen, teils Acid-grelle Farbgestaltung sind meisterhaft. Einzige Kritik meinerseits nach Besichtigung des Blogs tropical toxic [2], das er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Asaf unterhält und seinen Arbeitsprozess in vielen Work-in-Progress-Skizzen und Screenshots sichtbar macht, ist, dass er manchmal sehr ausdrucksstarke Szenarien durch seine fast schon zu glatten und artifiziellen Reinzeichnungen erstickt. Für das oben abgebildete Motiv Space Race 2020 ist das voll okay – und befördert überhaupt den ironischen Twist in der ganzen Komposition, den der Kunde verlangt. Ach,  und die Typo ist schon ein wenig lame und Loveparade 1996, oder?

Leider konnte ich zu den Hintergründen der Auftragsarbeit für Nike auch auf dem Twitter-Account von Tomer & Asaf Hanuka nichts finden, aber eine Follow-Empfehlung ist dies in jedem Fall. [3]

[1] Tomer Hanukas Portfolio
[2] tropical toxic – Das gemeinsame Blog der Brüder Tomer & Asaf Hanuka
[3] Follow-Empfehlung: Twitter-Account der Hanuka-Zwillinge

The Amazing Spider-Man? Seriously?

Ist der The Amazing Spider-Man düsterer, erwachsener und realistischer als in den Raimi-Filmen? Moebius scheint desillusioniert. Quelle: das großartige quenched consiousness

Columbia Pictures und Marvel Studios werden einen vierten Spider-Man-Film [1] im nächsten Jahr herausbringen, der den freundlichen Netzschwinger mit neuer Besetzung und neuem Regisseur rebootet. War das nötig? Erste Eindrücke vermittelt ein Teaser (siehe unten), der schon einiges zu enthüllen weiß:

1. Die Tonalität ist ernster, zeitgemäßer und auf das aktuelle Teenager-Publikum zugeschnitten. Sam Raimis Trilogie war trotz zeitgenössischer Optik dramaturgisch und konzeptionell eine liebevoll retrospektive Nach- und Aufbereitung der wichtigsten Spider-Man-Assets des Marvel Silver Age. Stereotype Figuren wie Tante May, Daily Bugle-Chef Jameson oder der Sandman sind in ihrer ganzen Chargenhaftigkeit der ursprünglichen 1960er Jahre Comicvorbildern treu geblieben. Vielleicht hätte James Raimi schon vor zehn Jahren die ganze Trilogie als Retrodrama in die 1960er zurückverlegen sollen, wie es dies mit X-Men: First Class [2] so gut gelungen ist.

2. Peter Parkers verschwundene Eltern werden als traumatische Handlungstreiber in die Persönlichkeit des bis dato mostly harmless Peter Parker eingespeist. Da ich nicht so firm bin in knapp fünf Jahrzehnten Spider-Man-Geschichte, ist das ein authentischer Plot aus dem Marvel Universe?

3. Es gibt ein neues Kostüm. Hm. Ich glaube, das Spiderkostüm war das geringste Problem der bisherigen Trilogie. Es könnte für die Neuverfilmung eins werden. Es leuchtet doch sehr blau und bunt. Beziehungstechnisch wird diesmal Gwendolyn Stacy as blonde Highschool-Prinzessin in den Vordergrund gestellt. Sam Raimi war je eher der Mary-Jane-Fan.

4. Es gibt PoV-Actionszenen. Cinematisierung der Computerspiele? Zumindest die im Trailer jetzt sichtbaren Action-Sequenzen sehen aus wie ein ambitionierteres Machinima aus einer ordentlichen 3D-Engine. Ich glaube (hoffe) deshalb eher, dass es sich hierbei um WiP-Animatics handelt, die einfach jetzt schon mal in den Trailer gedumpt wurden. Übrigens eine schöne Referenz ist schon im Teaser an Cronenbergs Die Fliege (1986) versteckt, wenn Parker sich da einen Faden aus Nackendrüse zupft. Soviel mal zur “Eerieness”!

5. The Amazing Spider-Man ist 3D. Warum? Das weiß der Geier! Jedenfalls würde ich bei 3D-Luftkämpfen diesen durch Raimi noch nicht verbrannten Erzschurken zum Einsatz bringen.

