“Die ganze Zukunft liegt von nun an in der Vergangenheit.” CTM.12 – SPECTRAL

"It is also about the disappearance of our own memories and data, things that we wanted to keep forever but which will, because of technological progress, the aging of a technique, or the self-destruction of a supporting system, soon no longer exist." The Ghost Off The Shelf, Exhibition CTM.12 – SPECTRAL

Heute vormittag fand die gemeinsame Pressekonferenz der seltsam verschwisterten Festivals transmediale 2k+12 in/compatible – festival for digital art and culture berlin [1] und CTM.12 SPECTRAL – Festival for Adventurous Music and Related Arts[2] im Haus der Kulturen der Welt statt. Da der CTM schon heute abend, Montag, den 30. Januar 2012 offiziell mit einer Aufführung eines Werks der französischen Elektro-Avantgarde-Komponistin Eliane Radigue [3] im Berliner Hebbel am Ufer 1 (HAU 1) beginnt, versuche ich hier schon einige Eindrücke vom geplanten Programm und von der schon seit Freitag im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien zusammenzufassen.

Jan Rohlfs, neben Oliver Baurhenn und Remco Schuurbiers die verantwortlichen Köpfe des aus einem begleitenden “Club Transmediale” hervorgegangenen Festivals für Wagnismusik und damit verwandte künstlerische Positionen, formulierte in der Pressekonferenz ein sehr umfassendes kuratorisches Statement [4], das im Wesentlichen um das wachsende Unbehagen am “Kontrollverlust” (diesen Begriff hat er nicht gebraucht) der in den exponentiell wachsenden digitalisierten “Anarchiven” verborgenen Nicht-Wissens (im Sinne eines Rumfeldschen “unknown Unkonwns”) drehte:

“Er gewinnt Form in Gestalt von Heimweh, Transzendenzsehnsucht oder Retromanie und gerät umso stärker, je eindringlicher die technologische Enteignung und Delokalisierung erfahren wird.” [5]

Die von Thibaut de Ruyter kuratierte Ausstellung “The Ghost Off the Shelf” wie das Gesamtfestival widmen sich also der spürbaren Faszination und Beschäftigung mit (vorgeblich?) nicht hintergehbarer, materieller Restanzen der Produktions-, Aufführungs- und Speicherungprozesse, die in der vordigitalen Ära dem jeweiligen Medium auf den Leib geschrieben waren und als nun als “Phantomeffekte” (wie in Phantomschmerz) eine tiefenhermeneutisch zu erschließende Bedeutungsebene versprechen, der die CTM-Projekte sogar bis in die Halbleiter-Molekülketten der Medienapparate nachzusteigen bemüht sind (“The Crystal World Open Laboratory”):

“Das ist kein absichtsvolles künstlerisches Programm. Vielmehr ist es feinnerviges, arbeitsames, mal dunkles, mal fröhliches Experimentieren mit Unheimlichem, Verstaubtem und Trash, der Rückgriff auf Vergangenes und Verworfenes bis hin zur Archaik, die Lust am Verformen, Verhallen, Verrauschen und Verflüssigen, Aufbrechen, Verkleben und Verspleißen; geradezu die letzten Mittel, die eingesetzt werden, wo ein Masterplan zwangsläufig fehlen muss.” [5]
Nach dem Tod Conrad Schnitztlers [6] im letzten Jahr passt in diese Auseinandersetzung auch die Archäologie des West-Berliner Zodiac Free Arts Lab [7], einem Hackerspace avant la lettre für elektronische Musik in den 1960er Jahre, der für die spätere Krautrock-Bewegung bestimmend war, was mit der CTM-Spielstätte HAU 2 quasi am Originalort (heute sehr profan das WAU – Wirtshaus am Ufer) nachvollzogen werden kann.

