"Absolut in/compatible:" Joshua Light Show featuring Manual Göttsching (Ash Ra Tempel, ashra.com) – Highlight der erfolgreichen Festivalkooperation von tm2k+12 und CTM.12 und mit besonderem Engagement von der tm-Performance Kuratorin Sandra Naumann begleitet, CC: Kimberley Bianca (transmediale)
Der Glamour der vergangenen Berlinale verstellt schon fast wieder die Rückschau auf die diesjährige 2k+12 transmediale – festival for digital art and culture berlin [1], die zum ersten Mal unter der neuen künstlerischer Leitung von Kristoffer Gansing nicht nur ein atmosphärisch vernehmlicher Erfolg gewesen ist.
Selbst tief und bisweilen mit DIY-Speditionstätigkeiten mit dem inzwischen beinahe traditionellen c-base Partner Event [2] verstrickt, kann ich vom Festival mit seinen immerhin sechs Programmsektionen (Ausstellung, Videoprogramm, Konferenz, Performance-Programm, “reSource”-Initiative für “transmedial culture” und der Retrospektive in eigener Sache: “25 Jahre transmediale”) nur einige wenige Eindrücke vermitteln. Aber da geht es mir wie den Machern selbst. Da ich freundlicherweise am Donnerstag, den 23. Februar zu einer transmediale-Ausklangfeier in der Weddinger Panke [3] vom Team eingeladen war, ergab sich aber die gute Gelegenheit, die individuellen Erfahrungssplitter zu einem größeren ganzheitlichen Narrative zu fügen.
Grundsätzlich ist dies der zweite große Wechsel in der künstlerischen Leitung nach Andreas Broeckmann zu Stephen Kovats, den ich bei der transmediale aus der partnerschaftlichen Halbdistanz als c-base conceptioneer miterleben durfte. Was ich mit dem Einstand des neuen künstlerischen Leiters Kristoffer Gansings verbinde, ist, dass das Festival der digitalen Lebenswirklichkeit des Publikums näher gekommen ist, wie ich zumindest die Auftaktperformance QTzrk von jon.satrom [4] verstehe, die aus dem üblichen Reigen einer Eröffnungszeremonie seamlessly in den alltäglichen Inkompatibilitätswahnsinn der inzwischen ubiquitär mehrheitsfähigen MacOS-Benutzeroberfläche transgredierte.
Anstelle gern überstrapazierter künstlerischer Praxis synästhetischer Disruption und avantgardistischem Überwältigungsfuror mit oft medientechnologisch meist überholten Stilanachronismen, die lautstark “Hier, ich bin Medienkunst!” riefen (ASCII-Art, OCR-Typo, 8-Bit-LowRes-Pixelartefakte FTW) ist der neue Ansatz, medienkünstlerische Positionen aus der digitalen Sphäre der glitzernden App Economy und der längst ubiquitären Cloud abzuleiten, sehr wohltuend und kritisch aktuell.
Dieser Ansatz spiegelte sich auch in den viel beachteten grafischen Auftritt des Festivals von Manuel Bürger, Timm Häneke und Till Wiedeck mit Goldspiegelfolie, einem iPhone-App-geshapten Rahmenelement völliger Inhaltsleere und dem häufigen Einsatz blauweißem Himmelsgewölks auf der insbesondere dem Festivalmotto “in/compatible” mimetisch nacheifernden Website.
Eine generelle Rückbesinnung scheint mir zu sein, dass §Medienkunst wieder formal definiert ist als künstlerische Auseinandersetzung mit den spezifischen Gegebenheiten des Ausdrucksmaterials und nicht in erster Linie als themenspezifisch inhaltliche Kategorie, wie es Stephen Kovats gefördert hat, der damit bewusst das Risiko von Flops (Deep North, 2009) und Tops (Futurity Now!, 2010) in der Gesamtausrichtung eingegangen ist.
Mir scheint dies in Abgrenzung zu den traditionellen am Kunstmarkt und in der Museumslandschaft wesentlich etablierten Kunstbereichen wie Malerei, Graphik oder Bildhauerei ganz konsequent: Medienkunst macht halt was mit Medien.
