“Pink ist the new Black, Batman!” Das 1969er Panthermobile

"Ich weiß nicht, wer mich fährt, noch Straßenlage – doch ich komm' wieder, keine Frage." Quelle: BidSpotter

Die Geschichte des “rosaroten Panthers” ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Ursprünglich nur einer der typischen 1960er Vorspänne (“Opening title sequence”), entspann sich daraus ein monströses Franchise [1], das sich von den Realfilm-Kriminalklamotten praktisch komplett gelöst hat. The Panther of all Spin-offs.

Der namensgebende Pink Panther ist in den Filmen nur ein fiktionaler superwertvoller Diamant, der als MacGuffin auch gar nicht immer in den insgesamt elf Filmen auftaucht. Zusammen mit Henry Mancinis genialem musikalischem Intro-Samtpföter wurde die Zeichentricksequenz [2] so erfolgreich, dass das beauftragte Cartoon-Studio DePatie-Freleng Enterprises den Zuschlag für eine eigene Cartoon-Show erhielt, die in den 1970ern auch im ZDF-Vorabendprogramm lief. Mit “Paulchen Panther” und “Inspektor Closeau” als Hosts für diverse neue und recyclte Zeichentrickformate. [3]

Im Raelfilmvorspann der ersten Staffel 1969/70 taucht das Panthermobile auf, das nicht nur für den Dreh, sondern zu Promotion-Zwecken als Showcar genutzt worden ist und selbst als Spielzeugartikel zu erwerben war [4]. Das originale Showcar ist bis zum 14. Oktober 2011 bei Robson Kay & Co via BidSpotter [5] zu ersteigern.

Die Credits für das ursprüngliche Design werden bei Wikipedia Bob Reisner zugesprochen, der damit die dfuturistischen 1970er SF-Italo-Gleiter-Silhouetten à la Maserati Boomerang, Lamborghini Countach [6] oder Lancia Stratos im Concept Car-Bereich vorweg genommen hätte. Interessant ist die Anlehnung an das Fighter-Motiv in Verbindung zum Limousinen-Service: Der im Wind sitzende Pilot benötigt definitiv einen Helm, was sehr cool aussieht, aber gleichzeitig ist er bloß Chauffeur für zwei Cartoon-Figuren.

Bei BidSpotter werden die Credits an Jay Ohrberg von California Show Cars Company vergeben. Das muss keine Widerspruch beinhalten, da das Design für die Cartoon Show das eine, der Custom-Bau mit allen Extras etwas anderes ist:

“Designed by Hollywood’s master vehicle designer Jay Ohrberg, best known for having produced the world’s most coveted movie and television vehicles including, Knight Rider K.I.T.T., Back To The Future DeLorean, 1966 Batman Batmobile, 1989 Batman Batmobile, Dukes of Hazzard General Lee, Starsky & Hutch Ford Gran Torino and even the Flintstones cars, the Pink Panther car is a seminal work by this master Hollywood artisan.” [5]

Keine schlechte Gesellschaft, in der sich das Panthermobile da tummelt. Ohrberg ist unter “Jay Ohrberg’s Hollywood Cars” nach wie vor aktiv. [7]

Das Panthermobile ist hier im Vorspann der Pink Panther Show zu bewundern – im Gegensatz zur deutschen Show leider ohne das Henry-Mancini-Stück zur Untermalung (wahrscheinlich zu cool fürs junge Sonntagsmorgenpublikum):

[1] WP: The Pink Panther
[2] YouTube: Hier noch mal das 1963er Intro von Blake Edwards The Pink Panther
[3] WP: The Pink Panther Show
[4] Show Rods: The 1/25-scale Panthermobile kit]
[5] Bid Spotter: Robson Kay & Co Auction
[6] PHUTURAMA: “Wunschwirklichkeitsmaschinen in Ingolstadt”
[7] Jay Ohrberg’s HOLLYWOOD CARS

“Alles nur ein Spaß?” – 30 Jahre Redhorse-Jäger. Ein Interview mit Jürgen Rudig

Die beste RZ aller Zeiten? Terranische Raumschiffe: Abfangjäger der neuen "Redhorse"-Baureihe, Rudig 1981; Source: PR I, Band 1059 Fels der Einsamkeit

Als ich mir im Spätherbst 1981 an einem üblichen Dienstagmorgen vor Schulbeginn PERRY RHODAN 1. Auflage Band 1059 Fels der Einsamkeit am Kiosk kaufte, war ich wie alle vier Wochen insbesondere auf die neue Risszeichnung gespannt. Noch vor Ort schlug ich mit klopfenden Herzen die Heftmitte auf – und sofort wieder zu! Mein Leben war von diesem Augenblick an ein anderes. Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas Seltsameres und Fremdartigeres gesehen als Jürgen Rudigs Abfangjäger der neuen “Redhorse”-Baureihe.

Zu dieser Zeit hatte ich schon erste Veröffentlichungen meiner eigenen Risszeichnungen als “Leser-RZ” erlebt, aber mir wurde in diesem Moment schlagartig klar, dass ich meinen Zeichenstil komplett umstellen müsste, um wirklich die Risszeichnungen anzufertigen, die ich mir bis dahin aber nur vage vorzustellen gewagt hatte.

Das ist jetzt beinahe 30 Jahre her, und im Zuge der Wiederbelebung dieses Blogs und des bevorstehenden WeltCons in Mannheim zum 50-jährigen Jubiläum der PERRY RHODAN-Serie, hielt ich es für eine gute Idee, Kontakt mit Jürgen Rudig zu suchen, um ihn selber zu fragen, wie er das damals erlebt hat.

Wir haben kurz miteinander telefoniert und dann das folgende Interview per E-Mail geführt.

Jürgen Rudig ist Jahrgang 1958, verheiratet, hat zwei halbwegs erwachsene Kinder, ist seit fast 30 Jahren im öffentlichen Dienst, inzwischen Schulleiter einer weiterführenden Schule irgendwo im Hinterland von Aachen. Er hatte seit vielen Jahren kaum noch Kontakt mit PERRY RHODAN und dem SF-Fandom; um so mehr freut es mich, dass er hier Rede und Auskunft stand.

Wie kam es zum “Redhorse-Jäger” – einer Risszeichnung, die auch im Vergleich zu Deinen vorhergehenden Veröffentlichungen heraussticht?

Vor über 30 Jahren stand ich mitten im Studium in Aachen – Kunst und Deutsch –  und wollte eventuell Lehrer werden. Mittelprächtig begabt, hatte ich neben dem Studium schon etliches verkaufen können und verdiente für einen Burschen von Anfang Zwanzig gar nicht mal schlecht damit: Ölportraits nach Vorlage, Buchillustrationen für kleine regionale Verlage, Raumabwicklungen für Architekten, und – ja, klar –natürlich diese Risszeichnungen. Wie ich dazu kam, ein andermal. Es soll hier und heute ja vornehmlich um diesen vermaledeiten “Redhorse-Jäger” gehen, der wohl einigen Staub aufgewirbelt hat und mehr oder weniger das Ende meiner kurzen „Karriere“ als Risszeichner einläutete.

Der “Redhorse-Jäger” war ja eine typische freie Arbeit, die mit dem “Perryversum” nur über die Namensgebung verbunden war, aber sie war nicht im luftleeren Raum entstanden?

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ich das Ding bei Jim Burns abgekupfert haben soll – oder zumindest davon motiviert gewesen wäre. Da ist sogar ein bisschen was dran, obwohl ich beim Zeichnen dieses Jägers – soweit ich das in der Erinnerung noch zusammenbekomme –  schwer unter dem Eindruck von einer anderen illustren Größe der damaligen Zeit stand: Möbius.

Brian Lewis' "Gaussi-Jäger" aus MECHANISMO. Die RZs darin (es gibt noch eine des Robots im Vordergrund) sind über Chris Burns' Bilder gedubbt. Source: RZJ und Sky-Ffy

Das nehme ich Dir sofort ab. Die beiden verdutzten Piloten vorm Jäger könnten direkt aus Der hermetischen Garage gesprungen sein!

Über die ersten Hefte von Metal Hurlant – “Schwermetall” – stolperte ich beim Stöbern im Katalog des Volksverlages, das muss 1979 gewesen sein. Die Möbius-Storys haben mich umgehauen – so locker, so dermaßen gekonnt, erkennbar mit einem Filzer hingeworfen … In einer Rezension las ich dann, dass Möbius angeblich einfach drauflos zeichne, ohne konkreten Plan, ohne Vorzeichnung, eben einfach mit dem Filzer. Das wollte ich unbedingt auch versuchen, mit eigenen Comics, aber eben auch mit Risszeichnungen. Ich malte und zeichnete zu der Zeit sowieso sehr viel, probierte nun auch in dieser Richtung herum, entwarf großformatige Arbeiten – halb Comic, halb Risszeichnung –, kombinierte die Rotring-Feder mit dem Edding 3000. Die Ergebnisse waren eher zwiespältig und liegen zum Teil heute noch in meiner Sammlung vergraben.

Das ist eine gute Nachricht!

Ich nicht weiß, warum es eine gute Nachricht sei soll, dass ich noch alte RZs irgendwo vergraben habe. Ist es gut, dass die noch da sind? Oder ist es gut, dass sie so tief vergraben sind?

Spaß beiseite – ungefähr zur gleichen Zeit war ich dann mal wieder zu Besuch bei Willi Voltz zu Hause, um eine eher übliche Risszeichnung – ich weiß nicht mehr welche – abzuliefern, sauber eingerollt in eine Papprolle und fast 300 Kilometer im klapprigen Käfer meiner Freundin transportiert. Willi Voltz fand die RZ prima und nahm sie sofort, und dann schenkte er mir etwas: Die beiden Bände Mechanismo und Planeten Story – beide Bücher habe ich heute noch.

Ich will nicht abstreiten, dass Jim Burns auf mich Eindruck machte (wie gesagt: ein bisschen was mag dran sein, dass der Gaussi-Jäger meinen “Redhorse” beeinflusste), aber  – großes Aber!  – siehe oben: Zu dem Zeitpunkt waren meine Ideen von halbschrottigen Raumschiffen, die von skurrilen Typen mehr improvisiert als geflogen wurden, von Raumfahrzeugen, denen man einen harten Arbeitsalltag ansah und die mit lockerer Hand eher hingeworfen als durchkonstruiert schienen, schon sehr weit gediehen.