[1] Offizielle Website der transmediale – festival for digital art and culture berlin
[2] Offizielle Website des CTM – Festival for Adventurous Music and Related Arts
[3] Wikipedia über Eliane Radigue
[4] art-in.tv: Video-Statement von CTM-Kurator Jan Rohlfs auf Google+
[5] Kuratorisches Manifest zu CTM.12 – SPECTRAL
[6] Wikipedia über den Elektronikpionier Conrad “Conny” Schnitzler
[7] Wikipedia über das von Conny Schnitzler mitgegründete Zodiak Free Arts Lab – quasi das CBGB OMFUG der Krautrock-Szene

“Tron meets Kal-Els Festung der Einsamkeit.” Random Seed c-base/transmediale-Vorspiel

Glazialvisuals in Minimal-Beat-Blöcken, "Random Seed" by stickman (im Dunkeln)

c-base die Raumstation unterhalb Berlins hat mit Hilfe des Künstlerkooperation Stickman [1], Entlet [2] und Fauxtone Collective [3] eine temporäre synästhetische Holodeck-Upgrade erfahren.

Als Teil des gemeinsamen “Vorspiels” der beiden Geschwisterfestivals transmediale 2k+12 in/compatible – festival for digital art and culture berlin [4] und des CTM.12 SPEKTRAL – Festival for Adventurous Music and Related Arts [5] sind die diesjährigen c-base Partneraktivitäten zur transmediale unter dem Motto “be future in/compatible” [6] mit den drei Auftritten des Improvisations-Theatergruppe Improbanden und der oben genannten 3D-Echtzeit-Bild- und Klanginstallation gestartet.

„Random Seed“ – an audiovisual beat sculpture: Live performance & audiovisual installation by Stickman feat. Fauxtone Collective Berlin-based multi-instrumentalist and producer Stickman teams up with the Fauxtone Collective to bring an immersive audiovisual experience to the stage, exploring synergies and interactions of tones and photons.

Von c-base Seite aus hat Thomas Goltz [7] als Teil der Künstlergruppe sein 3D-Knowhow in das gemeinsame Projekt geworfen, das in nur drei Monaten mit einer Menge performance-kritischen, weil Echtzeit benötigenden Coding-Aufwands realisiert worden ist. Ohne die großartige Unterstützung durch transmediale-Leiter Kristoffer Gansing und den Technikpartner des Festivals serve-u [8] wäre c-base nicht in der Lage gewesen, den beteiligten Künstlern diese Plattform für ihre Arbeit zu geben.

Einen guten Eindruck der Random Seed-Installation vermittelt schon einmal das unten folgende Video vom Freitag. An den zwei Folgetagen des Vorspiel-Wochenendes wurden weitere Photonen-Module der Installation freigeschaltet.

Als Kontrast zur hermetisch-minimalistischen Percussion-Clustern der “beat sculpture” steht das housige Live Set von Stickman und Entlet, das die Holodeck-Installation in einen Clubkontext transponiert. In dieser Zusammensetzung Sonntagabend, den 29. Januar 2012 das letzte Mal live an Bord der c-base zu erleben.

[1] Soundcloud: stickman
[2] Soundcloud: Entlet
[3 Fauxtone Collective – Berlin: “It’s finally here!”
[4[ Offizielle Website der transmediale – festival for digital art and culture berlin
[5] Offizielle Website des CTM – Festival for Adventurous Music and Related Arts
[6] c-base Microsite zum 2012 transmediale Partner Event “be future in/compatible”
[7] Show Reel von Thomas Goltz aka Golle]
[8] Website von serve-u – Technical Support

“Erstkontakt zu Dreikönige.” 1199 Panigale in Berlin

Es gibt auch weniger attraktive Blickwinkel auf 1199 Panigale. Quelle: Mein iPhone 3G S

Zwischen den Jahren erreichte mich eine E-Mail von Ducati Berlin [1] mit einer überraschenden Ankündigung:

“Das neu entwickelte Superbike fasziniert durch sein äußeres Erscheinungsbild und bietet zahlreichen neue bahnweisende technische Lösungen. Am 06. Januar 2012 ist die 1199 S bei DSB Berlin in der Ausstellung. In der Zeit von 12.00 – 20.00 Uhr kann das Motorrad begutachtet und testgesessen werden. Bei dem Ducati Superbike handelt es sich um ein Sonderfahrzeug, dass nur am 06. Januar 2012 zur Verfügung steht.”