Disclaimer: Ich war nicht nur über die c-base Kooperation dieses Jahr mit dem Festival verbunden gewesen, sondern als “Adludicator” für die von Mark Butler geleitete Veranstaltung Zombie Play in the Ludic Salon: reSourcing an Exquisite Media Corpse am Sonntag, 5. Februar 2012 von der reSource-Kuratorin und Programmverantwortlichen Tatiana Bazichelli eingeladen worden. Herzlichen Dank dafür, dies war eine sehr schöne Veranstaltungin der besonderen Form des “Presentation Flows”nach Vorbild des Cadavre Exquis:
“Exquisite corpse, also known as exquisite cadaver (from the original French term cadavre exquis) or rotating corpse, is a method by which a collection of words or images is collectively assembled.”(WP)
Zum Ausklang hier ein Ausschnitt vom Auftritt der Joshua Light Show ft. Manuel Göttsching vom Samstag, den 4. Februar 2012, von dem auch das obige Aufmacher-Foto von Kimberley Bianca stammt (mehr auf flickr.com):
POSTED BY Gregor Sedlag AT February 27th 2012 0 Comments
"It is also about the disappearance of our own memories and data, things that we wanted to keep forever but which will, because of technological progress, the aging of a technique, or the self-destruction of a supporting system, soon no longer exist." The Ghost Off The Shelf, Exhibition CTM.12 – SPECTRAL
Heute vormittag fand die gemeinsame Pressekonferenz der seltsam verschwisterten Festivals transmediale 2k+12 in/compatible – festival for digital art and culture berlin [1]und CTM.12 SPECTRAL – Festival for Adventurous Music and Related Arts[2] im Haus der Kulturen der Welt statt. Da der CTM schon heute abend, Montag, den 30. Januar 2012 offiziell mit einer Aufführung eines Werks der französischen Elektro-Avantgarde-Komponistin Eliane Radigue [3] im Berliner Hebbel am Ufer 1 (HAU 1) beginnt, versuche ich hier schon einige Eindrücke vom geplanten Programm und von der schon seit Freitag im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien zusammenzufassen.
Jan Rohlfs, neben Oliver Baurhenn und Remco Schuurbiers die verantwortlichen Köpfe des aus einem begleitenden “Club Transmediale” hervorgegangenen Festivals für Wagnismusik und damit verwandte künstlerische Positionen, formulierte in der Pressekonferenz ein sehr umfassendes kuratorisches Statement [4], das im Wesentlichen um das wachsende Unbehagen am “Kontrollverlust” (diesen Begriff hat er nicht gebraucht) der in den exponentiell wachsenden digitalisierten “Anarchiven” verborgenen Nicht-Wissens (im Sinne eines Rumfeldschen “unknown Unkonwns”) drehte:
“Er gewinnt Form in Gestalt von Heimweh, Transzendenzsehnsucht oder Retromanie und gerät umso stärker, je eindringlicher die technologische Enteignung und Delokalisierung erfahren wird.” [5]
Die von Thibaut de Ruyter kuratierte Ausstellung “The Ghost Off the Shelf” wie das Gesamtfestival widmen sich also der spürbaren Faszination und Beschäftigung mit (vorgeblich?) nicht hintergehbarer, materieller Restanzen der Produktions-, Aufführungs- und Speicherungprozesse, die in der vordigitalen Ära dem jeweiligen Medium auf den Leib geschrieben waren und als nun als “Phantomeffekte” (wie in Phantomschmerz) eine tiefenhermeneutisch zu erschließende Bedeutungsebene versprechen, der die CTM-Projekte sogar bis in die Halbleiter-Molekülketten der Medienapparate nachzusteigen bemüht sind (“The Crystal World Open Laboratory”):
“Das ist kein absichtsvolles künstlerisches Programm. Vielmehr ist es feinnerviges, arbeitsames, mal dunkles, mal fröhliches Experimentieren mit Unheimlichem, Verstaubtem und Trash, der Rückgriff auf Vergangenes und Verworfenes bis hin zur Archaik, die Lust am Verformen, Verhallen, Verrauschen und Verflüssigen, Aufbrechen, Verkleben und Verspleißen; geradezu die letzten Mittel, die eingesetzt werden, wo ein Masterplan zwangsläufig fehlen muss.” [5]
Nach dem Tod Conrad Schnitztlers [6] im letzten Jahr passt in diese Auseinandersetzung auch die Archäologie des West-Berliner Zodiac Free Arts Lab [7], einem Hackerspace avant la lettre für elektronische Musik in den 1960er Jahre, der für die spätere Krautrock-Bewegung bestimmend war, was mit der CTM-Spielstätte HAU 2 quasi am Originalort (heute sehr profan das WAU – Wirtshaus am Ufer) nachvollzogen werden kann.