OK, aber eine Risszeichnung ist zuerst einmal keine Comic-Illustration. Gewisse “Freiheiten” hattest Du Dir in Deinen Arbeiten bis dahin immer herausgenommen, aber eben auch durch Deine handwerklichen Qualitäten z. B. beim Setzen von Schraffuren so geschickt kaschiert, dass der Eindruck der technischen “Blaupause” immer erhalten geblieben ist. Beim “Redhorse-Jäger” hatte ich den Eindruck, dass Du uns sagen wolltest: “Das mache ich jetzt extra schief und absurd!” Damit keiner mehr auf die Idee kommt, das Ding könnte es wirklich mal geben.

Ich war den von mir zumindest so empfundenen Bierernst der Szene um die Rhodan-Serie eigentlich satt. Als begeisterter, kritischer Leser von Lem, den Strugatzkis u. a. hatte ich den Hype (so würde man heute wohl sagen) um diese Weltraumserie sowieso nie ganz begriffen. Auch wollte ich eigentlich weg von der ganzen Matrosen-Ästhetik mit “Decks”, “Geschützpforten”, “Kommandoständen”, “Außenschotts”  etc. Ich war immer der Meinung, Raumschiffe – und die Typen, die sie fliegen – sehen in zweitausend Jahren ganz anders aus als für uns vorstellbar. Raumschiff Orion mit seiner ganz eigenen Ästhetik imponierte mir z. B. viel mehr als der ganze Star Wars-Kram.

Also, langer Rede kurzer Sinn: Es musste mal was Spaßiges, was Anderes her, und zudem lebte ich in dem Gottvertrauen darauf, dass man mir auch “so was” im wahrsten Sinne des Wortes abkaufen würde, vielleicht sogar Verständnis dafür hätte, mich unterstützen würde …  Ansonsten konnte ich ja noch genug alte Omas und Kommunionskinder in Öl produzieren.

Interessant, dass Du doch deutlich in Distanz zu PERRY RHODAN gehst – gerade, wenn man Deine urtypisch “rhodanesken” Arbeiten Shift und Korvette (Neukonstruktion) aus den PR-Sonderheften betrachtet.

Ich hatte meinen Adlatus Ralf, einem Freund aus der Abi-Zeit, der mir als verschworener Rhodan-Freak von Anfang an immer gerne die notwendigen Daten lieferte. So  entwarf ich also an einem Nachmittag den “Redhorse- Jäger” (und ich meine ehrlich, ich hatte da den Gaussi- Jäger zumindest bewusst schon wieder vergessen oder verdrängt). Hatte ich bisher immer sorgfältig tagelang mit Bleistift vorgezeichnet und dann Stück um Stück mit Rotring nachgearbeitet, so warf ich jetzt nur die Perspektive und ungefähre Abmessungen Freihand mit Bleistift aufs A2-Papier, um dann sofort mit Rotring und Edding loszulegen. Wobei diese Kombination im Original nie besonders gut aussah, denn der Rotring trocknete tiefschwarz, der Edding eher matt und gräulich.

Schade, dass bei dieser “integrativen” Zeichentechnik im Gegensatz zur “klassischen” Methode mit dem Abtuschen auf Transparentpapier die oft sehr ausdrucksstarke Bleistiftvorzeichnung vernichtet wird.

Nun, wie dem auch sei: das Ding wurde sehr schnell fertig, sah im Original ulkig und gar nicht mal schlecht aus. Und Ralf konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, noch mehr Blödsinn einzubauen. Er prophezeite mir weise vorausschauend, ein schlimmes (Risszeichner)-Ende. Aber ich war nicht mehr zu halten: Das Ding musste auf den Postweg, mal gucken wie der Verlag reagiert … Ich könnte ja auch gerne wieder, falls gewünscht, was “Normales” zeichnen, dachte ich ganz naiv damals.

Als ob Deine anderen RZs jemals “normal” gewesen wären …

Tja, das “Ding” wurde dann tatsächlich also gedruckt, ohne vorher mal nachzufragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte, oder ohne das “Ding” einfach kommentarlos zurückzuschicken mit der freundlichen Bitte, mich erst mal gründlich auszuschlafen und dann noch mal anzurufen … Ich hätte es verstanden. Den Mut des nun Verantwortlichen in der Redaktion – ich habe heute keine Ahnung mehr wer das war – bewundere ich ehrlich, die “etablierten” Rhodan- Leser mit dieser “ernstgemeinten Spaßnummer” von einem Raumvogel zu düpieren. Immerhin war ich bis dahin nur im PERRY RHODAN-Magazin gedruckt worden.

Also meines Wissens war Willi Voltz doch zu dieser Zeit der dafür Verantwortliche. Ich kann mich an ein Risszeichnertreffen im Oktober 1982 bei Willi in Heusenstamm erinnern – für mich damals ein Ritterschlag, dabei sein zu dürfen – , bei dem Du auch gewesen bist und noch faszinierendere Arbeiten präsentiert hast.

Aber neben diesem Gag und all dem Spaß, den Ralf und ich damit hatten, bleibt für mich bis heute der durchaus ernst zu nehmende Hintergrund und Anlass für diese Zeichnung, das eigentliche Unvermögen, sich wirklich vorzustellen, wie solche Fahrzeuge in ein- oder zweitausend Jahren aussehen und funktionieren mögen. Wer sich einen Raumjäger als perfektionierten Düsenjäger vorstellt und einen Raumkreuzer als Weltkriegsschlachtschiff mit Laserkanonen und großen Heckflossen, begeht m. E. den gleichen Fehler wie die phantastischen Autoren des 18.  bzw. 19.Jahrhunderts, die auch nur ihre Kenntnisse von Technik lediglich in die Zukunft umsetzten. Wobei Jules Verne der Sache noch am nächsten kam, aber letztlich ja auch der Ästhetik seiner Zeit verhaftet blieb.

In diese Kerbe haut auch das Leitmotiv dieses Blogs: “Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.” (Arthur C. Clarke)

Aber andere – und vielleicht bessere – Risszeichner als ich erkannten das ja auch, setzen diesen Gedanken aber vielleicht etwas “sozialverträglicher” (sprich “serienverträglicher”) um.

Jedenfalls war meine kurze Karriere als “Shooting-Star” der RZ-Szene (vom “technisch und zeichnerisch höchst begabten Leser”, siehe PERRY RHODAN-Sonderheft Nr.1, hin zum Sündenfall der Szene mit anschließendem “Rauswurf”) damit im Großen und Ganzen beendet. Eine Zeichnung konnte ich noch – ohne großen Erfolg offensichtlich – unterbringen (Raumschiff der Namenlosen, PR 1123); der RZ-Zeichnerclub reagierte, soweit ich mich erinnere, gar nicht mehr auf mich bzw. ließ mich ab da links liegen … Dann war’s das für mich wohl gewesen mit PERRY RHODAN.

Ich kann nicht bestätigen, dass Du wegen des “Redhorse-Jägers” auf eine schwarze Liste gekommen wärest. Im übrigen war der der Konsens schon ab Mitte 1983, dass diese RZ ein wichtiger Meilenstein für das Genre gewesen ist – vielleicht vegleichbar mit dem Punk-Klassiker Never Mind the Bollocks der Sex Pistols.

Viel mehr bleibt nicht zu sagen – dass der gute alte “Redhorse-Jäger” offensichtlich eine sehr kontrovers geführte Diskussion auslöste, finde ich im Nachhinein – ich erfuhr erst Jahre später zufällig davon, als mich das alles längst nicht mehr interessierte   – eigentlich gar nicht schlecht.

Irgendwann in diese Zeitspanne fiel – soweit ich es erinnere – der für mich und wohl auch viele andere unerwartete und sehr bedauerliche Tod meines Mentors Willi Voltz. Er war ein sehr sympathischer, zurückhaltender und intelligenter Mann, den ich damals sehr mochte und bewunderte.

Aber zu dem Zeitpunkt lockten schon ganz andere Aufträge und – im wahrsten Sinne – neue “Perspektiven”.

“Unter Zombie-Jets.” Chaos Communication Camp 2011: Tag 3

Friedhöfe zu Museen? Die Mikojan-Gurewitsch MiG-21 ist mit mehr als 11.000 Exemplaren eine Art 911er der Lüfte in den früheren Ostblockluftstreitkräften gewesen.

Das CCCamp2011 findet auf dem Gelände eines ehemaligen sowjetischen Luftwaffenstützpunkts in der DDR statt, das heute als Luftfahrtmuseum Finowfurt [1] auch als Open-Air-Veranstaltungsfläche genutzt wird. Angeblich wurde der Platz schon viel früher auf Grund besonders stabiler Wetterverhältnisse als Flugfeld in der Brandenburger Schorfheide ausgewählt. Das hat sich wohl geändert, wenn man das diesjährige Wetter betrachtet.

Das eigentliche Luftfahrtmuseum, insbesondere mit seinen Ausstellungsstücken im Freien, macht auf mich jedoch keinen guten Eindruck. Die demilitarisierten und auf Grund des Kriegswaffenkontrollgesetzes ihrer Triebwerke beraubten Maschinen aus DDR- und UdSSR-Beständen rotten erkennbar vor sich hin und werden Opfer von Vandalismus und Souvenierjägern. Ob es dann noch hilfreich ist, wenn eine ehemals stolze MiG-23 zur Leinwand eines unterinspirierten Pinselschwingers wird? (Ein Bild davon zeige ich hier [2] nicht.)

Allerdings wird in Finowfurt nur evident, was aus meiner Sicht die Crux vieler Technik- insbesondere Luftfahrtmuseen [3] ist, dass sie nämlich die Asche präsentieren anstatt zu zeigen, was Feuer ist. Mein Unbehagen wird auch noch von auch unter der diesjährigen CCCAmp-Agenda bestärkt, die ein hacktivistisches Raumfahrtprogramm propagiert, aber gleichzeitig zwischen verrottenden Technik-Highlights des militärisch-industriellen Ostblocks abfeiert.