Hm, einerseits war mir die Vorstellung zwischen vielen anderen Leuten um das rote Kalb zu tanzen, etwas unangenehm; andererseits ist meine Begeisterung und mein Interesse an Ducatis neuer Superbike-Generation schon hinreichend dokumentiert [2], so dass dann doch meine Neugierde gesiegt hat.

Ducati Berlins Showroom war dann am frühen Nachmittag des 6. Januar 2012 auch gut gefüllt. Nur, wo war der Star der Veranstaltung, die “Exorzistin”, die ich nun endlich in echt sehen wollte? Bei einer vergleichbaren Produkt-Premiere Ende 2007 war das sehr einfach gewesen. Das Perlmuttweiß-Metallic war die Signature-Farbe der damals frisch gelaunchten 848 und besaß im Showroom ein ausgeprägtes Alleinstellungsmerkmal. Die genannte 1199 S Panigale gibt es nur in Rossa Corsa, eine Farbe, die bei den bei Ducati Berlin stehenden Maschinen nicht gerade selten ist. So dass ich fast erschrocken über das winzige Motorrad gestolpert wäre, dessen unglaublich langen, insektenfühler-artigen Rückspiegelausleger mir dann signalisierten: Das ist sie!

Bei der weiteren Begutachtung hat mich dann mittelschwere Ernüchterung erfasst. Viele der großartigen Designdetails wie die Underslung-Schalldämpfer unterm Verkleidungskiel mutierten zur Bückware und sind unter normalen Umständen gar nicht wahrnehmbar. Überhaupt ist vieles so String-Tanga-kompakt geschnitten, dass unter einem massigeren Fahrer gar nicht so viel vom gerühmten Design sichtbar bleibt. Im Kontrast dazu wirkt das frontlastige Design fast schon kopffüßlerisch, was durch die im Vergleich zur Vorgängergeneration sehr weit aufgeblähten Air-Intake-Nüstern noch verstärkt wird. Die wesentlich steiler stehende Windschildkanzel mag effektiv sein, aber auch hier sieht Eleganz anders aus. Die extrem abstehenden, ‘funktionalen’ Spiegelausleger haben dann in der Konsequenz schon fast etwas karikaturhaftes.

In der Seitenansicht fehlt definitiv das für Ducati in den letzten zwei Jahrzehnten so prägende Fachwerk der Gitterrohrrahmen, das immer einen willkommenen und, wie sich jetzt herausstellt, auch notwendigen Kontrast zu den meist unifarbenen Verkleidungen dargestellt hat. Als beinahe einzige vollverkleidete Motorräder konnten Ducatis ohne jeden grafischen Schnickschnack (“Joghurtbecher”) auskommen. Wenn man sich die Bilder des Sondermodells 1199 S Panigale Tricolore [3] ansieht, dann scheint hier Ducatis traditionelles Gestaltungsmuster überfordert und an sein Ende gekommen zu sein. Ausnahme wie bei bei nahe allen Motorrädern wäre natürlich die Nichtfarbe Schwarz.

Ich bin gar nicht so traurig, dass die 1199 neben ihrer technischen Exzellenz für mich nicht auch noch unter ästhetischen Gesichtspunkten alle Vorgängermodelle in den Schatten stellt. Da verbleibt viel virtuelles Kapital für andere wunderbare Gelegenheiten. Und wer weiß, vielleicht ist das auch nur Anpassungsschock. Wenn ich mir das Prüfstandsvideo einer tarnkappen-mattschwarzen hier unten betrachte, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass ich in einigen Jahren vielleicht eine ‘kleine’ 799 Panigale Dark ganz anders zu schätzen wissen werde.

[1] Ducati Berlin, die ich allen Interessierten aus meinen Erfahrungen heraus sehr empfehlen kann (Oder ist es Stockholm-Syndrom?)
[2] PHUTURAMA: “Die Exorzistin.” Ducati 1199 Panigale
[3] Offizielle Ducati-Website: 1199 Panigale S Tricolore_Sondermodell

“robots & monsters” – Die Illustrationen von xbrg

"Vote Monster" – Illustration von xbrg, oder: Wie ich nach zehn Jahren asymmetrischer Bekanntschaft ihre "robots & monsters" kennenlernen sollte.