Glazialvisuals in Minimal-Beat-Blöcken, "Random Seed" by stickman (im Dunkeln)
c-base die Raumstation unterhalb Berlins hat mit Hilfe des Künstlerkooperation Stickman[1], Entlet[2] und Fauxtone Collective [3]eine temporäre synästhetische Holodeck-Upgrade erfahren.
Als Teil des gemeinsamen “Vorspiels” der beiden Geschwisterfestivals transmediale 2k+12 in/compatible – festival for digital art and culture berlin[4] und des CTM.12 SPEKTRAL – Festival for Adventurous Music and Related Arts[5] sind die diesjährigen c-base Partneraktivitäten zur transmediale unter dem Motto “be future in/compatible” [6] mit den drei Auftritten des Improvisations-Theatergruppe Improbanden und der oben genannten 3D-Echtzeit-Bild- und Klanginstallation gestartet.
„Random Seed“ – an audiovisual beat sculpture: Live performance & audiovisual installation by Stickman feat. Fauxtone Collective Berlin-based multi-instrumentalist and producer Stickman teams up with the Fauxtone Collective to bring an immersive audiovisual experience to the stage, exploring synergies and interactions of tones and photons.
Von c-base Seite aus hat Thomas Goltz [7] als Teil der Künstlergruppe sein 3D-Knowhow in das gemeinsame Projekt geworfen, das in nur drei Monaten mit einer Menge performance-kritischen, weil Echtzeit benötigenden Coding-Aufwands realisiert worden ist. Ohne die großartige Unterstützung durch transmediale-Leiter Kristoffer Gansing und den Technikpartner des Festivals serve-u [8] wäre c-base nicht in der Lage gewesen, den beteiligten Künstlern diese Plattform für ihre Arbeit zu geben.
Einen guten Eindruck der Random Seed-Installation vermittelt schon einmal das unten folgende Video vom Freitag. An den zwei Folgetagen des Vorspiel-Wochenendes wurden weitere Photonen-Module der Installation freigeschaltet.
Als Kontrast zur hermetisch-minimalistischen Percussion-Clustern der “beat sculpture” steht das housige Live Set von Stickman und Entlet, das die Holodeck-Installation in einen Clubkontext transponiert. In dieser Zusammensetzung Sonntagabend, den 29. Januar 2012 das letzte Mal live an Bord der c-base zu erleben.
Es gibt auch weniger attraktive Blickwinkel auf 1199 Panigale. Quelle: Mein iPhone 3G S
Zwischen den Jahren erreichte mich eine E-Mail von Ducati Berlin [1] mit einer überraschenden Ankündigung:
“Das neu entwickelte Superbike fasziniert durch sein äußeres Erscheinungsbild und bietet zahlreichen neue bahnweisende technische Lösungen. Am 06. Januar 2012 ist die 1199 S bei DSB Berlin in der Ausstellung. In der Zeit von 12.00 – 20.00 Uhr kann das Motorrad begutachtet und testgesessen werden. Bei dem Ducati Superbike handelt es sich um ein Sonderfahrzeug, dass nur am 06. Januar 2012 zur Verfügung steht.”
Hm, einerseits war mir die Vorstellung zwischen vielen anderen Leuten um das rote Kalb zu tanzen, etwas unangenehm; andererseits ist meine Begeisterung und mein Interesse an Ducatis neuer Superbike-Generation schon hinreichend dokumentiert [2], so dass dann doch meine Neugierde gesiegt hat.
Ducati Berlins Showroom war dann am frühen Nachmittag des 6. Januar 2012 auch gut gefüllt. Nur, wo war der Star der Veranstaltung, die “Exorzistin”, die ich nun endlich in echt sehen wollte? Bei einer vergleichbaren Produkt-Premiere Ende 2007 war das sehr einfach gewesen. Das Perlmuttweiß-Metallic war die Signature-Farbe der damals frisch gelaunchten 848 und besaß im Showroom ein ausgeprägtes Alleinstellungsmerkmal. Die genannte 1199 S Panigale gibt es nur in Rossa Corsa, eine Farbe, die bei den bei Ducati Berlin stehenden Maschinen nicht gerade selten ist. So dass ich fast erschrocken über das winzige Motorrad gestolpert wäre, dessen unglaublich langen, insektenfühler-artigen Rückspiegelausleger mir dann signalisierten: Das ist sie!