Da Raimi seine Trilogie mit großem Anstand über die Runden gebracht hat, wird es für Marc Webb kein Homerun wie für Chris Nolans großen Batman Begins-Reboot. Da müssten sie noch etwas in der Hinterhand (“… secrets that are kept from us.”) haben, was ich in diesem Trailer nicht sehen kann. Noch klingelt mein Spinnensinn also nicht so recht.

UPDATE: Es gibt die Vermutung, dass Sony Pictures diesen frühen Reboot des Spidey-Universums unternimmt, um die Filmrechte nicht zu verlieren. Ich finde tatsächlich, dass die ganze Neuauflage einige Jahre zu früh kommt.

[1] Wikipedia: The Amzing Spider-Man (2012)
[2] PHUTURAMA: Mein Beitrag hier  zu X-Men – First Class

Das Spider-Man-Motiv von Mœbius habt ihr “quenched conciousness” aka theairtightgarage.tumblr.com zu verdanken. Hier direkt auf die Archiv-Gallerie gelinkt.

“Charaktermasken” – Batman vs. Bane in The Dark Knight Rises

Wie glücklich Batman über Nolans Interpretation des Dunklen Ritters ist, wissen wir nicht. Moebius hingegen hat den Superhelden-Comic wenig hinzugefügt – das macht ihn ein wenig humanoider.

Die erste Teaser-Welle [1] zu The Dark Knight Rises rollt, mit der im näcshten Jahr Chris Nolan’s BatmanTrilogie zu einem Abschluss gebracht werden könnte. Kommerziell und visuell habe die beiden bisherigen Filme Batman Begins und The Dark Knight überzeugt (letzterer mit dem Hype um den kurz vor Filmstart verstorbenen Heath Ledger über Gebühr angeheizt), aber mich haben die Filme konzeptionell nicht so glücklich gemacht.

Warum? Erstens das Batman-Universum rund um die Metropole Gotham City [2] kann mich nicht recht überzeugen. Vieles mutet realistisch-modern an, anderes verbleibt in einer seltsamen Zeitkapsel zwischen Chicago 1930 und DC-Manierismen wie dem Arkham Asylum. Der Horror heutiger lateinamerikanischer Megastädte ist viel schrecklicher als es sich das artifizielle Superhelden-Hollywood zu erträumen wagt. (Lest mal meine Kurz-Reviews über Miss Bala by Gerardo Naranjo und Dias de Gracia by Everardo Gout dazu.) [3]

Um so interessanter, dass Batmans Gegenspieler in The Dark Knight Rises (2012) Bane [4] sein wird, eine Figur mit Catcher-Maske, wie sie in den Barrios als reale Superhelden und Anwälte der Armen und Entrechteten auftreten. Vielleicht kommt da über getwistete Wege noch ein wenig Gesellschaftskritik ins Fledermauskostüm.

Zweitens kranken die meisten Superhelden-Verfilmungen immer noch am “Yes, we can!”-Syndrom, das es schon für einen Erfolg hält, die Comic-Charaktere und ihr Setting einigermaßen stimmig zu adaptieren. Für die Fans ist dabei wichtig, wie kommt das Kostüm rüber, wie schaut der Superschurke aus. Chris Nolan hat in diesem Bereich sicherlich einige Batman-Assets kongenial interpretiert, aber trotzdem keine eigenständige filmische Relevanz erlangt.

Gerade in The Dark Knight ist der Joker so übernatürlich perfekt in seinen Plots, dass es letztlich genauso Fantasy ist wie Tim Burton’s Rummelplatz-Verfilmungen Batman (1989) und Batman Returns (1992). Letzerer mit dem Star-Villains Michelle Pfeiffer als Catwoman und Danny de Vito als Pinguin ist immer noch mein Favorit.

Ich hätte Nolan den harten Schnitt in den ‘Realismus’ empfohlen: “Keep it to Wayne Enterprises!” Das heißt wie beim wirklich genialen Batmobil und der aller Gothic Novel-Klischees beraubten Batcave im zweiten Teil hätten alle spitzen Ohren und Fledermausflügel gestutzt und nur als situativ gegebene ‘pseudoreale’ Gadgets ausgegeben werden sollen. Das Cape als ausfaltbares Notflug-Device und die Öhrchen für Echolot-Ortungen bei Nacht und Nebel.

Und ansonsten hätte die Filmreihe noch stärker an bestehende Real-Thriller herangeführt – mit der Tarnidentität des omnipräsenten Jet-Set-Milliardärs sicherlich kein dramaturgisches Problem. Wie man ein postmodernes Superhelden-Märchen samt dessen inhärenter selbst-referenzieller Dekonstruktion erzählt, davon zeugt Tarantinos Kill Bill.