Auch wenn mir klar ist, dass die Aufrechterhaltung eines Flugbetriebs dieser betagten hochkomplexen Systeme auch unter heutigen zulassungsspezifischen wie den  militärisch gegebenen Einschränkungen nicht einfach ist. Und natürlich sind diese Geräte vor allem Waffensysteme gewesen und nicht einfach nur schön anzuschauende faszinöse Flugsaurier.

Selbst die reichsten und eitelsten US-Milliardäre scheinen es nicht hinzukriegen zu privaten Zwecken interessanteres Luftgerät in Betrieb zu halten. Ich weiß nicht vom Unterhalt privater Lockheed F 104 Starfighter oder gar sowjetischen Materials wie einer MiG 21, MiG 23 oder der bis vor einigen Jahren noch bei der Luftwaffe geflogenen MiG 29. Alles, was ich sehe sind ehemalige Jet Trainer aus der Tschechoslowakischen Republik und andere Schulungsmaschinen.

Was tun? Nun gerade die robusten Maschinen sowjetischer Bauart sind in diversen Ländern dieser Welt immer noch im Einsatz – und unglücklicherweise meist nicht als Museumsflieger. Das bedeutet aber, dass es noch eine logistische Systemumgebung zum Unterhalt dieser Maschinen gibt, die für zivile luftfahrthistorische Demonstartoren unter “fliegenden Denkmalschutz” mit Unterstützung der öffentlichen Hand genutzt werden könnten. Vielleicht könnte man sogar zweifelhaft Regime eine Konversion schmackhaft machen und das alte Geraffel zurückkaufen. Der libysche Bürgerkrieg hat gezeigt, dass selbst ein wohlhabendes Regime nur einen kleinen Teil seiner nominalen Luftwaffe effektiv in den Einsatz bringen kann – zum Glück!

Absurde Idee? Alte Burgen, Festungen, Schlösser, Stadtmauern waren auch in erster Linie bodengebundene militärische Verteidigungssysteme, deren Einbeziehung unter den Dankmalschutz heute niemand ernsthaft in Frage stellt. Warum soll das für die Meilensteine des Möglichen in Sachen Aviation und Aeronautik nicht gelten dürfen?

Im übrigen möchte ich, dass einige Concorde wieder in Betrieb genommen werden! Virgin-Eigner Richard Branson soll das mal ernsthaft geprüft haben [4] – aber der will offensichtlich auch erst einmal in Weltall.

[1] Website des Luftfahrtmuseums Finowfurt
[2] Benjamin Weiss hat von dem Vogel ein Bild auf g+ gepostet
[3] Das Luftfahrtmeuseum der Bundeswehr in Gatow beherbergt auf dem Rollfeld ebenfalls eine beeindruckende Flotte stillgelegten Fluggerät, das ebenfalls still verrottet
[4] Meldung der Daily Mail hierzu, allerdings ohne Datumsangabe

“Holzklasse ins All?” Chaos Communication Camp 2011: Tag 1

"Laser auf Span (2011)" Meine risszeichnerische Interpretation des Innenlebens der CCCRocket-Ikone hat Frank Rieger mit dem Lasercutter der raumfahrtagentur in Span gebrannt. Das Signet selbst wurde von Marten Suhr für das CCCamp 1999 entworfen; 2003 das lebensgroße Modell dazu gebaut.

Die nächsten Tage bin ich auf dem Chaos Communication Camp [1] auf dem Gelände des Luftfahrtmuseums Finowfurt [2]untergekommen im weiträumigen c-base Village. Die Ankunft gestern an Tag 0 war nach Einbruch der Dunkelheit phantastisch, da die CCC-Orga mit ihren Helfern von Art Event eine Fusion-artige Atmosphäre hingezaubert hatten [3] – aber noch ganz still trotz schon gut gefüllter Campingareale. Das vierte CCCamp seit Altlandsberg 1999 knüpft an die Aufbruchstimmung von damals an – diesmal mit dem Aufruf an die internationale Hacker Community, den Weltraum nicht nur metaphorisch zu erobern.

Diese Auftaktveranstaltung samt des versuchten Agenda Setting zur ist semi-glücklich verlaufen. Ich glaube, mit einer ähnlichen auf drei nicht gleichermaßen perfekt frei englischsprachig Vortragende hätte auch JFK vor 50 Jahren Mühe gehabt, das Apollo-Programm zum Abheben zu bringen.

In einer Mischung aus 50-Jahre-Nostalgie und neuer ziviligesellschaftlicher wie privatwirtschaftlicher Initiative tut sich in Sachen Raumfahrt gerade eine Menge. Interessant auch, dass Tim Pritlove mit seiner Podcastreihe Raumzeit [4] für DLR & ESA gerade eine Menge Grundlagen unters Volk bringt – Tim, der maßgeblich die beiden Altlandsberger CCCamps als “Discordian Evangelist” initiiert hat.

Da ich zu der Zeit im c-base Outpost am Mariannenplatz 23 Tims Evangelisierung hautnah miterleben durfte, kenne ich den wie immer bei Tim langwierigen und kritischen Gestaltungsprozess, bis es c-base-Mitbegründer Marten Suhr (damals zur Designergruppe marplon4 gehörig) gelungen war, der inzwischen zur Ikone des Clubs gewordenen Rakete die richtige Knubbeligkeit, das korrekte Farbschema und den idealen Anflugwinkel zu verpassen.

Als begeisterter Zeuge des Prozesses habe ich dann Martens Outline genommen und mir eine quietschfidele Innenausstattung für die dazugehörige Risszeichnung ausgedacht, die dann auch im damaligen Camp Guide Aufnahme gefunden hat. Angelehnt war die 1999er-Campmission als Hommage an Douglas Adams The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, die Rakete sollte im Auftrag der im Erdorbit kreisenden “turnschuhförmigen” Heart of Gold den Kontakt mit der der irdischen Hackergemeinde aufnehmen.

Um die Hintergrundlegende noch besser zu verdeutlichen, machte Marten Suhr auch noch ein damals Aufsehen erregendes kleines Promovideo The Rendezvous [5] (gefühlt Jahrzehnte vorm heutige üblichen YouTube-Embedding), an den der wiederum von Marten sowie c-base -3D-Artist e-Punk neue 2011er Camp-Trailer nach 12 Jahren Pause stilistisch nahtlos angeknüpft hat:

Für mich war die kleine Spaß-RZ zum Chaos Communication Camp 1999 eine tolle Übung, um bei Risszeichnungen, die ich zu der Zeit schon mit Freehand zu zeichnen begann, mal in Farbe zu versuchen. Es ist erstaunlich, wie schnell dies geht, wenn die grundsätzliche Anlage der Vektorobjekte darauf abgestellt ist.

Das habe ich auch umgekehrt gemerkt: Als Frank Rieger mich vor einiger Zeit gefragt hat, ob ich nicht einmal eine Risszeichnung vom auf der Raumfahrtagentur [6] im Stattbad Wedding stationierten Lasercutter brennen lassen wollte, dauerte die “Retroversion” auf eine Strichzeichnung der CCCRocket keine zwanzig Minuten. Nur bei der Aufbereitung der Vektordaten für den Lasercutter mussten wir dann letzte Woche einen Work-around machen, der zur Folge hatte, dass alle Pfadlinien jetzt doppelt vom Laser in die Holzspanplatte gebrannt wurden.

Damit sieht die gelaserte “Holzklasse”-Version der Rakete jetzt im Vergleich zu ihrer älteren, vektorglatten Schwester richtig geerdet aus.

[1] Offizielle CCCamp2011-Website des CCC
[2] Website des Luftfahrtmuseums Finowfurt
[3] Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat hier einige Fotos von Tag 0 auf Flickr gestellt
[4] Raumzeit – Der Podcast über Raumfahrt von ESA und DLR
[5] Im Webarchiv des CCC sind einige Stills des CCCamp-Trailers von 1999 zu sehen.
[6] Die Raumfahrtagentur bei Hackerspaces.org

“Don’t bring me down!” ELO’s Disco Mothership Connection

Die Vor-1970-Geborenen wissen, dies ist keine PR-NEO-Space-Jet oder die Google Chrome-Raumjacht, sondern Teil einer opulenten Cover Art-Ausstattung, wie sie im Vinyl-Zeitalter üblich war. Illustration von Shusei Nagaoka

Bei meinen Recherchen in die unergründlichen Tiefen des Retrofuturismus ist mir durch Dark Roasted Blend [1] das oben abgebildete Album-Cover wieder ins Bewusstsein gespült worden. Damals in den 1970er waren insbesondere  Doppelalben oft opulente Meisterwerke, mit denen man sich über Wochen beschäftigen konnte, während man das dazugehörige Album durch intensives Hören gewissermaßen Note für Note mnemotechnisch internalisierte. Ein Meilenstein dieser Rock- und Pop-Dinosaurier-Zeitalters ist Out of the Blue von Jeff Lynn’s Electric Light Orchestra (ELO) aus dem Jahre 1977 mit dem grafisch wie konzeptionell meisterlich ausgearbeiteten Art Work von Shusei Nagaoka.

Shusei Nagaoka war mir kein Begriff. Ich hätte aus dem Stegreif immer gesagt, dass dies eine etwas untypischere Arbeit von Roger Dean [2] (oder vielleicht auch Jim Burns [3]) gewesen sei. Aber Nagaoka ist nicht nur im engeren Sinne Science Fiction-Illustrator, sondern Album Cover Artist mit oft futuristischem Einschlag, wenn es das Sujet hergibt. Insbesondere die von der “Mothership Connection” beeinflussten Alben-Cover von Earth, Wind & Fire entstammen seiner Airbrush-Pistole. [4]

Nagaokas Cover Art für Out of the Blue ist popkulturell multistratifiziert aufgeladen: Das hier von Außen abgebildete Raumschiff ist nämlich eine Variation das schon zuvor eingeführten ELO-Bandlogos, das auf der Formensprache einer Wurlitzer Jukebox 4008 aufsetzt. [5] Diese in den Mid-70ies längst als nostalgisch empfundene Chrom- und Heckflossen-Opulenz der 1950er Jahre kreuzt ELO-Design mit den zeitlos modernistischen Space-Age-Assests aus Kubricks 2001 – A Space Odyssee. Obgleich ebenfalls noch nicht fertiggestellt wie die 2001er-Raumstation, ist der ELO-Diskus ein kompakteres Mutterschiff mit automatisiertes Turntable-Decks als Gefechtsstationen für die kommenden Klangkriege um die orbitale Hoheit über Planet Disco.