Im letzten PHUTURAMA-Post [1] habe ich die #Tassebier-Veranstaltung der Blogrebellen [2] auf der c-base [3] als semi-offizielle 28C3-After-Hour erwähnt. Dort hatte ich eine überraschende Begegnung auf Hochebenen-Niveau mit xbrg, was mir wieder einmal demonstriert, wie erstaunlich diese Raumstation doch ist.

Wie zu erwarten war, zog die #28c3 #Tassebier eine Menge Publikum in die c-base. Vorm Andrang an der Bar fliehend zog es mich hinter das VJ-Kontrollzentrum und die Stiege hinauf zur ehemaligen cultorg-Kontrolltower-Hochebene, deren Zutritt mir dort von einem crew-member-Pärchen tapfer durch freundlichen Small-Talk verweigert werden sollte. Das weibliche crew-member war mir sowohl vom Sehen als auch vom Namen her als “Anne aus Freiberg” seit bestimmt zehn Jahren bekannt, aber ich ihr offensichtlich überhaupt nicht.

“Heute ist Tag der offenen Station, also auch alle Bereiche hier oben,” sagte sie sinngemäß zu mir, dem als Eindringling in heilige crew-member-only-Bereiche Identifizierten. So habe ich mich also erstmal bei ihr vorgestellt und aus der Kontroll-Small-Talk wurde ein sehr interessantes Gespräch, in dessen Verlauf ich über xberg lernte, dass sie zwar Software-Entwicklerin (auf der c-base ein nicht unüblicher Leidensweg), aber dass sie auch selber zeichnete. Wahrscheinlich hatte ich bei der Selbstauskunft ihr gegenüber als Illustrator bezeichnet.

Da xbrg sagte, dass sie überwiegend Roboter zeichnete, wurde ich neugierig, schaute direkt vor Ort bei ihrem flickr-Account [4] nach und bin jetzt so angetan, dass ich es hier zeigen musste. Auch als Note to myself: “If we only knew what we know.”

[1] PHUTURAMA: “Schmuddelkinder aus dem Bällebad” 28C3 vs. Spack0
[2] Die Blogrebellen. Kreuzberg
[3] c-base Website: “be future compatible”
[4] flickr: xbrg’s wunderschönes Album “robots & monsters”

“Schmuddelkinder aus dem Bällebad.” 28C3 vs. Spack0

Kontrollverlust im virtuellen Bällebad 2D: Alles klebt im “The Obliteration Room” von Yayoi Kusama, Quelle: booooooom.com

Im Jahr 2000 habe ich im Rahmen einer Konferenzredaktion für die inzwischen vergessene Berlin Beta Versionen an einem Gesprächspanel [1] mitgewirkt, bei dem Wau Holland und Rainer Langhans aufeinander getroffen sind. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was sie zusammen mit den anderen drei Teilnehmern Ossi Urchs, Derrick de Kerkhove und dem Moderator Christian Ankowitsch genau gesagt haben, aber ein bei Telepolis archivierter Artikel von Stefan Krempl hat mich ein wenig aus meinem “Digital Delirium” [2] geholt. Und ich weiß auch nicht, ob Rainer Langhans und Wau Holland später noch einmal zusammengetroffen sind, aber bei der listig in die Nachbarschaft des 28. Chaos Communication Congress [3] gesetzten #Spack0, der Pilotzusammenkunft der datenschutzkritischen Spackeria [4] wäre eine gute Gelegenheit für eine Reprise gewesen. Wau Holland ist im darauffolgenden Jahr 2001 gestorben. Wie sehr er fehlt, wird jetzt im Abstand deutlicher als unmittelbar  danach im Post-9/11-Aftermath, als “im Club” auch atmosphärisch die Paranoia gegenüber Diskordia obsiegt hat: 23 > 42. [5]

