“Ein Interview mit ES.” Zur Einstimmung auf Space Design – Die Risszeichner und ihr Bild vom Perryversum

Work in Progress als Blueprint. Die BATTLE-Version des 3D-Korvettenprojekt-Vollkonstruktion für den PERRY RHODAN-WeltCon2011 als klassische Risszeichnung getarnt. Mit freundlicher Unterstützung von Holger Logemann.

Zum eher unspektakulären 45-jährigen Bestehens der PERRY RHODAN-Serie hat der frühere Verlagsleiter Eckhard Schwettmann im Jahre 2006 ein dafür um so spektakuläreres Coffee-Table-Buch namens All-Mächtiger! Faszination Perry Rhodan – Hintergründe aus 45 Jahren Perry Rhodan. (Hannibal, Höfen (A) 2006, ISBN 978-3-85445-259-1)  herausgegeben, in dem sehr viele Facetten des Phänomens PERRY RHODAN beleuchtet wurden. Auch einige der für die Serie tätigen Illustratoren wurden hierzu interviewt. Mein Gespräch mit Eckhard Schwettmann (“ES”) gibt einige Hintergrundinformationen zum Thema Risszeichnungen preis, von denen ich überzeugt bin, dass sie auch heute noch zutreffen.

Am kommenden Samstag, den 1. Oktober 2011 habe ich die Freude während des WeltCons 2011 ein Podiumsgespräch zum Thema RZs bei PERRY RHODAN moderieren zu dürfen. [1] Als Einstimmung auf Space Design – Die Risszeichner und ihr Bild des Perryversums habe ich dieses Interview von vor fünf Jahren ausgegraben und dank der großzügigen Unterstützung von Holger Logemann darf ich diesen Beitrag mit der exklusiven Vorabschau auf die jüngste Work-in-Progress-Zusammenstellung seines Korvettenprojekts [2] illustrieren.

Holger hat auf der ersten PHUTURAMA-Veranstaltung – dem Salon Talk während der transmediale.10 FUTURITY NOW! seine Arbeit am Korvettenprojekt schon einmal vorgestellt [3]. Am Samstag wird das Risszeichnen in 3D durch Lars Bublitz repräsentiert, der im Unterschied zu Holger gewissermaßen virtuelle Schnittmodelle konstruiert und darüberhinaus nicht die klassische PR-Referenztechnik , sondern meist exotische extraterrestrische Raumschiffe aus den unendlichen Weiten des Perryversums zu seinem Thema gemacht hat. [4]