Bei der weiteren Begutachtung hat mich dann mittelschwere Ernüchterung erfasst. Viele der großartigen Designdetails wie die Underslung-Schalldämpfer unterm Verkleidungskiel mutierten zur Bückware und sind unter normalen Umständen gar nicht wahrnehmbar. Überhaupt ist vieles so String-Tanga-kompakt geschnitten, dass unter einem massigeren Fahrer gar nicht so viel vom gerühmten Design sichtbar bleibt. Im Kontrast dazu wirkt das frontlastige Design fast schon kopffüßlerisch, was durch die im Vergleich zur Vorgängergeneration sehr weit aufgeblähten Air-Intake-Nüstern noch verstärkt wird. Die wesentlich steiler stehende Windschildkanzel mag effektiv sein, aber auch hier sieht Eleganz anders aus. Die extrem abstehenden, ‘funktionalen’ Spiegelausleger haben dann in der Konsequenz schon fast etwas karikaturhaftes.
In der Seitenansicht fehlt definitiv das für Ducati in den letzten zwei Jahrzehnten so prägende Fachwerk der Gitterrohrrahmen, das immer einen willkommenen und, wie sich jetzt herausstellt, auch notwendigen Kontrast zu den meist unifarbenen Verkleidungen dargestellt hat. Als beinahe einzige vollverkleidete Motorräder konnten Ducatis ohne jeden grafischen Schnickschnack (“Joghurtbecher”) auskommen. Wenn man sich die Bilder des Sondermodells 1199 S Panigale Tricolore [3] ansieht, dann scheint hier Ducatis traditionelles Gestaltungsmuster überfordert und an sein Ende gekommen zu sein. Ausnahme wie bei bei nahe allen Motorrädern wäre natürlich die Nichtfarbe Schwarz.
Ich bin gar nicht so traurig, dass die 1199 neben ihrer technischen Exzellenz für mich nicht auch noch unter ästhetischen Gesichtspunkten alle Vorgängermodelle in den Schatten stellt. Da verbleibt viel virtuelles Kapital für andere wunderbare Gelegenheiten. Und wer weiß, vielleicht ist das auch nur Anpassungsschock. Wenn ich mir das Prüfstandsvideo einer tarnkappen-mattschwarzen hier unten betrachte, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass ich in einigen Jahren vielleicht eine ‘kleine’ 799 Panigale Dark ganz anders zu schätzen wissen werde.
"Vote Monster" – Illustration von xbrg, oder: Wie ich nach zehn Jahren asymmetrischer Bekanntschaft ihre "robots & monsters" kennenlernen sollte.
Im letzten PHUTURAMA-Post [1] habe ich die #Tassebier-Veranstaltung der Blogrebellen [2] auf der c-base[3] als semi-offizielle 28C3-After-Hour erwähnt. Dort hatte ich eine überraschende Begegnung auf Hochebenen-Niveau mit xbrg, was mir wieder einmal demonstriert, wie erstaunlich diese Raumstation doch ist.
Wie zu erwarten war, zog die #28c3 #Tassebier eine Menge Publikum in die c-base. Vorm Andrang an der Bar fliehend zog es mich hinter das VJ-Kontrollzentrum und die Stiege hinauf zur ehemaligen cultorg-Kontrolltower-Hochebene, deren Zutritt mir dort von einem crew-member-Pärchen tapfer durch freundlichen Small-Talk verweigert werden sollte. Das weibliche crew-member war mir sowohl vom Sehen als auch vom Namen her als “Anne aus Freiberg” seit bestimmt zehn Jahren bekannt, aber ich ihr offensichtlich überhaupt nicht.
“Heute ist Tag der offenen Station, also auch alle Bereiche hier oben,” sagte sie sinngemäß zu mir, dem als Eindringling in heilige crew-member-only-Bereiche Identifizierten. So habe ich mich also erstmal bei ihr vorgestellt und aus der Kontroll-Small-Talk wurde ein sehr interessantes Gespräch, in dessen Verlauf ich über xberg lernte, dass sie zwar Software-Entwicklerin (auf der c-base ein nicht unüblicher Leidensweg), aber dass sie auch selber zeichnete. Wahrscheinlich hatte ich bei der Selbstauskunft ihr gegenüber als Illustrator bezeichnet.
