“Google will eat itself.” Anmerkungen zu Frank Schirrmachers Digitales Gedächtnis. Wir brauchen eine europäische Suchmaschine

Teils in Überschneidung mit seinem sonntäglichen FAS-Artikel [1] zieht Frank Schirrmacher in seinem Artikel Digitales Gedächtnis. Wir brauchen eine europäische Suchmaschine [2] aus der einer bestimmten Lesart der Ergebnissen einer US-Forschungsstudie [3] zur Nutzung von Suchmaschinen weit reichende Konsequenzen. Er sieht darin eine mögliche neurologische “Zäsur” in menschlichen Kulturisationsgeschichte.

Ein schönes Zitat aus diesem Artikel ist mir aufgefallen, da ich vor allem den hier erwähnten Film als eine Art Zäsur in der Geschichte der Science Fiction als audiovisuell Leitmedium ansehe:

“Man kann die visionäre Größe des ersten ‘Matrix’-Films nicht genug loben: Wir alle werden buchstäblich hineingesogen ins Netz, selbst die, die nicht mit iPhones, sondern noch von öffentlichen Telefonzellen aus telefonieren.”

Auf der re:publica 2008 habe ich mir mit dem These “SF – Der neue Western?” einige Trollkommentare eingefangen, die mit meiner Beobachtung, dass SF zu einem erstarrten Genre degeneriert sei, nicht steil gingen, [4] Aber Matrix hatte ich in diesem Zusammenhang mit dem legendären Spaghetti-Western und als “Pferdeoper” verhöhnten Spiel mir das Lied vom Tod (Über grundsätzlich spoilernde deutsche Filmeintitelungen gibt es zwischenzeitlich bestimmt einige Filmseminare, oder?)

Ich will Schirrmachers Thesen hier gar nicht weiter bewerten, außer, dass ich die Schlussforderung nach der europäischen Suchmaschine nicht so richtig verstehe. Das erledigen im übrigen UBERMORGEN.COM mit ihrem Google-will-eat-itself-Projekt doch schon auf der Zeitachse. [5]

UPDATE: Auf einen Beitarg von +Christoph Kappes hat sich eine bemerkenswerte Thread guten Beiträgen aufgerollt, an dem sich erfreulicherweise +Frank Schirrmacher rege beteiligt hat. [6]

Es gibt einige wichtige Passagen in Frank Schirrmachers ausschlaggebenden Text, die ich für bemerkenswert halte:

“‘Es sieht so aus’, so Schmidt, ‘dass Sie im Jahre 2029 in einem einzigen Harddrive elf Petabytes (eine sehr große Zahl) digitalen Speicher für weniger als 100 Dollar kaufen können. Dieses Gerät wird nach meinen Berechnungen sechshundert Jahre lang jeden einzelnen Tag 24 Stunden lang in DVD-Video Qualität speichern können.’“

“Ein ganz leises Vorbeben hat heute begonnen, und man muss Schmidt sehr ernst nehmen, wenn er sagt, dass das Internet-Zeitalter gerade erst begonnen hat.”

“Es ist üblich, dass solche Debatten von den Auskennern sofort relativiert werden. Und man uns gönnerhaft wissen lässt, der technologische Fortschritt lasse sich von solchen Bedenken nicht aufhalten.”

Hier macht er sich ein wenig klein, aber es ist natürlich auch eine Einladung an die traditionelle FAZ-Zielgruppe, die nicht in der Netzkultur zu Hause ist, aber über die konstante und durch die CCC-Granden und damit “TÜV-geprüften” Leitartikel Frank Riegers langsam eine Ahnung davon erhält, dass dieses Internet keine vorübergehende Modeerscheinung ist.

“Google übernimmt nicht nur das Speichern faktischer Wissensinhalte; Google – und das hat es bei noch keiner Externalisierung gegeben – übernimmt auch die Berechnung, Organisation und Deutung der Assoziationen, die wir beim Gebrauch dieses Wissens haben – wahrscheinlich ist das sogar der eigentliche, in der Tat faszinierende Hauptzweck […].”

Trotzdem ich bleibe Zukunftsoptimist und damit relativierender Netzapologet. Erst wenn ein so mächtig aufalgorithmisiertes Google in preemptiver Echtzeit-Prophetie den 4chan & Co.-Internetmeme in seinen Google-Doodles vorgreifen würde, würde ich in Schirrmachers Kassandrarufe einstimmen.

[1] Siehe hierzu PHUTURAMA: “Einstürzende Überbauten” – Anmerkungen zu Frank Schirrmachers Die Revolution der Zeit
[2] FAZ.NET: Digitales Gedächtnis. Wir brauchen eine europäische Suchmaschine von Frank Schirrmacher
[3] Science: Searching for the Google Effect on People’s Memory
[4] golem.de: Das Ende der Science-Fiction – auf der re:publica
[5] UBERMORGEN.COM: Google will eat itself
[6] “Thread zum Ausdrucken” (mspro): Beitrag von +Chrisoph Kappes und Diskussion auf g+ über “Digitales Gedächtnis”

Leave a Reply

Powered by WordPress