Rainer Langhans hingegen schien ein geeigneter Apologet post-privatären Lebensstils für die #Spack0 zu sein. Eine Jahrzehnte umspannende Erfahrung von der öffentlichen Erregung als Mitglied der Kommune 1 bis zur Privatfernseh-Inszenierung als Bewohner des RTL-Dschungelcamps schienen einem Keynote-Spacken würdig. Doch als den Faschismus verherrlichende Zitate, u. a. dieses NDR-Interviews aus dem Jahre 1999 [6], ans Licht kamen, unterzog die darauf folgenden Reaktionen das spinnwebzarte Spacken-Netzwerk einem erheblichen Stresstest, so dass die lockere Orga-Gruppe Langhans leider wieder auslud. Zur Strafe flagellierte sich die Spackeria in einem eigenen Fail-Debatte [7] auch zum #LanghansGate. Wie eingangs erwähnt, haben wir damals im “digitalen Delirium” Rainer Langhans Faschismus-Flirt nicht gekannt – das Internet war halt noch nicht so agil wie heute.

Steve Jobs’ Tod im letzten Jahr hat die hippiesken Wurzeln der “kalifornischen Revolution” noch einmal in Erinnerung gerufen, die auch Rainer Langhans wie Wau Holland in ihrer speziell bundesrepublikanischen Tradition der weltweiten Alternativbewegungen verkörperten – der erste als Alt-68er, der jüngere Wau Holland als Protagonist der ernüchterten postradikalen 78er-Generation nach dem “deutschen Herbst”. Geradezu post-ideologisch visionär war Waus Verständnis vom Computer als einem möglichen individuellen Emanzipationsinstrument, während dieser im alternativen Mainstream zu Gründungszeiten des CCC im Jahre 1981 noch als Repressionsinstrument von Big Business, Big Government und Big Brother galt. Ich bin mir sicher, Wau Holland hätte auf der 0. Spackeriade eine Rede gehalten; es wäre eine Schlüsselrede geworden. Denn die Geschichte einer Ablehnung beginnt sich zu wiederholen. War das damalige Feindbild des linksalternativen Gefühligseligkeitshumanismus der Computer an sich, so ist es heute das sich langsam herausbildende und ins Nachmenschliche zu wachsen drohende Potential der universellen Vernetzung der Datenreisenden.

Behind Enemy Lines?

Auch wenn die Spacken sich auf dem 28C3 für ihre letzten vorbereitenden Gespräche der 0. Spackeriade im sticky “Bällebad” des Art & Beauty im bcc getroffen hatten, war das “Endorsement” bei den offiziellen CCC-Granden wie manchen Engeln an der Basis für die im .HBC [8] benachbarten Komplementärveranstaltung der Spacken sehr zurückhaltend bis ‘bekreuzigend’. Während die bisherigen Off-Congress-Veranstaltungen z. B. der abgewiesenen Vorträge mit wohlwollenden Desinteresse begleitend wurden, war die Abgrenzung heuer schon deutlich: Spackeriade? “There were no results matching the query,” wirft die Suche auf dem 28C3-Wiki aus.

Wenn das so weiter geht – und die Fassungslosigkeit und bisweilen schon persönlich unangenehm werdende Entfremdung zwischen diesen Lagern macht es nicht gänzlich unwahrscheinlich –, wird in Zukunft einem Unvereinbarkeitbeschluss zwischen Congressteilnahme und Spackeriade führen; offiziell von CCC-Seiten natürlich mit der Begründung eines sowieso schon überbuchten Congresses. Es droht das reziprok-paradoxe Ergebnis, dass sich die Post-Privacy-Spacken klandestiner und konspirativer Methoden bedienen werden müssen, um sich den Congressbesuch erschleichen zu können, während gleichermaßen die CCC Veranstaltungs GmbH biometrische Zugangsschranken mit der Auswertung der stationär vor dem .HBC kreisenden Qudrocoptern füttert, um deren feindselige Infiltration zu unterbinden. So bekommt das 28C3-Motto des sich “Hinter-feindlichen-Linien-Tunmmelns wenigstens praktische Relevanz, ohne dass sich eines der Lager überhaupt dahin bewegen müsste. Soweit jedenfalls die “Spökenkiekerei” [9] von @mspro, @erlehmann und mir anlässlich der nachcongresslichen #Tassebier auf der c-base.