Das ELO-Mutterschiff steht in der wiederholten britisch-weißen Wiederaneignung schwarzamerikanischer Souls und seines als Disco bezeichneten globalisiert pop-industriiellen Ablegers. ELO-Chef Jeff Lynn kam von der Band The Move und war schwerstens von den Beatles beeinflusst, deren von ihnen begründeten weltweiten britischen Pop- und Rockmusik-Hegemonie in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre durch die Zangenangriffe der antagonistischen Geschwister Punk, Disko und Reagge an gleich drei neuralgischen Distinktionsflanken angefressen wurde – Rebellion, Sex und eine bessere (Dritte) Welt.

ELOs Disco-Mutterschiff versucht diese multilateralen subkulturellen Angriffe auf das in orbitale Sphären abgehobenene Pop-Establishment des von blassen weißen britischen Bands okkupierten Mainstream-Rhythm’n’Blues-Imperiums durch Rocket Science-artige technische Überwältigungsapparate der Großraum-Disco und des pop-imperialistischen Stadion-Rocks zu begegnen. Vergeblich! Das folgende 1979er-Album Discovery (“Disco? Very!”) ist dann schon ein ein Abgesang: “Don’t bring me down!” (eigentlich der tollste Boogie, der nicht von Status Quo stammt):

[1] Dark Roasted Blend: Retro Future Space Art Update *Sehenswert!*
[2] Roger Dean: Online Art Store
[3] Jim Burns: Offizielle Website
[4] Shusei Nagaoka: Offizielle Website
[5] WP: Electric Light Orchestra – Fun fact: TLA “ELO” nicht “Elektrisches-Licht-Orchester”, sondern eher: “Elektrisches Kammerorchester”

“Möchten Sie das Universum jetzt neu starten?” Fünf gute Gründe für PR NEO

Jetzt ein Erbe des Multiversums? In den Pop-Comics des Studio Giolitti gelang schon einmal die transuniversale Migration zwischen den Genres. Source: "Die Millis kommen" Seite 18 der Ausgabe 38 von "PERRY - Unser Mann im All" (1969), bereitgestellt von Stephan Koenig via comicartfans.com

Nach einigem Geraune und Gerüchten über das “Geheimprojekt X” löste die PERRY RHODAN-Redakteurin Elke Rohwer über das Logbuch der Redaktion [1] doch überraschend schnell auf, was es mit der am 30. September startenden neuen 160-Seiten-Taschenheft-Serie auf sich haben würde: Es ist ein Reboot der klassischen PR-Exposition im Jahre 2036 unter der Tagline: “Die Zukunft beginnt von vorn.”

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Serie und der am gleichen Wochenende stattfindenden PERRY RHODAN-WeltCons [2] in Mannheim wäre jede andere denkbare Möglichkeit nach Offenlegung des Formats des “Geheimprojekt X” nicht realistisch gewesen. Es erscheint mir die richtige Entscheidung, auch wenn damit die in den Textformaten mehr oder minder durchgehaltene fiktionale Kontinuität des einen “Perryversums” im Kernbereich der Marke – dem Romanheft – durchbrochen wird. Diskontinuitäten des jetzt sich wahrhaftig zu einem Multiversum auffaltenden PERRY RHODAN-Kosmos gab es unter der Hand schon dadurch, dass die Handlungselemente der eingestellten Nebenserie ATLAN so gut wie keinen Niederschlag in der Haupthandlung verursachen durften, was auch für die über viele Jahre als Hors-Serie gelaufenen “Planetenromane” galt, die aber zumindesst den Anspruch erhoben im “kanonischen” Perryversum zu spielen.

Offene Brüche in der Kontinuität gab es im Bereich der Comic-Reihe PERRY – Unser Mann im All, in der verschiedene Charaktere der Romanhefte in eine für den damaligen Stand der Serie weit entfernte Zukunft entführt neu zusammen gewürfelt wurden. Auch die legendäre Italo-Verfilmung der PR-Exposition SOS aus dem Weltraum [3] bediente sich sehr frei der Motive der Romanvorlage.

Welche Vorteile bringt der Reboot des PERRY RHODAN-Kosmos mit NEO?

1. “Back to the Roots” und Komplexitätsreduktion: Die starke Exposition der Serie, dass ein privilegierter, aber doch normaler Mensch durch den Kontakt mit technologisch hochentwickelten Außerirdischen zum Handlungsträger und Menschheitsbevollmächtigten aus eignem Recht wird – und nicht zum Unterworfenen –, hat großen Anteil am Mythos der Serie. Diese klassische und originelle Alien Encounter-Story kann jetzt wieder erzählt werden, ohne dass Neueinsteigern die ganzen aufgelaufenen Widersprüche zum heutigen Realuniversum erläutert werden müssen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man schon an dieser Stelle viele Gutwillige verprellt, die darüberhinaus durch die Komplexität des späteren Perryversums überfordert sind. Die kurzlebige, in der klassischen Kontinuität angesiedelte PERRY RHODAN-ACTION-Serie hatte dies schon versucht – ich fand allerdings allein die Titelgestaltung im Vergleich zur Hauptserie  schon sehr trashig und wenig anziehend für eine “Premium-Pulp-Marke”.

2. “Beyond Pulp”: Handlung, Personen, Setting, Near-Future-Technologien können jetzt zeitgemäßer und qualitativ hochwertiger in Stil und nach heutigen Erkentnissen und Lesegewohnheiten noch einmal erzählt werden – wichtig in Bezug auf Frauengestalten, Multikulturalität und Anti-Militarismus. Das deutsche Publikum ist mit solchen Reboots durch die ständigen Superhelden-Comic-Neuverfilmungen auch inzwischen viel vertrauter und wissen um den Reiz einer solchen Neuinterpretation, was früher nur im Feuilleton den Regietheaterfürsten bei der Neuinszenieung des Faust zugestanden wurde.

3. Sorgfaltspflicht: Die frühen PR-Romane waren Wegwerfliteratur – trotz weit gespannter Zukunftsszenarien (“Der Erbe des Universums”) ganz dem Hier und Jetzt verpflichtet. Die neue Generation der NEO-Autoren wird in dem Bewusstsein schreiben, dass ihre Texte auch in gar nicht mal so fernen 25 Jahren noch Bestand haben sollten. NEO spielt in 2036 – im Übrigen auch das 100. Geburtsjahr des fiktionalen Perry Rhodan des nun “Classic Universe”.

4. “Rücksturz zur Erde”: Ich meine damit, dass unsere Gegenwart sich in den alltäglichen Lebensbelangen schon fast viel futuristischer gebärdet als die gesamten rhodanesken Space-Opera-Genreversatzstücke zusammen leisten können: Cyberspace, Gen- und Nanotechnologien, die Singularität. Gerade die Geschichte der damaligen ersten 20 Bände könnte in der NEO-Reihe intensiviert werden – vergleichbar der TV-Serie Smallville, in der sich das insgesamt ja ziemlich überkandidelte DC-Multiversum um Superman/Clark Kent langsam und TV-Konsumenten-verträglich aufspannt.

5. Internationale Vermarktung: Die Ursprungsgeschichte und Exposition für all die faszinierenden PR-Handlungselemente waren nach 1969 für Film- oder TV-Umsetzungen fürs große Mainstreampublikum nicht mehr vermittelbar. Und so gab es für die Marke keine Möglichkeit an den Boom der konkurrierenden visuellen SF-Universen aus Hollywood in adäquater Form anzuknüpfen. Roland Emmerichs Independence Day war in diesem Sinne unter diesen Beschränkungen die bestmögliche PERRY RHODAN-Verfilmung überhaupt. Mit dem Neustart als PERRY RHODAN NEO könnte dieser ‘strukturelle Flaschenhals’ beseitigt werden. Man wird sehen, wie NEO andere Vermarktungshindernisse für den wichtigen US-Markt umgehen wird: Ein aus höherer kosmischer Einsicht desertierender US-Major wird wenig Chancen beim amerikanischen Publikum haben. Sollte das Setting für Rhodans nächste Mondlandung aber einen bösen globalen Privatkonzern oder aber eine korrupte internationale “UN Space Administration” umfassen, könnte es schon besser aussehen.

Alles in allem also ein gutes und längst überfälliges Projekt, um die Marke für die nächsten 50 Jahre fit zu machen. Ich bin sehr gespannt auf den Neustart, und ob es sich neben der Hauptlinie, deren aktueller Neuroversum-Zyklus schwach gestartet ist, etablieren wird oder ob NEO bloß ein “Pocket-Universum” bleiben wird.

[1] Der Logbuch-Eintrag vom 4. August 2011 von PERRY RHODAN-Redakteurin Elke Rohwer zu PERRY RHODAN NEO
[2] PHUTURAMA: Event WeltCon-Panel “Space Design”
[3] WP: PERRY RHODAN, Abschnitt über SOS aus dem Weltall

Der Link zur Comic-Seite aus PERRY – Unser Mann im All:
http://www.comicartfans.com/GalleryPiece.asp?Piece=404428&GSub=63504

“Peak Oil war gestern!” Mad Max 2: The Road Warrior-Replica

Rechtslenker für den automobilen Vigilanten: Das perfekte Auto für den Abenteuerurlaub in Endzeit-Down-Under, Source: The Last Interceptor

Kabel1 ist ein TV-Kanal, der zur ProSiebenSat.1 Media AG gehört. Anders als die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten macht er wie viele andere private Anstalten sehr ausführliche und gar nicht mal so schlechte Sendungen übers Automobil. Bei Kabel1 heißt diese Sendung Abenteuer Auto. Das ist in in Deutschland offenbar ein krasses Exotenthema – diese Automobile; da tun ARD und ZDF schon recht, das weitgehend zu ignorieren.

In der letzten Abenteuer Auto-Sendung von Samstag, den 30. Juli 2011 gab es einen PHUTURAMA-würdigen Beitrag [1] über einen metikulösen Interceptor-Nachbau aus Mad Max 2: The Road Warrior [2], dessen Erbauern Gordon Hayes und Grant Hodgson [3] es insbesondere darauf ankam, alle Original-Bauteile aus dem damaligen Production Design zu verwenden, was umfangreiche Recherchearbeiten zur Folge hatte.