Überhaupt brauchen alle bisherigen Superhelden-Verfilmungen, um zu funktionieren, ein dramaturgischen “Genre-Wirtskörper”, der dem Superhelden-Klamauk die Leitplanken setzt. Wenn dieses Wirts-Genre clever gewählt, klappt es dann ganz leidlich mit den Verfilmungen: Spider-Man ist Coming-of-Age, X-Men sind Hanni und Nanni im Mutanten-Internat, Captain America [5] wird wohl ein Kriegsfilm als Trägergenre nutzen.

Und so sind es die “nicht-kanonischen” Superhelden-Filme, die ohne Ballast auf der breiten Brust überzeugend aufspielen können – sei es hard-boiled wie Kill Bill oder Travestien wie Hancock oder Kick-Ass. Ich warte aber weiter auf einen Comic-Superhelden-Verfilmung, die sich als Film wirklich emanzipiert. The Dark Knight Rises wird es wohl nicht sein.

[1] Giga.de über The Dark Knight Rises samt einem eingebetteten Teaser
[2] WP: Wissenswertes über Gotham City
[3] KINO – German Film: Cannes 64: Regarding Un Certain Regard
[4] WP: Bane, der fiktionale DC-Charakter
[5] PHUTURAMA: Captain America – Der Erste Rächer ist ein Mann von Gestern

Das Batman-Motiv von Mœbius habe ich dem sehr empfehlenswerten Blog “quenched conciousness” aka theairtightgarage.tumblr.com entnommen, dessen Mission folgende ist: “Exploring the work of Jean Giraud, aka Gir, aka Moebius.” Hier direkt auf die Archiv-Gallerie gelinkt.

Captain America – Der erste Rächer ist ein Mann von Gestern

Etwas US-Patriotisches zum Independence Day 2011: Captain America – The First Avenger steht kurz vorm Start (US: 22. Juli; Deutschland 18. August) und erste Filmbilder und Trailer liefern schon ausreichend Material, um darüber einiges zu erzählen. [1] Captain America ist als Comic-Figur sowohl ein dankbares Objekt militaristischer Propaganda auch als Projektionsfläche subversiver Persiflage – wie von Peter Fonda in Dennis Hoppers Easy Rider verkörpert. [2]

Diese problematische Stellung des “ersten Rächers” selbst im Homeland Universe spiegelt seine Geschichte in Marvels “Golden Age” und seine Wiedererweckung im 1960er “Silver Age”, die auch die wesentliche Grundlage für die jetzige Verfilmung bieten. Captain America ist nämlich ein “Mann von Gestern.”

Die universelle Grundgeschichte des Hänflings Steve Rogers, der dank des “Super Soldier”-Experiments der US Army zum Superhelden evolviert, bewegt sich in dem insbesondere für Marvel-Helden charakteristischen reziprok-proportionalen “Fallhöhe” zwischen all zu menschlichen Schwächen und superheldischen Überkräften. Interessant aber für die Einordnung der Figur ist der Starttermin der “Golden Age”-Serie vor über siebzig Jahren. Marvel hieß damals noch Timely, und Stanley Lieber aka Stan “The Man” Lee gab sein Debut als Autor in Captain America #3 im Mai 1941.

Captain America ist also keine militär-faschistoide Propaganda-Erfindung des mehrheitlichen WASP-Milieus, sondern ähnlich Jerry Siegels und Joe Shusters Superman eine “Überintegrationsfigur”. Unter dem Eindruck des Zuzugs der vor der Judenverfolgung in Deutschland und Europa Flüchtenden – oftmals Familie und Freunde – fanden die jungen Amerikaner jüdischer Herkunft ein Ventil für ihre Wut gegenüber der für sie skandalösen Zurückhaltung der Vereinigten Staaten. Erst im Dezember des gleichen Jahres, in dem Captain America erscheint, wird mit Pearl Harbour Amerikas Kriegseintritt erzwungen.