Da xbrg sagte, dass sie überwiegend Roboter zeichnete, wurde ich neugierig, schaute direkt vor Ort bei ihrem flickr-Account [4] nach und bin jetzt so angetan, dass ich es hier zeigen musste. Auch als Note to myself: “If we only knew what we know.”
Kontrollverlust im virtuellen Bällebad 2D: Alles klebt im “The Obliteration Room” von Yayoi Kusama, Quelle: booooooom.com
Im Jahr 2000 habe ich im Rahmen einer Konferenzredaktion für die inzwischen vergessene Berlin Beta Versionen an einem Gesprächspanel [1] mitgewirkt, bei dem Wau Holland und Rainer Langhans aufeinander getroffen sind. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was sie zusammen mit den anderen drei Teilnehmern Ossi Urchs, Derrick de Kerkhove und dem Moderator Christian Ankowitsch genau gesagt haben, aber ein bei Telepolis archivierter Artikel von Stefan Krempl hat mich ein wenig aus meinem “Digital Delirium” [2] geholt. Und ich weiß auch nicht, ob Rainer Langhans und Wau Holland später noch einmal zusammengetroffen sind, aber bei der listig in die Nachbarschaft des 28. Chaos Communication Congress [3] gesetzten #Spack0, der Pilotzusammenkunft der datenschutzkritischen Spackeria [4]wäre eine gute Gelegenheit für eine Reprise gewesen. Wau Holland ist im darauffolgenden Jahr 2001 gestorben. Wie sehr er fehlt, wird jetzt im Abstand deutlicher als unmittelbar danach im Post-9/11-Aftermath, als “im Club” auch atmosphärisch die Paranoia gegenüber Diskordia obsiegt hat: 23 > 42. [5]
Rainer Langhans hingegen schien ein geeigneter Apologet post-privatären Lebensstils für die #Spack0 zu sein. Eine Jahrzehnte umspannende Erfahrung von der öffentlichen Erregung als Mitglied der Kommune 1 bis zur Privatfernseh-Inszenierung als Bewohner des RTL-Dschungelcamps schienen einem Keynote-Spacken würdig. Doch als den Faschismus verherrlichende Zitate, u. a. dieses NDR-Interviews aus dem Jahre 1999 [6], ans Licht kamen, unterzog die darauf folgenden Reaktionen das spinnwebzarte Spacken-Netzwerk einem erheblichen Stresstest, so dass die lockere Orga-Gruppe Langhans leider wieder auslud. Zur Strafe flagellierte sich die Spackeria in einem eigenen Fail-Debatte [7] auch zum #LanghansGate. Wie eingangs erwähnt, haben wir damals im “digitalen Delirium” Rainer Langhans Faschismus-Flirt nicht gekannt – das Internet war halt noch nicht so agil wie heute.
Steve Jobs’ Tod im letzten Jahr hat die hippiesken Wurzeln der “kalifornischen Revolution” noch einmal in Erinnerung gerufen, die auch Rainer Langhans wie Wau Holland in ihrer speziell bundesrepublikanischen Tradition der weltweiten Alternativbewegungen verkörperten – der erste als Alt-68er, der jüngere Wau Holland als Protagonist der ernüchterten postradikalen 78er-Generation nach dem “deutschen Herbst”. Geradezu post-ideologisch visionär war Waus Verständnis vom Computer als einem möglichen individuellen Emanzipationsinstrument, während dieser im alternativen Mainstream zu Gründungszeiten des CCC im Jahre 1981 noch als Repressionsinstrument von Big Business, Big Government und Big Brother galt. Ich bin mir sicher, Wau Holland hätte auf der 0. Spackeriade eine Rede gehalten; es wäre eine Schlüsselrede geworden. Denn die Geschichte einer Ablehnung beginnt sich zu wiederholen. War das damalige Feindbild des linksalternativen Gefühligseligkeitshumanismus der Computer an sich, so ist es heute das sich langsam herausbildende und ins Nachmenschliche zu wachsen drohende Potential der universellen Vernetzung der Datenreisenden.
Behind Enemy Lines?