Im folgenden mein “Interview mit ES”:
Wann hattest Du das erste Mal Kontakt mit PERRY RHODAN? Erinnerst Du Dich noch an Deinen ersten Roman?
Als Kind in den 1970er Jahren bin ich durch die psychedelisch-bunten PERRY – Unser Mann im All-Comics zum ersten Mal mit PERRY RHODAN in Berührung gekommen. Mein erster Roman war in der 3. Auflage Band 190 “Admiral Gecko”. Sicherlich ein glücklicher Einstieg mit Clark Darlton. Der faszinierendste Satz war die nonchalant hingeworfene Bemerkung über den “anderthalbmillionenfachen Überlichtfaktor” des Lineartriebwerks des am Mereesgrund geparkten Mausbiberkreuzers TRAMP – übrigens als 60-Meter-Kugelraumer der Risszeichnungs-Klassiker schlechthin! [Siehe oben!]
Wann hast Du damit begonnen, technische Zeichnungen zu machen, insbesondere Raumschiffe? Worin gründet sich Deine Faszination für Risszeichnungen?
Die ersten technischen Zeichnungen waren “Eigenkonstruktionen” gespeist durch die Früh-Siebziger TV-Ausstrahlungen von Raumschiff Enterprise und Raumpatrouille. Mit den PERRY-Comics kam dann auch die Faszination für die Risszeichnungen, die es in dieser Form und Tradition nur bei PR gibt.
Was war dann Deine erste Risszeichnung, die in PERRY RHODAN veröffentlicht wurde?
Willi Voltz hatte irgendwann im Jahre 1981 ein Einsehen, nachdem ich ihn mehrfach mit großformatigen Risszeichnungen immer neuer 60 Meter-Korvetten-Baumuster bombardiert hatte, und er veröffentlichte eine dann allerdings wesentlich kleiner dimensionierte KOGGE der Kosmischen Hanse auf der Leserkontaktseite.
Wieviele Risszeichnungen hast Du denn bis heute gemacht und welche davon ist Dir die Liebste? Nikki Frickels SORONG von 1987?
Die Anzahl der Arbeiten weiß ich selber nicht so genau, vielleicht ein Dutzend. Die SORONG ist dann doch zu “essayistisch”, um mein Favorit zu sein. Meine Lieblings-RZ möchte ich eigentlich erst noch zeichnen.
Von Dir und Günter Puschmann gibt es ja auch eine schöne Abhandlung über die Geschichte und Entwicklung der Risszeichnung. Seit dem 1965 in PERRY RHODAN-Heftroman Nr.192  das legendäre Beiboot vom Typ “Kaulquappe” als erste Risszeichnung von Rudolf Zengerle erschienen ist hat sich ja einiges gewandelt, optisch wie technisch. Wie war die Entwicklung und was kommen da noch für Innovationen auf uns zu?
Die Risszeichnungen stellen eine eigene Form der graphischen Kunst dar. Kein Illustrator, Titelbildgestalter oder Designer wird auf Anhieb eine richtige RZ wie in PERRY RHODAN hinbekommen. Und dies nicht nur aus handwerklichen Gründen, mangelnder Geduld oder schlechtem räumlichen Vorstellungsvermögen. Wie Arthur C. Clarke in seinem “dritten Gesetz”  (aus: Profiles of The Future) schon 1961 formulierte, “any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic”, so benötigt eine gelungene Risszeichnung einen gewissen Zauber, der die Illusion einer Blaupause aus der Zukunft zum Leben erweckt.

Da es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist, die “Magie” des zukünftigen technischen Fortschritts realitätsgetreu zu phantasieren, flüchteten die Zeichner sich in die zweckfreie Schönheit der Technik selbst: Die Risszeichner strebten nach “Aggregate-Ästhetik”, nach komplexen, flirrenden und ineinander verwobenen Formen, die auf einer Symbolebene das behaupteten, was doch niemals einzulösen ist. Viele Anregungen aus der “realen” Kunstgeschichte wurden dabei verarbeitet, so dass Spielarten wie “Konstruktivismus”, “Pop-art” und “Minimalismus” identifiziert worden sind.

Auf der “semantischen” Ebene zerflossen phantastische 6D-Technologien zu “Zahnpastaaggregaten”, und die Kosmokratentechnik bekam im wahrsten Sinne des Wortes einen “Zauberhut” aufgesetzt. Auf der “silistischen” Ebene wurde der Zeichenstrich selbst expressionistisch, weniger technisch und fast comic-artig, um anzudeuten: “Wir wissen es auch nicht!” Heute ist die Situation der RZs unübersichtlicher. Haben früher alle Zeichner im Prinzip das selbe Handwerkszeug benutzt, so hat sich die Szene in den letzten Jahren aufgespalten: Es gibt noch einige “Nostalgiker” die mit analogen Techniken des mittleren 20. Jahrhunderts arbeiten; andere, die Hybridwege zwischen klassischer Bleistiftvorzeichnung und “elektronischem Abtuschen” eingeschlagen haben (was den Vorteil der nachträglichen Kolorierung beinhaltet) Und es gibt die “3D-Risszeichner”, die nicht mehr zweidimensionale Zeichnungen anfertigen, sondern virtuelle Konstruktionen. Bei letzteren gibt es wiederum Mischformen.