Captain America – The First Avenger folgt ähnlich wie schon X-Men: First Class [3] dem Marvel-eigenen publikationshistorischen Mythos und spielt zur Zeit des 2. Weltkriegs. Die Feind ist Nazi-Deutschland, die geheime Über-SS-Organisation Hydra und der Erzbösewicht Red Skull, dessen Totenkopfhaftigkeit im Make-up leicht ins Lächerliche hätte umschlagen können. Ob der “Cap” wie auf den Cover des ersten Comic dem “GröFaZ” direkt die Fresse mit dem Schild poliert, kann ich noch nicht sagen.

Während ich der Story wie leider den meisten bisherigen Superhelden-Adaptionen keine besondere Tiefendimension zutraue, so scheint mir das Design der Marvel Studios-eigenen Produktion sehr gelungen. Die Entwicklung des “Super Soldiers” von der Propaganda-Figur der US Army-Truppenbetreuung – wie im Bild oben – zur echten Superheldengestalt in einer combat proven Kämpferrüstung erscheint glaubhaft zwischen WWII-Vintage Style und den Anforderungen an das Superhelden-Genre zu vermitteln. Der hammerschlag-grüne Vita-Ray-Konverter, aus dem die neugeborene Superkämpfergestalt entsteigt, ist ein erstklassiger retro-fiktionaler Entwurf. Die kurz im Trailer auftauchenden Hydra-Schergen-Krafträder scheinen mir über zu moderne Teleskop-Gabeln zu verfügen; aber die Nazis hatten zu den Olympischen Spielen 1936 ja auch schon Fernseh-Liveübertragungen.

Wichtig auch, weil der Film zum Schluss den Weg in die Gegenwart des kommenden “Avengers Assemble!”-Films [4] weist, das Goßereignis auf die Marvel Studios seit Jahren schon mit ihren Filmen Iron Man, Iron Man 2, The Incredible Hulk und Thor zusteuert. Wie ich gelesen habe, wird ein Nazi-Nurflügel-Tarnkappenbomber [5] irgendwo im ewigen Eis durch S.H.I.E.L.D. geborgen werden – mit einem tiefgefrorenen Captain America an Bord. Mit diesem Schluss folgt der Film der ursprünglichen Wiedereinführung des Captains ins “Silver Age” von Marvel: Als ein aus der Zeit gefallener Veteranenknochen des 2. Weltkriegs, dessen Aneckpunkte mit der Moderne jede Menge dramaturgisches Reibungspotential verspricht.

Politisch steht die Figur für Amerikas gegen die üblichen Parteilinien verlaufende Richtungsdiskusssion zwischen, wenn nötig, unilateralen Interventionisten und auf “Amerika First!” sich rückbesinnender Isolationisten. Dies ist ja das geheime Versprechen der Popkultur, das ihre Massenerzeugnisse in ihrer vermeintlichen Unernsthaftigkeit und Oberflächlichkeit die ‘wahren’ Befindlichkeiten und unausgesprochenen Sehnsüchte einer Gesellschaft zu dechiffrieren vermag. Insofern ist dies vielleicht ein tröstliches Bild der US-Gesellschaft, dass ihr erster Krieger und Rächer ein anachronistischer Mann von Vorgestern ist – und in Zukunft in eine breite multilaterale irreguläre Kampfeinheit eingebunden sein wird.

[1] Marvel Studios offizielle Flash-verstrahlte “Micro Site” zum Film
[2] WP: Easy Rider von Dennis Hopper (1969)
[3] PHUTUTAMA: X-Men First Class 1960s Visual Archeology
[4] WP: The Avengers von Joss Whedon. Bei diesem Lemma gibt es wohl keine Pre-Relevanz-Problematik
[5] How to be a Retronaut hat eine Zeitkapsel über “Hitler’s Stealth Bomber” veröffentlicht

X-Men: First Class 1960s’ Visual Archeology

Alles dreht sich darum, wie er zum Helmträger wird: Eric Lensherr (Michael Fassbender) aka Magneto, courtesy 20th Century Fox

Es ist durchaus möglich, dass ich alle Marvel-Verfilmungen der letzten zwanzig Jahre gesehen habe – manche davon zwar nur im TV –, und ich deshalb guten Gewissens sagen kann, dass X-Men: First Class [1] eine der gelungeneren davon ist. Ob es für ein zweites und drittes Wiedersehen langt, was ein persönliches Qualitätskriterium für mich ist, möchte ich jetzt noch nicht sagen. Neben allen X-Verfilmungen – leider ist X-Men Origins: Wolverine für mich die schwächste davon – gefallen mir die wunderbar geerdeten Fantastischen Vier, Iron Man sowie beide Hulk-Filme ganz ordentlich. Und da ich gerade das “Rächer sammeln!” höre, Thor [2] steht für mich noch an, und auf Captain America: The First Avenger [3] bin ich schon sehr gespannt. Spider-Man I – III war mir schon zu mainstreamig. Elektra hingegen war ein kleiner, schöner Seitenblick in einen Nebenarm des Marvel-Universums.[4]