Dabei ist dann aber auch eine quasi-authentische Film-Replica entstanden, die sogar so weit geht, den elektrobetriebenen Pseudo-Kompressor auch nur als solchen wieder nachzubauen. Das benötigt ein bewunderungswürdiges Maß an Selbstbeherrschung. Eine Straßenzulassung hat der Post-Peak-Oil-Interceptor, der auf einem wirklich existierenden nur für den australischen Markt gebauten Ford Falcon Muscle Car aufbaut, selbst in Australien nicht.

[1] http://www.kabeleins.de/tv/abenteuer-auto/videos/clip/faszination-the-last-interceptor-1.25085
[2] WP: Mad Max 2: The Road Warrior
[3] Website: The Last Interceptor

“Wunschwirklichkeitsmaschinen in Ingolstadt” – Lamborghinis wahrer Star aber failt

Vor 40 Jahren: Der Urkeil. Marcello Gandinis unübertroffenes Meisterstück Countach LP500 in Ingolstadt. Nicht. (Quelle: Internet)

Übermorgen, Freitag den 29. Juli 2011 schließt im Audi-eigenen museum mobile in Ingolststadt eine interessante Sonderausstellung von elf Lamborghini-Designstudien und Prototypen aus knapp 40 Jahren Firmengeschichte. [1] Ich habe es leider nicht geschafft, da vorbei zu fahren, aber ein Bericht bei Classic Driver gibt einen guten Eindruck von “Wunschwirklichkeitsmaschinen”.[2]

Lamborghini, seit Ende der 1990er Jahre in Audi-Besitz, ist der “Incredible Hulk” unter den Exotenmarken. Geboren aus narzisstischer Kränkung des Traktorenfabrikanten Ferruccio Lamborghini über die Ignoranz Enzo Ferraris und dessen schlechten Kundendienst, ist Lamborghini eine einzige automobile Trotzreaktion wider die Vernunft. Ist das Cavallino Rampante das Markenzeichen des großen Konkurrenten aus Maranello, so musste es in Sant’Agata Bolognese schon ein Raging Bull sein, der den Hengst wutschnaubend auf die Hörner nimmt.

In Blech geformter Machismo, der bis weit in die Gegenwart eine gefühlt gänzlich halbseidene Kundschaft anzieht (schönes Beispiel damals ausss Berlin: Kevin “Prince” Boateng), aber vergessen läßt, dass dieser Machismo offenkundig selbst in höchstrationalisierten Audi-dominierten QMS-Produktionszeiten noch mit einer gehörigen Portion Masochismus auf Kundenseite einherzugehen hat. [3] Lamborghini Automobile S.p.A  selbst verkauft diese rüde Attitüde als “Italianitá”.

Aber Lamborghinis extremistischer Angriff auf den damaligen Sportwagen-Hochadel, nämlich Ferrari und Maserati, war nicht nur geprägt durch die Übernahme von im Rennsport schon üblichen Konstruktionsmerkmalen wie der V-12-Eigenentwicklung (durch den von Ferrari abgefallenen Giotto Bizzarini) oder die bis dato für straßenzugelassene Fahrzeuge ungewöhnliche Mittelmotorbauweise für den Miura [4], sondern spätestens mit diesem ersten Meisterstück von 1966 des bei Bertone arbeitenden jungen Marcello Gandinis auch für besonders radikale Designlösungen.

Verkörperte das Design des Miura die straßenzulassungstaugliche Verfeinerung der Mitte der 1960er-Jahre sich im Gran Turismo- wie im Prototypen-Rennsport etablierenden Konstruktionsprinzipien (z. B. der mehrfachen Le Mans-Siegerwagen vom Typ Ford GT40), so brach Gandini 1971 – nur fünf Jahre nach Premiere des bis dato konzeptionell konkurrenzlosen Miura – mit dem ersten oben abgebildeten Prototypen des Countach [5] alle, und nicht nur Lamborghinis bisherige Stierkampf-Namenskonventionen.

In der Geschichte des Automobildesigns ist dieser 1971er-Prototyp Countach LP500 wohl der “Urkeil” schlechthin, was ein wenig darüber hinweg täuscht, dass die Seitenlinie (auf dem Foto gut zu sehen) durchaus noch den sinnlichen Schwung der 1960er Jahre erahnen läßt. Unübertroffen allein deshalb, weil dieser Entwurf mit dem radikalen längsverbauten Mittelmotorchassis (zur erhöhen Stabilität um die Hochachse) und den ikonenhaften Schwenkflügeltüren Ausgangspunkt für eine ab 1974 gebaute straßenzugelassene Kleinserie wurde, die bis 1990 Bestand hatte und die gesamte Designsprache der Marke für die Ewigkeit determiniert hat. Ein zarter Versuch, noch einmal mit einem als Retrodesign erachteten Miura Concept des heutigen VW-Chefdesigners Walter de’Silva an die Vor-Countach-Ära anzuknüpfen, wurde konsequenterweise schnell wieder fallengelassen. [6]

Es gab radikalere und wildere Keile in den 1970er Jahren – von Marcello Gandini selbst, aber auch von Pininfarina und Giorgetto Giugaro (der den domestizierten Kantenstil mit Scirocco und Golf I in die norddeutsche Tiefebene exportierte). Aber dies waren alles reine Concept Cars und Designstudien ohne irgendeine realistische Serienoption: Alfa Romeo Carabo, Pininfarina Modulo, Maserati Boomerang, Lancia Stratos. Sie alle arbeiten sich am Vorbild Countach ab, ohne das Vorbild von vor vierzig Jahren weder einzuholen noch überbieten zu können – die Definition des Klassikers also schlechthin.

Der Längsschnitt verdeutlicht die radikalen Proportionen des Countach LP500, Quelle: countach.ch

Erste Fahrerprobungen mit dem 1971er-Prototypen machten aufgrund thermischer Probleme, aber auch veränderter Zulassungsvorschriften, insbesondere in den USA, umfängliche Veränderungen am Ur-Design notwendig. Die reine klare Linie des ersten Prototyps musste aufgeben werden zugunsten eines immer zerklüfteteren, immer monströseren futuristischeren Kampfgleiter-artigen Erscheinungsbilds, das den schmalen perfekten Grat des ersten Entwurfs zwischen Tradition und Purismus vollkommen “borgifiziert” hat.

Der Faszination der späteren Serienmodelle als feuchten Postertraum an den Wänden der Bräunungsstudien dieser Welt war dieses Brutalo-Design eines Dings wie aus einer anderen Welt nicht gerade abträglich.

Zurück zur Sonderausstellung “Wunschwirklichkeitsmaschinen” in Ingolstadt, die sich mit dem Touring-Einzelstück Flying Star II [7] zu Recht schmückt, aber den wahren Stammhalter der Lamborghini-DNA, den LP500, durch eine ein meinen Augen lächerliche “Replika” glauben Ersetzen zu müssen. Auf den bei Classic Driver ersichtlichen Fotos steht dort in Reihe mit dem Vorgänger Miura ein ebenfalls knallgelber Countach der ersten Serie (ersichtlich an dem Dacheinschnitt zum funktionslosen Periscopo-Minifenster, das beim LP500 darüberhinaus auch durch eine Dacherhöhung gekennzeichnet ist – auf dem Foto oben gut zu erkennen), dem man die seitlichen Lamellen des Prototypen anstelle der Serien-Kühlerkästen angetackert hat.[2]

Da machen es sich die Sonderausstellungsmacher aber einfach. Die Unterschiede zwischen dem 1971er LP500 und dem späterem Serienmodell LP400 (Longitudinale postiore, 4-Liter-V12) sind viel tiefergehender, als dass man sie mit ein wenig Rückbau kaschieren könnte: Der supercleane LP500-Urtyp besaß keine Kühlluftaustritte auf den – ja, was eigentlich? – hinteren Kotflügeln, Seiten- bzw. Dachflächen. Keine seitlichen NACA-Luftansaugstutzen mit integrierten Türöffnern. Die Fenstereinfassung des Prototypen geht in die von den in Wagenfarbe gehaltenen Lamellen maskierten Ansaugöffnung über, die Serie macht hier einen klaren Schnitt. Das Frontend von LP500 baut länger, die rudimentäre aluminiumfarbene Maquette eines Kühlergrills ist viel schmaler und muss keine Zusatzleuchten und Bremsbelüftungsführungen beherbergen. Selbst des LP500-Heck hat kleine, aber konstruktiv bedingt relevante Unterschiede zwischen Prototyp und Serie aufzuweisen. [8]

Allerdings, der hier als “Concorde Moment”(Top Gear’s Jeremy Clarkson) [9] gepriesene Prototyp von 1971 konnte in der Ingolstädter Sonderausstellung gar nicht präsentiert werden. Denn das gute Stück wurde als Entwicklungssträger in den Fahrerprobungen sukzessive mit den Borg-Aufbauten modifiziert und später für einen zulassungsbedingt unvermeidlichen Crashtest zerstört! Trotzdem: Im Werk steht der überlebende zweite, erst orangerote, später grün lackierte 1973er Countach-Prototyp [10], der der heutigen Mutter im Museum Mobile sicherlich gerne einmal zur Verfügung gestellt worden wäre.

Note to Audi bzw. Lamborghini Automobile S.p.A.: Baut eine echte Werksreplica des 1971er-Prototyps als fahrbereiten Ur-Meter des modernen Automobildesigns. Dafür würde ich auch nach Ingolstadt fahren!

[1] “Wunschwirklichkeitsmaschinen — Lamborghini-Designstudien im museum mobile” — Offizielle audi.de-Website mit lustlosem Text und ebensolchem Aufmacherbild
[2] Schöner Beitrag hingegen bei Classic Driver mit einigen guten Fotos von der Ausstellung
[3] YouTube-Video mit dem von einem unzufriedenen Kunden angestifteten öffentlichen Zerstörung seines Gallardo
[4] PHUTURAMA: Le Mans Concept – Lamborghinis wilder Colani-Mutant
[5] WP_it-Diskussionsseite zur Namensdebatte um “Countach” als angeblich obszönen Kraftausdruck im piemontesichen Dialekt
[6] WP: Miura Concept (2006)
[7] WP: Tourings Flying Star II
[8| J-Model Works: Ein Modellbau-Enthusiast hat das LP500-Replica-Projekt im Maßstab 1:24 schon gewagt
[9 YouTube-Video der Top Gear-Challenge, in der Jeremy Clarkson nach meiner Erinnerung den Begriff “Concorde Moment” fallen ließ (Ist aber auch so eine Empfehlung!)
[10] Viel Wissenswertes inklusive Bildmaterial bietet die Website des Countach QV #GLA12997-Eigners Patrick Mimran

Risszeichnung vom Innenleben des Prismas des Dark Side of the Moon-Covers

Dass Pink Floyd ein paradigmatischer Fall für die aurale Dimension von PHUTURAMA sein würden, war mir immer klar.