Auch wenn die Spacken sich auf dem 28C3 für ihre letzten vorbereitenden Gespräche der 0. Spackeriade im sticky “Bällebad” des Art & Beauty im bcc getroffen hatten, war das “Endorsement” bei den offiziellen CCC-Granden wie manchen Engeln an der Basis für die im .HBC [8] benachbarten Komplementärveranstaltung der Spacken sehr zurückhaltend bis ‘bekreuzigend’. Während die bisherigen Off-Congress-Veranstaltungen z. B. der abgewiesenen Vorträge mit wohlwollenden Desinteresse begleitend wurden, war die Abgrenzung heuer schon deutlich: Spackeriade? “There were no results matching the query,” wirft die Suche auf dem 28C3-Wiki aus.
Wenn das so weiter geht – und die Fassungslosigkeit und bisweilen schon persönlich unangenehm werdende Entfremdung zwischen diesen Lagern macht es nicht gänzlich unwahrscheinlich –, wird in Zukunft einem Unvereinbarkeitbeschluss zwischen Congressteilnahme und Spackeriade führen; offiziell von CCC-Seiten natürlich mit der Begründung eines sowieso schon überbuchten Congresses. Es droht das reziprok-paradoxe Ergebnis, dass sich die Post-Privacy-Spacken klandestiner und konspirativer Methoden bedienen werden müssen, um sich den Congressbesuch erschleichen zu können, während gleichermaßen die CCC Veranstaltungs GmbH biometrische Zugangsschranken mit der Auswertung der stationär vor dem .HBC kreisenden Qudrocoptern füttert, um deren feindselige Infiltration zu unterbinden. So bekommt das 28C3-Motto des sich “Hinter-feindlichen-Linien-Tunmmelns wenigstens praktische Relevanz, ohne dass sich eines der Lager überhaupt dahin bewegen müsste. Soweit jedenfalls die “Spökenkiekerei” [9] von @mspro, @erlehmann und mir anlässlich der nachcongresslichen #Tassebier auf der c-base.
Quo vadis?
Es ist interessant, wie eine aus dem Off kommende Untergrundbewegung wie der Chaos Computer Club mit zunehmend gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz und Etabliertheit Flanken gegenüber neuen Fragenstellungen aufreisst, deren Legitimität nicht einmal als intellektuell inspirierend verstanden wird. Der CCC regiert auf die Post-Privacy-Idee hilflos wie Greenpeace auf Klimawandel-Euphoriker: “No fine wines from Norwegian woods, please.” Die Antwort ist pater- bzw. maternalistich (die Zuschreibung auf “Spacken” geht auf schließlich auf eine der von der masochistisch veranlagten politischen Klasse neuerdings geschätzten “rotzfrechen” Bemerkung Constanze Kurz’ zurück) und gerät ins Stockkonservative: “Spielt nicht mit den Schmuddelkindern!” Wenn die Spacken im schlimmsten Falle als Vorbereitungsnazis gelten mögen, die der kommenden Überwachungsgesellschaft den totalitaristischen Stachel rechtzeitig ziehen möchten, so ist dies die angemessene Reaktion auf die jetzt schon gelebte Wirklichkeit. Dass darüberhinaus manche Diskussionen innerhalb der Spackeria durch utopieverdächtige Totaltransparenzvorstellungen geprägt zu sein scheinen, denen nach durch einen wirksamen Datenschutz Dritter sogar das Ausleben der eigenen “Datalove” unzulässig beschnitten wird, ist zumindest eine neue radikale Freiheitperspektive, die sich einmal nicht auf die sonst üblichen bloß noch fatalistisch links-defensiven Einhegungsaktivitäten beschränkt.
Damit einhergehend gab es gegenüber manchen gar nicht so neuen Gepflogenheiten auf dem Chaos Communication Congress dieses Jahr eine deutlich wahrnehmbare Kritik seitens der feministischen ‘Diskurspolizei’ – Stichwort: #Genderifizierung. Und das ist gut so. Das alles kommt mir beinahe wie ein historisches Re-enactment der SDS-Frauenbewegung vor, die die damaligen männlichen Vorstinker auf den Vortragspodien ebenfalls sehr überraschte. Die neue und meines Erachtens übersensibilisierte Political Correctness (“Balls of Steel-Award”) resultiert übrigens aus den Diskussionen, die die dem Chaosumfeld nahe stehenden Piraten schon erleben durften. Im knallharten politischen Parteienwettkampf wurde der noch um Welpenschutz bemühten jungen Partei schon in die meist männlichen Weichteile getreten. Oder den “höhnischen Unterton” [10] einer Congress-Traditionsveranstaltung emulierend: Dass diese Diskussion den CCC nicht unberührt lassen würde, ist vielleicht der Security Nightmare, über den wir nächsten Jahr am lautesten gelacht haben werden.