Eine Schwierigkeit der Marvel-Verfilmungen ist, dass sie die jeweilige origins story der Helden in einer parallelen Jetztzeit re-inszenieren und rekontextualisieren müssen, was bei Iron Man wunderbar gelang – in einer derart gelungenen Parodie auf das testosteron-geschwängerte Alphatier-Gehabe Larry Ellisons, dass der Oracle-Chef sich so geschmeichelt gefühlt haben muss, dass er im 2. Teil seinem Alter Ego Tony Stark in einem kurzen Cameo die Aufwartung macht. Was bei Spider-Man als ursprünglichen New York City “friendly neighborhood” Superheld der 1960er nicht mehr gelingen will – wie es die als Knallcharge denunzierte Figur des Daily Bugle-Herausgebers J. Jonah Jameson, wenn auch unterhaltsam, beweist.

Viele der ursprünglichen Charakteristika der Marvel-Supelhelden wurzeln im jeweiligen gesellschaftlichen und zeitlichen Kontext ihrer Entstehung. Das Umtopfen in die heutige Zeit gelingt, wenn die Werte, für die die Helden einstehen, so universell sind, dass sie überall und zu jeder Zeit zu überzeugen vermögen. Um so einfacher aber ein Superhelden-Film wie X-Men: First Class [5],der als Prequel zur bisherigen X-Serie in die Entstehungszeit seiner Comic-Vorbilder eintauchen darf. Er fackelt dabei ein ikonographisches Feuerwerk des 1960er-Eklektizismus ab, in dem zwischen 007s Dr. No [6], Mit Schirm, Charme und Melone [7] und Dr. Strangelove’s “War Room”[8] alles zitiert wird, was die erste Hälfte dieses so erstaunlichen Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts zu bieten hatte. Und dies wird teils cross-medial über Bande gespielt, da sowohl die zugrunde liegenden Comics der 1960er als auch die zeitgenössischen Filme wie ihre postmodernen Re-Enactments (Mad Men [9]) reflektiert werden.

Die Kontinuitäten des “X-Universe” gegen den Strich gebürstet

Ich bin, was die “X-Corner”[10] des Marvel-Universums anbelangt, nur ein Oberflächenschnorchler, so dass ich mir erst einmal via Wikipedia die Authentizität aller hier auftauchenden Mutanten und Superschurken garantieren lassen musste. Und alles stimmt irgendwie – wenn auch gegen jede ordentliche Kontinuität des Marvel-Universums! Dass X-Men: First Class nebenher die Kuba-Krise von 1962 mit einen historisch bisher kaum belegten Spin neu erzählt, sei geschenkt. Mit dem der Mit Schirm, Charme und Melone-Folge “A Touch of Brimstone”[11] entlehnten Hellfire-Club und seinen Hauptprotagonisten Sebastian Shaw and Emma Frost (die ihre Bondgirl-meets-Barbie-Ambiguität noch durch eine ultimative 007-hafte “Diamond Girl”-Formwandlungsfähigkeit zu toppen weiß) verknüpft X-Men: First Class aus dem Comic-Universum legitimierte Handlungsmotive zu einem stimmigen Film-Ganzen. Es dies die Geschichte eines gefallenen Engels – die Geschichte, die George Lucas uns vielleicht gerne über Annakin Skywalker und seine Wendung zur bösen Seite der Macht in den Star Wars-Prequels erzählen wollte, aber nicht vermochte. Es die tragische Geschichte des charismatischen Eric Lensherrs, der zu Magneto und damit zum super-schurkischen Führer der “Bruderschaft der Mutanten” wird. Und es ist die tragische Geschichte des Endes einer großen Freundschaft – zu Charles “X” Xavier, als dessen ewige Nemesis Magneto Eric Lensherr alle späteren X-Men-Geschichten durchziehen wird.

Gibt es formalisierte Hollywood-Regeln für ein gelungenes Prequel?