Dass es aber eine so tolle Innenansicht aka “Risszeichnung” vom Prisma des legendären 1973er-Albums The Dark Side of the Moon [1] geben würde, war eine schöne Überraschung, die mir das inspirerende BELIO-Magazin [2] bereitet hat. Die Illustration trägt den Namen The Dark Side of the Process.

Der weitergehende Link verweist auf einen Flickr-Profil von einem gewissen “enkel dika” [3], ich kann anhand des Profils nicht recht erkennen, ob es um originäre Arbeiten oder präsentierte Fundstücke handelt. Für Pink Floyd-Ignoranten hier ein gerade mal funktionierender YouTube-Link zu den ersten vier Minuten des Albums. [4]

[1] Wikipedia: Pink Floyds The Dark Side of the Moon
[2] BELIO Magazin Galeria
[3] The Dark Side of the Process enkel dikas auf Flickr
[4] YouTube: Die ersten vier Minuten von Pink Floyds The Dark Side of the Moon

“Google will eat itself.” Anmerkungen zu Frank Schirrmachers Digitales Gedächtnis. Wir brauchen eine europäische Suchmaschine

Teils in Überschneidung mit seinem sonntäglichen FAS-Artikel [1] zieht Frank Schirrmacher in seinem Artikel Digitales Gedächtnis. Wir brauchen eine europäische Suchmaschine [2] aus der einer bestimmten Lesart der Ergebnissen einer US-Forschungsstudie [3] zur Nutzung von Suchmaschinen weit reichende Konsequenzen. Er sieht darin eine mögliche neurologische “Zäsur” in menschlichen Kulturisationsgeschichte.

Ein schönes Zitat aus diesem Artikel ist mir aufgefallen, da ich vor allem den hier erwähnten Film als eine Art Zäsur in der Geschichte der Science Fiction als audiovisuell Leitmedium ansehe:

“Man kann die visionäre Größe des ersten ‘Matrix’-Films nicht genug loben: Wir alle werden buchstäblich hineingesogen ins Netz, selbst die, die nicht mit iPhones, sondern noch von öffentlichen Telefonzellen aus telefonieren.”

Auf der re:publica 2008 habe ich mir mit dem These “SF – Der neue Western?” einige Trollkommentare eingefangen, die mit meiner Beobachtung, dass SF zu einem erstarrten Genre degeneriert sei, nicht steil gingen, [4] Aber Matrix hatte ich in diesem Zusammenhang mit dem legendären Spaghetti-Western und als “Pferdeoper” verhöhnten Spiel mir das Lied vom Tod (Über grundsätzlich spoilernde deutsche Filmeintitelungen gibt es zwischenzeitlich bestimmt einige Filmseminare, oder?)

Ich will Schirrmachers Thesen hier gar nicht weiter bewerten, außer, dass ich die Schlussforderung nach der europäischen Suchmaschine nicht so richtig verstehe. Das erledigen im übrigen UBERMORGEN.COM mit ihrem Google-will-eat-itself-Projekt doch schon auf der Zeitachse. [5]

UPDATE: Auf einen Beitarg von +Christoph Kappes hat sich eine bemerkenswerte Thread guten Beiträgen aufgerollt, an dem sich erfreulicherweise +Frank Schirrmacher rege beteiligt hat. [6]

Es gibt einige wichtige Passagen in Frank Schirrmachers ausschlaggebenden Text, die ich für bemerkenswert halte:

“‘Es sieht so aus’, so Schmidt, ‘dass Sie im Jahre 2029 in einem einzigen Harddrive elf Petabytes (eine sehr große Zahl) digitalen Speicher für weniger als 100 Dollar kaufen können. Dieses Gerät wird nach meinen Berechnungen sechshundert Jahre lang jeden einzelnen Tag 24 Stunden lang in DVD-Video Qualität speichern können.’“

“Ein ganz leises Vorbeben hat heute begonnen, und man muss Schmidt sehr ernst nehmen, wenn er sagt, dass das Internet-Zeitalter gerade erst begonnen hat.”

“Es ist üblich, dass solche Debatten von den Auskennern sofort relativiert werden. Und man uns gönnerhaft wissen lässt, der technologische Fortschritt lasse sich von solchen Bedenken nicht aufhalten.”

Hier macht er sich ein wenig klein, aber es ist natürlich auch eine Einladung an die traditionelle FAZ-Zielgruppe, die nicht in der Netzkultur zu Hause ist, aber über die konstante und durch die CCC-Granden und damit “TÜV-geprüften” Leitartikel Frank Riegers langsam eine Ahnung davon erhält, dass dieses Internet keine vorübergehende Modeerscheinung ist.

“Google übernimmt nicht nur das Speichern faktischer Wissensinhalte; Google – und das hat es bei noch keiner Externalisierung gegeben – übernimmt auch die Berechnung, Organisation und Deutung der Assoziationen, die wir beim Gebrauch dieses Wissens haben – wahrscheinlich ist das sogar der eigentliche, in der Tat faszinierende Hauptzweck […].”

Trotzdem ich bleibe Zukunftsoptimist und damit relativierender Netzapologet. Erst wenn ein so mächtig aufalgorithmisiertes Google in preemptiver Echtzeit-Prophetie den 4chan & Co.-Internetmeme in seinen Google-Doodles vorgreifen würde, würde ich in Schirrmachers Kassandrarufe einstimmen.

[1] Siehe hierzu PHUTURAMA: “Einstürzende Überbauten” – Anmerkungen zu Frank Schirrmachers Die Revolution der Zeit
[2] FAZ.NET: Digitales Gedächtnis. Wir brauchen eine europäische Suchmaschine von Frank Schirrmacher
[3] Science: Searching for the Google Effect on People’s Memory
[4] golem.de: Das Ende der Science-Fiction – auf der re:publica
[5] UBERMORGEN.COM: Google will eat itself
[6] “Thread zum Ausdrucken” (mspro): Beitrag von +Chrisoph Kappes und Diskussion auf g+ über “Digitales Gedächtnis”

Captain Kirk’s “Farewell to the Shuttle”

Ron Cobbs Abgesang auf das Space Shuttle-Programm: Challenger aus NASA & The Exploration of Space

Ron Cobbs Abgesang auf das Space Shuttle-Programm: Challenger aus NASA & The Exploration of Space

Es ist ja gerade mal etwas stiller geworden um die letzte Space Shuttle-Mission #STS135 der Atlantis. Deshalb zur Erinnerung zwei schöne Fundstücke, die zum Teil schon durch die Netze gejagt wurden, aber immerhin noch nicht von mir.

Die Shuttle-Dokumentation [1] mit William Shatner mag vielleicht bei The Big Bang Theory’s Sheldon Cooper und anderen Original Language-sozialisierten Trekkies zu Verzückungen führen, für mich ist Shatners Originalstimme nicht so tiefen-limbisch verdrahtet. Dennoch halte ich diese Doku in ihrer sehr amerikanischen Machart für sehenswert – allein schon wegen der fehlenden Werbeunterbrechungen. Und für ein Propaganda-Video wartet sie sogar mit einigen kritischen Untertönen auf.

“The 80 minute documentary takes you through the history of the Space Shuttle program, which first got underway during the Nixon administration. The film spends ample time looking at the design challenges NASA engineers faced in trying to create a reusable shuttle, while also showing early prototypes. Once the design phase was complete, construction began on the first orbiter in June, 1974 and wrapped up two years later. NASA called its first craft Space Shuttle Enterprise, paying homage to the fictional Starship Enterprise. Next, it was time to boldly go where no one had gone before.”

[1] Open Culture: William Shatner narrates Space Shuttle Documentary

Auf der immer wieder überraschenden Conceptships-Seite [2] für Amateur-Raumschiff-Designer habe ich die oben abgebildete wunderbar melancholische Pastellbuntstift-Challenger [3] von Ron Cobb [4] gesehen, die mich zurückbeamt ins Jahr 1976, als ich erste Fotos von den damaligen Flugversuchen der Fähre auf der 747 in der Flug Revue gesehen hatte. Für mich war immer klar, dass dies der erste richtige Schritt ins Weltraumzeitalter war – mit echten, wiederverwertbaren und “nachhaltigen” Raumschiffen! Jetzt kehren wir wieder zurück in die pionierhafte Ära der Wegwerf-Raketen.

[2] Concept Ships – Die Pr0n-Site für Amateur-Raumschiffdesigner
[3] Amazon-Link zum Bildband NASA & the Exploration of Space
[4] Ron Cobbs Website. Production Designer z. B. für Alien und Indiana Jones]

Die schönste Risszeichnung aller Zeiten? Joachim Luetkes Saturnraumschiff der Choolks

Seit 1965 werden die PERRY RHODAN-Heftromane durch die “Risszeichnungen” bereichert. Mitte der 1970er Jahre etablierte sich eine New Wave von jungen Zeichnern, die als Fans von den großen Vorbildern Rudolf Zengerle, Bernhard Stoessel und Ingolf Thaler angezeckt worden waren. Unter diesen Newcomern ist Joachim Luetke bis heute ein Enigma geblieben, da es nur die oben abgebildete Arbeit des Saturnraumschiffs der Choolks [1] zu geben schien. Eine RZ, die als “Jahrhundertwerk” Maßstäbe in Sachen Faszination, Fremdartigkeit und zeichnerischer Perfektion gesetzt hat.