So “klinken” einige Zeichner einen konventionell gezeichneten 2D-Aufriss perspektivgenau in das gerenderte Still ihres dreidimensionalen Raumschiffkörpers. Andere arbeiten wie die Set-Designer im Hollywoodfilm: sie statten nur die “Räume” ihrer 3D-RZ mit Technik aus, die in der Schnittebene liegen — “Potemkinsche Raumer” also. Und es gibt die “Vollkonstrukteure”, die mit State-of-the-Art CAD/CAM-Systemen die fiktiven PERRY RHODAN-Raumer fast bis zum letzten Interkom-Anschluss durchkonstruieren, so dass man die Datei nur noch an die lunaren Raumwerften schicken müsste, um in Produktion zu gehen.

Das ist natürlich die Zukunft. Denn als die ersten Risszeichnungen 1965 in PR veröffentlicht worden sind, waren sie auf der Höhe der Zeit der damaligen Technischen Visualisierung, was man beim Stöbern in alten Auto- und Flugzeugzeitschriften sehen kann. Heute veröffentlicht ein Automobilhersteller ein speziell ausgerendertes “Röntgenbild” seiner 3D-Konstruktionsdaten in photorealistischer Perfektion. Mit den aufwendigen Arbeiten der “Vollkonstrukteure” wird das wieder möglich sein. Doch wo sollen diese Arbeiten überhaupt angemessen veröffentlicht werden? Ist im Heftroman für diese Art von Technischer Visualisierung überhaupt die richtige Plattform?
Vor ein paar Jahren haben wir uns in Berlin getroffen und Du hattest mir die c-base gezeigt, ein Gebäude, das fest in der Hand von Computer-Freaks war. Dort gab es ja auch mal eine PERRY RHODAN-Veranstaltung und die rz-c-onference. Worum handelt es sich bei der c-base [5] genau?
Da ist ein geheimer Wunsch von mir wahr geworden: Ein Haufen hochbegabter, verrückter Science Fiction- Fans habe ihre Version eines zukünftigen Raumstation in die erlebbare Realität umgesetzt. Waren meine Zeichnungen vorher nur in 2D, so ist die c-base eine “Risszeichnung” in sieben Dimensionen – Raum und Zeit, das fiktive c-base Universum drumherum, die “reale” Gemeinschaft im Verein und viele Projekte quer durch alle künstlerischen und kulturellen Disziplinen dazu, wie z.B. die Zusammenarbeit mit dem befreundeten Chaos Computer Club, der sich ja selbst als Gemeinschaft “galaktischer Datenreisender” versteht.
Auf dem PERRY RHODAN-WeltCon in Mainz [1999] hast Du neben Deiner ersten Farb-Risszeichnung auch die Pilotgeschichte einer PERRY RHODAN-Comic-Adaption präsentiert. Wie kam es denn dazu?
Ich bin über die PERRY-Comics “sozialisiert” worden, darüberhinaus mag ich die amerikanischen Superhelden-Comics, so dass ich dies dem Perryversum wieder zurückgeben möchte – mit all den zeichnerischen Ideen und Fertigkeiten, die ich schon in meinen Risszeichnungen und Datenblättern entwickeln konnte. Allerdings ist der Schritt zu einem wirklich professionellen Comic schwer – alle Comicfans unter den PR-Lesern werden das bestätigen können. Die angesprochenen Pilotgeschichte konnte ich [damals] nicht realisieren. Aber ich arbeite gerade jetzt wieder [an einer Comic-Adaption] , um dieser Idee endlich Gestalt zu geben.
Beruflich bist Du ja im grafischen Bereich tätig. Bei der Gestaltung der SOL, dem Mitgliedermagazin der PERRY RHODAN-FanZentrale, warst Du ja anfangs auch dabei. Wie kam das?
Klaus Bollhöfener hat mich anlässlich der ersten rz-c-onference in Berlin einfach gefragt!
Was macht für Dich die Faszination der PERRY RHODAN-Serie aus?
Es ist meine Heimat.
[1] PHUTURAMA: Events
[2[ Holger Logemanns
Korvettenprojekt
[3[ transmediale.10 FUTURITY NOW! Salon Talks: PHUTURAMA Sub-Conference
[4] risszeichnungen.de: Lars Bublitz’ Web-Portfolio
[5] c-base e. V. Raumstation unterhalb Berlin

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