Eine könnte vielleicht lauten, dass zu Beginn erst einmal alles anders sein muss als gewohnt, damit alles sich so wenden kann, wie es zukünftig schon einmal war. So sind die späteren “Erbfeinde” Professor X und Magneto in X-Men: First Class zuerst einmal kongeniale, gleichberechtigte, wenn auch unterschiedlich temperierte Charaktere – und Eric Lensherr nimmt hierin die für die X-Men so elementare Rolle des draufgängerischen Wolverines ein, so dass dieser bei der in kurzen Szenen eingespielten Mutanten-Akquisitionstour der beiden es sich leisten kann, den beiden einen Korb zu verpassen (in einem kurzen Gastauftritt Hugh Jackmans).

Und so sympathisch und charismatisch der jungen Eric Lensherr (Michael Fassbender) gezeichnet ist, der als einsamer Wolf den versprengten Nazigrößen in ihren üblichen Verstecken (Argentinien) nachjagt, um seinen Peiniger, “Mutantenforscher” und Muttermörder Sebastian Shaw alias “Dr. Schmidt” (Kevin Bacon) zur Strecke zu bringen, so ist sein noch nicht an den Rollstuhl gefesseltes Äquivalent Charles Xavier (James McAvoy) eher ein Bruder Leichtfuß und akademischer Springinsfeld, dem die globale Verantwortung und Seriosität des späteren Professor X noch nicht in die Wiege gelegt sind. Der “erste Jahrgang” der Mutanten – wann werden eigentlich mal die lächerlichen false friend-falschen Filmtiteleindeutschungen (“Erste Entscheidung”) aussterben? – wird hier noch nicht im als Internat für Hochbegabte getarnten “X-Mansion” in Westchester County, New York ausgebildet, sondern in einem CIA-eigenen beton-brutalistischen Forschungskomplex – der “Division X” – unter der Leitung des sympathisch-verschluderten “The Man in Black” (Olive Platt) trainiert, aber eben auch kaserniert. Hier entwickelt First Class auch seinen ganzen, ihn an den Kern aller anderen X-Verfilmungen nahe bringenden Charme des Internats- und Coming-of-Age-Genrefilms. Die Teenager-Mutanten nehmen die Coming-out-Rituale der späteren Emanzipationsbewegungen der Hippie-Ära vorweg – oder sind es gar die Rituale der heutigen Casting-Shows á la DSDS und GNTM? Es ist ein schöner Drehbucheinfall, die für Comic-Fans “heiligen” Heldennamen als Resultate einer nächtlichen Blödelrunde vorgeführt zu bekommen. Die “normal-humane” Führungsoffizierin CIA-Agentin Moira MacTaggert (Rose Byrne), als eine etwas sehr offensichtliche Emma Peel-Referenz eingeführt, steht den Jungspunden als freundlich-gestrenge “Klassenlehrerin” zur Seite – und ist über solcherart Unernst nicht erfreut. Für uns Zuschauer erfüllt Moira die Rolle des verbindenden Elements zur abgedrehten Mutantenzirkustruppe. Als Xaviers love interest nimmt sie dramaturgisch die Rolle im Gruppengefüge ein, die wir aus der im Heute angesiedelten Trilogie von Famke Jansen’s Verkörperung der Jean Grey kennen – natürlich ohne deren dämonischer Phoenix-Identität wie in X-Men III: The Last Stand [12] entfesselt.

Visueller Bildspeicher der ultracoolen 1960er Americana

Als Ausstattungs- und Kostümfilm der coolen 1960er Jahre gewinnt X-Man: First Class natürlich jeden Preis. Waren die Lederkombis der aktuellen X-Filme schon heiß, so sind die schwarz-dunkelblau-gelben Lederkombis ein echter Genuss! Selten sahen im Realfilm umgesetzte – bunte! – Superheldenkostüme zeitgleich so überzeugend funktional als auch retro-chic aus – und das in überzeugender Anlehnung and das Kostümdesign des 1963er Ur-Comics der Uncanny X-Men. Die schwarzen Anzüge der CIA -“Men in Black” sind hier natürlich auch völlig authentisch, während sie in den späteren MiB-Filmen[13] eine eher komische Verkleidung sind – mehr Pan Tau als Secret Service. Über Emma Frost’s (January Jones) Diamantgestalt als Uber-Bondgirl habe ich oben schon geschrieben; ihr mit Superschurke Sebastian Shaw benutztes Atom-U-Boot, aufgetaucht im arktischen Eis, erscheint mir als Referenz an die “USS Nautilus”, das erste nukleargetriebene U-Boot der Welt, das mit seiner erstmaligen Nordpol-Unterquerung 1957 Weltberühmtheit erlangte. [14] Und dessen mentalgesicherte Eignerkabine mit dem selben Op-Art-Tapetenmuster wie mein PHUTURAMA-Hintergrundbild [15] ausgestattet ist – sehr geschmackvoll!