Für mich als Einsteiger ins “Perryversum” waren die im jugendlichen Comic-Ableger PERRY – Unser Mann im All [2] zweitveröffentlichten RZs auf hellcyan-farbenen Fond so prägend, dass es auch das Stylesheet dieses Blogs mit prägt. Die ersten Risszeichnungen des Pioniers Rudolf Zengerle waren noch sehr erkennbar kopierte Strichumsetzungen der stilprägenden “Space Race”-Reihe des US-Magazins Colliers [3], die später drei offenkundig professionell ausgebildeten Illustratoren der ersten Dekade emanzipierten sich aber schnell von solchen Vorbildern und prägten die für viele PR-Fans so wichtige visuelle Dimension der “Technosphäre” des Serienkosmos. Ein konzeptionelles Manko vieler der damaligen Risszeichnungen war allerdings, dass die drei Zeichner ihrem jeweiligen individuellen Technikdarstellungsstil verhaftet waren, den sie dem jeweiligen RZ-Sujets aufprägten. Die in der PR-Serie geschilderte Technik des Hilfsvolks der Superintelligenz KAISERIN VON THERM – den Choolks [4] – war allerdings so fremdartig und fortgeschritten, dass die von Joachim Luetke gewählte “metaphorische” Bildsprache in der Technikdarstellung wie auch im teils hyperdetaillierten Zeichenstil eine ganz neue Dimension der PERRY RHODAN-Risszeichnung darstellte.

Seine fremdartigen “Bildmetaphern” für die Choolk-Technologie sind beim näheren Hinsehen allerdings gar nicht so außerirdisch: die Triebwerksprojektoren entstammen dem Biologiebuch, Kapitel “Facettenauge”, Teile des Aggregategewusels sind technischen Handbüchern des Kfz-Gewerbes entnommen, man erkennt einen Ventiltrieb. Die Gesamtkomposition ist durch den steten Wechsel von großzügigen Weißflächen und kleinteiligen Aggregaten durchdrungen. Die realistische Fluchtpunktperspektive der Kugelzelle ist etwas verschoben, aber bedeutete im Vergleich zu den von Berhard Stoesssel weitgehend durchgesetzten iso- bzw. dimetrischen Projektionen einen Gewinn an Lebendigkeit und Anziehungskraft. Der Gipfel der Frechheit: Das Raumschiff heißt ja gerade “Saturnraumschiff” – vom Namen gebenden Ring (einer Antriebsprojektionsfelderscheinung) ist in der eigentlichen RZ (die kleine Beizeichnung aus PR 1. Auflage, Band 827, 1975 [5] ist hier nicht abgebildet) aber nichts zu sehen. Vielleicht war die Risszeichnung ja sogar vor der Exposé-Beschreibung in Arbeit gewesen und wurde erst später dem halbwegs passenden Sujet zugeordnet?

Es bliebe ein Rätsel, wenn ich nicht im Zuge der Vorbereitungen zur “Space Design”-Veranstaltung beim PR-WeltCon 2011 [5] ein wenig nach Joachim Luetke gesucht hätte und wesentlich schneller als erhofft auch fündig geworden wäre. Joachim Luetke ist der Phantastik als Gestalter treu geblieben und hat sich über die Jahrzehnte als ein renommierter Cover-, CD-, DVD-Artist im morbiden Dark Metal-Genre einen Namen gemacht. [6] Als ich seine Bilder, teils in der Tradition H. R. Gigers stehend, sah, war mir sofort klar, dass er der Schöpfer des Saturnraumschiffs der Choolks sein müsste.

Ich habe Kontakt mit Joachim Luetke aufgenommen und hoffe in der nächsten Zeit Antworten auf einige brennende Fragen um diese Arbeit, aber auch um weitere Vorgänger- und Nachfolgewerke zu erhalten.

[1] RZJ: Von Freihand zur Folie, Folge 11 – RZ-Historie von Günter Puschmann, mir und später von Georg Joergens redigiert und fortgesetzt
[2] Perrypedia: PERRY – Unser Mann im All
[3] Der italienische SF-Experte Fabio Feminò über die Colliers-Specials, mit den ursprüngliche Vorbildern der PERRY RHODAN-Risszeichnungen
[4] Perrypedia: Choolks
[5] Materiequelle: Scan der Heftmitten-RZ
[6] YouTube: Joachim Luetkes Kanal Dark Asylum-TV mit weitergehenden Links zu seinen Arbeiten

“Sag zum Abschied leise Failure.” NASA Abandoned Projects by New Scientist

Lockheed-Martins X-33: In Schönheit sterben. Illustration: NASA-MSFC

Jetzt, wo alle Welt langsam aber sicher Abschied vom Space Shuttle nimmt (offizieller Fach-Hashtag: @STS135 – STS steht in NASA-Speak für Space Transportation System; 135. Mission), und wir merken, dass da doch etwas liebgewonnen Techno-Ikonenhaftes seinen Abschied nimmt, tritt der New Scientist in seiner hier [1] verlinkten Galerie der schon am Boden liegenden Space Agency noch mal U-Bahn-Schläger-mäßig gegens Haupt.

“Failure to launch: abandoned NASA projects (21 August 2009)
Facing budget and technical concerns, the agency may abandon the development of its Ares rockets – amateur space historian Henry Spencer looks back at other big NASA projects that never got off the ground.”

Dieser Aufstellung nach hat die NASA in den letzten 36 Jahren aber weniger Rohrkrepierer produziert als Google in 3 Jahren. Das oben gezeigte Fehlprojekt fand ich am Schönsten – nicht nur wegen des Titels. Es zitiert das gewohnte schwarzweiße Design des Shuttles. Und was schreibt Henry Spencer dazu? [2]

X-33; 1996 – 2001; $912 million (NASA share). The X-33 was a NASA-Lockheed Martin suborbital technology demonstrator for a reusable rocket that would reach orbit without using multiple stages or dropping fuel tanks. It was intended to be followed by a commercial “single-stage-to-orbit” (SSTO) vehicle, VentureStar.

But the X-33 was cancelled due to slipping schedules and performance, rising costs that Lockheed Martin was unwilling to absorb, and a major failure during a test of its composite-material tanks.”

[1] New Scientist: Failure to launch: abandoned NASA projects (21. August 2009)
[2] ebenda: “Image 7 of 9”

Überquadratisch. Praktisch. Gut? Ducatis radikale Superbike-Revolution

Die Revolutionäre aus Borgo Panigale fordern ein radikal "vereinfachtes Motorrad." Quelle: Stefan Kraft/MOTORRAD

Unter dem Stichwort “Ducati Superquadrata” nimmt die nächste Superbike-Generation von Ducati – ein im Vergleich zu den “Großen Vier” japanischen Motorradherstellern geradezu winziger Manufakturbetrieb – radikale Formen an.[1] Ducatis Supersportler in den Hubraumvaraianten 850 ccm und 1200 ccm sind das Kernsegment der Marke, die ähnlich wie Porsche im Sportwagen-Automobilbereich in den letzten Jahren inzwischen sehr erfolgreich andere Motorradkonzepte in den Markt gebracht hat – die urbane Supermoto-Interpretation Hypermotard, die sehr sportlich-leichte Allzweck-Reiseenduro Multistrada 1200 und als jüngster Coup der superleichte, supersportliche Powercruiser Diavel.

Wenn auch Spiegel Online glaubt, die Naked-Bike-Reihe Monster sei Ducatis Pendant zum 911, dann ist das Unsinn. [2] In der schnelllebigeren Motorradindustrie mit ihren teils zweijährigen Produktzyklen kann die Rolle des supersportlichen, L-Twin-Pendants zu Porsches Sechszylinder-Boxer-911 nur ein Motorrad sein – die 916/748 (später 996 und 998) und ihre zwei bisherigen Nachfolge-Generationen 999/749 und 1098/848 (später 1198 beim großen Modell). Waren diese drei Modellgenerationen Ausdruck einer technisch eher evolutionären Entwicklung der Verfeinerung, Elektronifizierung und Qualitätssteigerung, so steht jetzt mit der “Superquadrata” eine wirkliche Revolution ins Haus – radikaler vielleicht als bei der Premiere der 916 im Jahre 1994. [3] Die ungeliebte, kurzlebige 999/749 [4] tat nach Außen avantgardistischer, als sie eigentlich war, und ist deshalb auch das Motorrad meiner Wahl – Stichwort: “futuristisches Design zum Befahren von Marskanälen” (MO – Das Motorradmagazin). [5]

Zuerst einmal zum “Überquadratischen”

Motorenbauer bezeichnen damit Brennräume, deren Bohrung wesentlich größer ist als der Hubweg, den die darin befindlichen Kolben zu durchlaufen haben. Weniger Weg, weniger Belastungen für alle mechanisch beanspruchten Teile bei gleichzeitig höheren Drehzahlen und freiere Gaswechsel (= Leistung) am Ende des Drehzahlbands durch die größeren möglichen Ventildurchmesser. Nun sind alle Supersportmotoren sowieso schon überquadratisch ausgelegt, die Betonung auf “Superquadrata” legt nah, dass hier ein besonders rennsport-radikales Konzept in eine straßenzugelassene Maschine eingebracht wird.

Das alleine wäre keine besondere Innovation – und es wäre erst recht keine gute Idee! Schon die jetzige, besonders auf den Rennstreckenbetrieb ausgelegte Ducati 1189 SP ergibt im normalen Verkehr keinen großen Sinn. Nur ein mit einer dynamischen, Drehmoment und Laufkultur verändernden Technik versehener und damit auch im Alltagsverkehr fahrbarer “Superquadrata”-Motor hielte ich für einen echten Fortschritt. Ob dies die Extremisten bei  Ducati Corse auch so sehen?

Richtig radikal wird es jedoch erst mit dem “Rahmenbau” des vermutlich im November 2011 auf der EICMA Mailand Premiere feiernden Superbikes. Denn es gibt ihn nicht mehr! Die oben abgebildete Patentzeichnung von Ducati zeigt es: Abgeleitet vom Design ihres 2009-MotoGP-Protoypen Desmosedici, wird der Motor selbst zum Rückgrat des gesamten Fahrzeugs. Vorn  ist wahlweise ein Carbon- oder Aluminumbauteil angeflanscht, das zugleich als Airbox und als Aufnahme für den Steuerkopf fungiert, hinten lagert die Schwinge direkt im Motorgehäuse. Das kleine, leichte Rahmenheck aus Carbon für den Fahrerersitz wird da nur noch dran gehaucht. Wenn nicht die Antriebskette wäre, die evolutionäre Verwandschaft zum klassischen Fahrrad, wie es bei den bisherigen Ducatis mit ihren markanten Stahlrohrfachrahmengeflecht so augenfällig ist, wäre kaum mehr wahrnehmbar. Ich fand diesen Anachronismus immer toll!