Quo vadis?

Es ist interessant, wie eine aus dem Off kommende Untergrundbewegung wie der Chaos Computer Club mit zunehmend gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz und Etabliertheit Flanken gegenüber neuen Fragenstellungen aufreisst, deren Legitimität nicht einmal als intellektuell inspirierend verstanden wird. Der CCC regiert auf die Post-Privacy-Idee hilflos wie Greenpeace auf Klimawandel-Euphoriker: “No fine wines from Norwegian woods, please.” Die Antwort ist pater- bzw. maternalistich (die Zuschreibung auf “Spacken” geht auf schließlich auf eine der von der masochistisch veranlagten politischen Klasse neuerdings geschätzten “rotzfrechen” Bemerkung Constanze Kurz’ zurück) und gerät ins Stockkonservative: “Spielt nicht mit den Schmuddelkindern!” Wenn die Spacken im schlimmsten Falle als Vorbereitungsnazis gelten mögen, die der kommenden Überwachungsgesellschaft den totalitaristischen Stachel rechtzeitig ziehen möchten, so ist dies die angemessene Reaktion auf die jetzt schon gelebte Wirklichkeit. Dass darüberhinaus manche Diskussionen innerhalb der Spackeria durch utopieverdächtige Totaltransparenzvorstellungen geprägt zu sein scheinen, denen nach durch einen wirksamen Datenschutz Dritter sogar das Ausleben der eigenen “Datalove” unzulässig beschnitten wird, ist zumindest eine neue radikale Freiheitperspektive, die sich einmal nicht auf die sonst üblichen bloß noch fatalistisch links-defensiven Einhegungsaktivitäten beschränkt.

Damit einhergehend gab es gegenüber manchen gar nicht so neuen Gepflogenheiten auf dem Chaos Communication Congress dieses Jahr eine deutlich wahrnehmbare Kritik seitens der feministischen ‘Diskurspolizei’ – Stichwort: #Genderifizierung. Und das ist gut so. Das alles kommt mir beinahe wie ein historisches Re-enactment der SDS-Frauenbewegung vor, die die damaligen männlichen Vorstinker auf den Vortragspodien ebenfalls sehr überraschte. Die neue und meines Erachtens übersensibilisierte Political Correctness (“Balls of Steel-Award”) resultiert übrigens aus den Diskussionen, die die dem Chaosumfeld nahe stehenden Piraten schon erleben durften. Im knallharten politischen Parteienwettkampf wurde der noch um Welpenschutz bemühten jungen Partei schon in die meist männlichen Weichteile getreten. Oder den “höhnischen Unterton” [10] einer Congress-Traditionsveranstaltung emulierend: Dass diese Diskussion den CCC nicht unberührt lassen würde, ist vielleicht der Security Nightmare, über den wir nächsten Jahr am lautesten gelacht haben werden.

[1] Berlin Beta 3.0 Conference: RE:LOAD | Digital Delirium
[2] Telepolis: “Alles ist eins – außer der Null” von Stefan Krempl
[3] 28C3: Behind Enemy Lines-Veranstaltungs-Wiki
[4] Programm und Videos der 0. Spackeriade
[5]Paronoia & 9/11-Aftermath im Design des 18C3
[6] ARD-Magazin PANORAMA: “Von Mao zu Hitler: Studentenführer von 68 als Rechtsradikale” von Volker Steinhoff
[7] Video des #Spack0 abschließenden Meta-Panels “Spackeria FAILs Spezial”
[8] Website des .HBC – das ehemalige Haus Ungarn in Berlin-Mitte
[9] i heart digital life: zur nullten spackeriade. Lesenwert mit etymologischen Erkenntnissen zum Begriff “Spacke”
[10] mspro’s Blog Hier: Hacker, Geniekult und Kontrollverlust

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