Ein bisschen zu viel der Koinzidenzen wurde es mir in der glücklicherweise nur kurzen Eröffnungssequenz zur Hellfire Club-Geheimloge im fiktiven Las Vegas-Casino “Atomic” (sic!). Denn das originale Ocean’s 11 [16] Las Vegas der 1960er mit seinem historisch verbürgten “Stardust”-Casino [17] im pursten Astro-SciFi-Look habe ich mir schon für das PERRY RHODAN: RISIKOPILOTEN-Webcomic Vegas gesichert. Und was auch nicht schön ist, aber im Rahmen der generell unseriösen Marvel-Technikadaptionen schon in Ordnung geht, ist die anachronistische Verhunzung der einzigartigen Supersonic-Ikone SR-71 Blackbird [18] zu einem VTOL-fähigen [19] Mutantentruppentransporter, den dann auch noch der genialische Dr. Henry McCoy alias Beast (Nicholas Hoult) im Alleingang konstruiert haben will. Immerhin historisch richtig ist, dass das für die Stealth-Technologie wegweisende Spionageflugzeug der Lockheed Advanced Development Projects Unit alias “Skunk Works” durch die CIA beauftragt worden ist.[20] Die 1960er-Retrospektive wird zum Schluss noch abgerundet durch einen 1a-Bond-würdigen Abspann, wie übrigens die gesamte musikalische Untermalung 007-haftes Flair verströmt. Der lieblos angeklatschte, belanglos kontemporäre Official Song “Love, Love” – ausgerechnet von Take That – bleibt mir unverständlich und unerklärlich – gerade bei Robbie Williams immer wieder erklärten Ambitionen auf authentischstes Bond-Hipstertum.

Moralische Aporien

Zum Abschluss noch einige Bemerkungen zur mitunter zwiespältigen Moral von X-Men: First Class. Die KZ-Eingangsszene mit dem jungen Eric Lensherr, der von seinen Eltern getrennt wird und dabei seine mutantischen Magnetkräfte zum Ausbruch kommen läßt, ist dem eindrucksvolle Beginn aus X-Men nachempfunden, das hier in den weiteren Rahmen der Machenschaften eines Dr. Mengele-artigen Sebastian Shaw eingebettet wird. Dessen kolportierte Alterslosigkeit wird im immer seltsam künstlich aussehenden Gesicht Kevin Beacons perfekt wiedergespiegelt. Die schier unfassbare Bürde des jungen Eric, genau dann mit seinen übermächtigen Mutantenkräften versagt zu haben, als es galt seine Mutter vor Shaw/Dr. Schmidt zu retten, bleibt das psychische Trauma, das die unheilvolle spätere Entwicklung des Eric Lensherr zu Magneto um so vieles glaubhafter macht als beispielsweise die Tötung der Eltern des jungen Bruce Wayne als Ausgangspunkt für die Enstehung Batmans – um mal ins benachbarte DC-Universum zu blinzeln. Es ist eine kleine Münze, die erst in Blut getränkt, die Geschichte des jungen Eric vollendet. Eine Tragik des späteren Professor X, dass er als telepathisch-empathischer Mitwisser um Lensherrs Lebenstrauma die unglückselige Metamorphose Magnetos nicht verhindern kann. Das Band zwischen den beiden reißt – und wird niemals wieder verbunden werden können.

Trotz dieser humanistischen Aporie, in die uns X-Men: First Class entläßt, ist es schon etwas befremdlich und gar nicht einmal so “krypto-rassistisch”, dass die einzigen non-caucasian Mutanten des “ersten Jahrgangs” entweder bei erster sich bietender Gelegenheit sterben (ausgerechnet Armando “Darwin” Muñoz), schnöde die Seiten zu Gunsten des Hellfire Clubs wechseln (“Angel” Salvadore) oder wie die komplett fremdartige gestaltwandelnde Mystique – Xaviers erste Begegnung mit Mitmutanten und Jugendfreundin – mit Magneto zieht. Allerdings der Liebe willen. Dass Magneto auch noch “Diamond Girl” Emma Frost wieder aus der CIA-Gefangenschaft befreit und dabei in seinem samtroten Las Vegas-Villain-Klamotten samt Anti-Suggestoren-Helm zum Davonlaufen billig aussieht, ist wenigstens eine ästhetische Lehre aus der tragischen Geschichte des Fall von Eric Lensherrs: Er wird für seine Wendung zum Bösen mit schlechtem Geschmack gestraft.