Erste Erlkönigschüsse von Erprobungsfahrzeugen zeigen jedoch, dass die bisherigen Ducati-Markenzeichenen – die Trellis – beim kommenden Superbike tatsächlich nicht mehr existieren. Wohl unter dem Schock des so rundherum abgelehnten 999/749-Designs scheint aber die Silhouette und die Frontverkleidung den gewohnten Mustern der 916 und 1198 zu folgen. Mit der Ausnahme, dass die Aufsehen erregenden, aber fahrdynamisch ungünstigen doppelten Underseat-Auspufftöpfe nach neuesten Erkenntnissen der Massenkonzentration unten an den Verkleidungskiel verlegt werden.

OK, aber warum die Aufregung? Weshalb “Concorde Moment” im PHUTARAMA-Sinne?

Das “Superquadrata”-Konzept kommt direkt aus der Königsklasse des Motorradrennsports – der MotoGP, einer extrem teuren und aufwendigen Prototypen-Weltmeisterschaft, die als das Zweirad-Pendant zur Formel 1 gilt. Die oben beschriebene radikale Rahmenbauweise, mit dem Triebwerk als tragendem Element, ist auch dort revolutionär und avantgardistisch. Es jetzt zum Straßeneinsatz für eine nicht ganz billige, aber dennoch in Stückzahlen relevante Volumenbaureihe in Serie zu bringen – und nicht als superteure, superlimitierte Rennsport-Replica-Sonderserie wie zuletzt bei der noch klassisch Trelli-berahmten Desmosedici RR [6] – läßt dieses Motorrad im gesamten Vergleichsumfeld wie vom anderen Stern erscheinen.

Sogar ein ähnlich radikales Straßensportwagenkonzept fällt mir dazu im Vergleich nicht ein. Alle radikalen Über-Sportwagen wie Ferrari Enzo Ferrari, Maserati MC-12 oder Porsche Carrera GT, die State-of-the-Art-Rennsporttechnologien auf die Straße brachten, waren limitierte, superteure Sammlerstücke – aber keine Volumenmodelle. Vielleicht träfe es, wenn man sich vorstellte, Lamborghinis letztjährige Studie zum Pariser Automobilsalon Sesto Elemento [7] würde eins zu eins zum Nachfolger des Gallardo auserkoren sein. Was er nicht ist.

Dann sitzt in der MotoGP im Moment auch noch der gefühlt zehnfache italienische Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi auf der für die “Superquadrata” konzeptprägenden Moto-GP-Rennmaschine. Die Ableitung zum straßenzugelassenen Superbike bedarf da keiner Marketing-Verrenkungen. Wenn der zwecks Fahrwerksoptimierung leicht aus der Horizontalen zurückgelehnte L-Twin-Motor in “superquadratischen” Hochdrehzahlauslegung von bis zu 14.000 Touren und knappen 200 PS auch noch alltagstaugliche “Schleichfahrt”-Mappings zum Brötchenholen anerzogen bekäme, neben der schon etablierten Ducati Safety Control auch ein sowohl im Alltag wie auf der letzten Rennsportrille funktionierendes ABS bekäme und das Ganze fahrbereit keine 180 Kilogramm wiegen sollte, dann könnte sich Ducati selbst die übliche pornöse Notsitzoption für die Sozia sparen – und hätte trotzdem die Supersportler-Referenzklasse im Sack.

Nur die in diesem Segment sehr erfolgreiche Debütantin BMW S 1000 RR [8] würde dann vermutlich wegen einiger typisch deutschen Ergonomie-Erbenszählereien doch noch einige Zähler Vorsprung im “1000-Punkte-Test” einer führenden deutschen Motorradzeitschrift [1] ins Ziel retten. In der diesjährigen produktionsnahen Superbike-WM, für die die “Ducati Superquadrata” das zum Einsatz ausschlaggebende Homologationsmodell sein wird, zieht das Vorgängermodell 1198 SP mit Carlos Checa als “Privatfahrer” trotzdem an allen Konkurrenten – auch BMW – vorbei. Aber die Revolution wird kommen!

[1] MOTORRAD: “Die Überquadratur des Kreises” vom 22.12.2010
[2] SPIEGEL Online: “Fahrbericht Ducati Monster 1100 EVO
[3] WP: Ducati 916
[4] WP: Ducati 749
[5] MO-web.de
[6] WP: Ducati Desmosedici RR
[7] FTD.de: “Lamborghini Sesto Elemento – Leichtgewucht”
[8] BMW Offzielle Website zur S 1000 RR

Der schmale Grat zwischen Kitsch und Kunst – Terrence Malicks The Tree of Life

"Fiat Lux"– Jessica Chastain in Terrence Malicks The Tree of Life; courtesy Fox Searchlight

Terrence Malicks The Tree of Life gilt als cineastischer Höhepunkt, den man sich nicht entgehen lassen darf. [1] Ist der Film den Hype wert? Bin ich jetzt ein anderer, besserer Mensch – oder bilde ich es mir zumindest ein? Filmfreundin @waxmuth war jedenfalls wie schon eine ganze Reihe Kritiker in Cannes (trotz späterer Goldener Palme) gar nicht angetan und schrieb die wunderbar lakonische Twitik: “The Tree of Life fällt in die Kategorie: Prätentiöses Geschwurbel.” [2]

Ich versprach ihr zur Ehrenrettung des Films einige seiner guten Seiten herauszustellen – mit den für PHUTURAMA spezifischen Anmerkungen.

The Tree of Life ist eine Elegie. Eine filmische Visualisation der Kindheitserinnerungen eines Architekten (Sean Penn), der anlässlich des Todestags seines jüngeren Bruders in Flashbacks seiner Jugendzeit zurückversetzt wird und die persönliche Familientragödie in den universellen Rahmen des Theodizeeproblems [3] stellt. Filmisch und dramaturgisch wird dies in mehreren bildmächtigen kosmologischen Sequenzen eingebunden, wie sie in dieser Art nur von Stanley Kubricks 2001 – A Space Odyssey (“Jupiter – And Beyond”) [4] vertraut sind.

Aus der subjektiven Perspektive des Protagonisten heraus erzählt  The Tree of Life einige Schlüsselmomente der Jugend, deren visuelle Kraft und Schönheit gerade aus der Stilisierung und Idealisierung der Erinnerung gezogen wird: Die feenhafte Erscheinung und Sanftmut der Mutter (Jessica Chastain), die Verliererhärte des scheiternden Vaters (Brad Pitt), die stereotyp-suburbane Heile-Welt-Idyll der Fünfziger Jahre, das nur in wenigen unangenehmen Momenten die damaligen sozialen Härten aufklingen läßt (Verhaftungsszene auf der Main Street, Sonntagsausflug in die ärmliche Black Neighbourhood von Waco, Texas).

In der Rückerinnerung fühlt der Protagonist Schuld – der Karrierearchitekt, der sich den Härten des Lebens in der ständigen Auseinandersetzung mit dem Vater gestellt hat und in seinem Erfolgsleben diesem gegenüber nun triumphieren könnte. Er fühlt sich schuldig, gegenüber dem jüngeren, sensibleren Bruder der Erfolgreichere im Überlebenskampf gewesen zu sein, wie es in den naturgeschichtlichen Evolutionssequenzen als das rein darwinistische “väterliche” Prinzip des “Lebens” gespiegelt ist.

Hoffnung auf den Weg religiös-spiritueller “Gnade”, wie er in der Muttergestalt verkörpert wird, spendet sich Malick, wenn in der entrückten Schlusssequenz am Salzsee alle Lebenden und Toten sich wieder begegnen.

Pathos und stereotype Religiosität visualisiert Malick in den Bildern teilweise eins zu eins; den schmalen Grat zum abgrundtiefen Kitsch überschreitet er des öfteren. Die grandiosen Bildmotive und die unglaublich gut montierten Bewegungen der Kamera in den rauschhaften Familiensequenzen entschädigen dafür. Sie entsprechen dem Fluss unserer prägenden Kindheitserinnerungen die Memory Lane hinab.

Wer Terrence Malick diese Bildstereotypen vorwirft, sollte Quentin Tarantino gleichfalls des klischeebeladenen B-Movie-Epigonentums anklagen. In seiner Spiritualität erscheint The Tree of Life aus der Zeit gefallen. Wer sich diesen letzten Fragen nach dem Warum? entzieht, der leistet allerdings aktive Verdrängungsarbeit – wie wahrscheinlich der Protagonist, der eine lebensfeindliche, Hochglanz-Spiegelglasfassadenwelt bewohnt, in der Menschen mit Pappbechern in der Hand sich ständig anrempeln. Gibt es zwischen all diesen reflexhaft abwehrenden Spiegeln noch authentische Bilder?

In der Retrospektive des Fünfziger-Jahre-Americana-Idylls gibt es sie jedenfalls. Malicks Ikonographie ist damit auch eine allgemeine Kritik an der lebensfeindlichen amerikanischen Spätmoderne, die das menschliche Maß, jeden Stil und jede Proportion verloren hat. Die Reflexion über das Verlorene der Kindheit ist eine Kritik an der verlorenen, aber natürlich eingebildeten und fortschrittsgläubigen Unschuld Amerikas.

Terrence Malick arbeitet nach dem Erfolg von The Tree of Life an einer sechseinhalbstündigen Redux-Version [5]; vielleicht ist die notwendig, um diesen Film wirklich zu verstehen. [6]

Für alle noch Unentschlossenen, dieser Film ist wirklich fürs Kino gemacht, und vielleicht kann dieser Trailer selbst am Monitor für den Rausch der Bilder  einnehmen.

[1] Dorothea Holloway über The Tree of Life in KINO – German Film
[2] https://twitter.com/#!/waxmuth/status/82906477119021056
[3] WP: Theodizee
[4] WP: 2001 – A Space Odyssey]
[5] Fünf Filmfreunde: The Tree of Life: — Terrence Malick arbeitet an einer Sechs-Stunden Fassung
[6] WP: The Tree of Life (Film) – Lustig naive Plotbeschreibung für alle, denen meine Interpretation nicht genügt

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