[1] Die offizielle, verflashte Website www.x-menfirstclassmovie.com
[2] Die ebenfalls verflashte offizielle Website zu Thor
[3] WP: Captain America: The First Avenger
[4] WP: Marvel Universe
[5] WP: X-Men: First Class
[6] WP: Dr. No – der erste James Bond 007-Film (1962)
[7] WP: Wegen der Verwechslungsgefahr zu Marvels Avengers hier der deutsche Eintrag
[8] WP: Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb – insbesondere Ken Adams “War room” wird in First Class gehuldigt
[9] WP: Mad Men
[10] WP: “This article is about the superheroes.”
[11] WP: “A Touch of Brimstone is an 1966 episode of the television series The Avengers. It is widely known for Diana Rigg’s ‘Queen of Sin’ costume.”
[12] WP: “Also known colloquially as X-Men 3 or X3.”
[13] WP: Men in Black-Filmreihe
[14] WP: USS Nautilus (SSN-571)]
[15] twitter.com/#!/PHUTURAMA
[16] WP: “Ocean’s 11 (1960) – heist film starring five Rat Packers: Peter Lawford, Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis, Jr., and Joey Bishop.”
[17] WP: “Stardust” Resort & Casino
[18] WP: “The Lockheed SR-71 ‘Blackbird’ was an advanced, long-range, Mach 3+ strategic reconnaissance aircraft.”
[19] WP: “VTOL is an acronym for vertical take-off and landing aircraft.”
[20] WP: “Skunk Works is an official alias for Lockheed Martin’s Advanced Development Programs (ADP), formerly called Lockheed Advanced Development Projects.”

“Metropolis” Mythically Transgressed by Comic Artist Michael W. Kaluta

The Mensch-Maschine by comic artist Michael W. Kaluta's vintage graphic novel masterpiece of 1988, courtesy www.kaluta.com

In the wake of the Metropolis 27/10 renaissance (see recent post here in this blog [1]) at the 60th Berlinale, thanks to Nerdcore [2] and Golden Age Comicbook Stories [3] I stumbled over the 1988 masterpiece of comic art by renowned illustrator Michael W. Kaluta [4].

Kaluta has more and more turned his career into a still, but not merely comic-centric cover artist whereas his own series kept rare – StarstruckThe Shadow and Eve (a spin-off of The Sandman saga). Kaluta’s official homepage [5] is worth an intense study.

As this snippet from his Metropolis Graphic Novel based by the original Thea von Harbou novel shows that he is an extraordinary gifted penciller, although his elaborate style isn’t really suitable to fit into standard comic industries tight production requirements – heavily based on a strict division of labour.

Metropolis shows the awesome variety of Kaluta’s penciling abilities, but the tendency that every panel of the sequence wants to be more than just a decent servant oft the superordinate story line is evident. But to get the immersive power of the Metropolis myth you might get no better witness than this masterpiece of illustrative, not necessarily sequential art.

Michael W. Kaluta splash images might spark the imagination in a way the Alan Lee [6] artwork did for the classic Tolkien’s Lord of the Rings editions. It is no-brainer that, if in the aftermath of the Hollywood 3D frenzy a CGI obsessed sort of Peter Jackson would try to create a definite remake of Metropolis he would take Kaluta’s work as the 1:1 model for its production design.

The original Metropolis issue is out of print, so our initial Sinnspruch remains: “We Are Keeping A Close Eye on You!”

[1] Metropolis 27/10 – “We Are Keeping A Close Eye on You!”
[2] Nerdcore – “The Blog About Very Cool Stuff. Und so.”
[3 Golden Age Comicbook Stories – Dr. Door Tree’s impressive resource on this very topic
[4] Wikipedia on Michael W. Kaluta
[5] The Art of Michael W. Kaluta
[6] Alan Lee’s Biography at BPIP – “A site devoted to illustrative art”

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