Aaron Koblins "Flight Patterns" Projekt kurzgeschlossen mit Martin Waldseemüllers Weltkarte von 1507, in der die Neue Welt erstmals als "Amerika" bezeichnet ist.
Alte Stiche von Karten habe ich meist bei Menschen zu Hause gesehen, deren Weltbild mir ähnlich antiquiert erschien wie die Karten und das in ihnen eingeschriebene Weltbild. Auch der darin enthaltenen Verweis auf die große Epoche der europäischen Entdecker und Eroberer der Welt erscheint mir zweifelhaft. Dennoch: Karten sind projizierte Weltanschauung wie gleichsam symbolisch hochverdichtete Weltdurchdringung. Die in der von Waldseemüller [1] gewählte Ansicht entspricht der eurozentrischen Betrachtung mit der klasssich-europäischen Welt Mitte-links und einer orientalischen Erweiterung nach Mitte-rechts einschließlich Indiens und Russlands. Fernost, Subsahara-Afrika und die “Neue Welt”, die in dieser Arbeit von 1507 – nur fünfzehn Jahre nach Kolumbus – erstmals als “Amerika” bezeichnet wird, sind Peripherie.
Das schmale Handtuch von Neuer Welt aus dem Jahre 1507 ist zu Kräften gekommen und sieht sich spätestens seit Ende des 2. Weltkriegs im Zentrum. Wenn jetzt im Umfeld des 19th ASEAN Summit & Related Summits auf Bali [2] über Amerikas Hinwendung zum pazifischen Raum gesprochen wird, zeigt die von Aaron Korbin [3] aus offiziellen Flugdaten der U.S. Federal Aviation Administration [4] für sein Projekt “Flight Patterns” gewonnene US-Karte, dass die atlantischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa dominieren. Ich finde diese Karte aber eigentlich nur schön.
Seit vielen Jahren kreuze ich mit meinen Aktivitäten und Interessen immer wieder einmal die Flugbahnen von Trampoline – Agentur für Kunst und Medien [5], die 1997 von Anette Schäfer und Miles Chalcraft in Nottingham gegründet worden ist und seit dem Jahr 2000 einen weiteren Sitz in Berlin hat – und zwar aktuell in der RS20, dem Domizil des c-base e. V. Am Mittwoch, den 23. November 2011, 19:00 Uhr eröffnen die beiden ihre Ausstellung, Symposium und Open Platform namens “Tracing Mobility – Cartography and Migration in Networked Space” im HKW – Haus der Kulturen der Welt [6], die “das Verhältnis zwischen globaler und individueller Mobilität, zwischen physischer und virtueller Bewegung” aus der Sicht von sechzehn internationalen Künstlern betrachtet.
Da ich allenfalls ein blindtauber Media Art-Aficionado bin und mich gerade mal als Part-Time-Curator für die c-base im Rahmen der transmediale damit ein wenig intensiver beschäftigte, möchte ich hier im Voraus noch nichts sagen, sondern nach Besuch der Veranstaltungen in Ruhe hier meinen Eindrücke schildern. Auf wen ich mich aber schon mal in der Auswahl der Kuratoren für Tracing Mobility freue, ist Aram Bartholl [7], dessen Arbeiten auf immer wieder überraschende Art den gewohnten und schon selbstverständlichen Metaphern der digitalen Welt einen harten bis lustigen Reality Check verpasst.
Nein, dies ist kein weiterer PERRY RHODAN-Eintrag zum Thema "Kugelraumer", sondern der von Popular Science mit einem Best of What's New Award ausgezeichnete rotundus GroundBot.
Ein kamerabestückt vor sich hineiernder Überwachungsball – hier im Bild mit Gumminoppen versehenen All-Terrain-Lauffläche – zeigt vielleicht mehr von der zukünftigen Entwicklung in der Robotik als alle Battlemech-Universen zusammen. Die Designphilosophie des schwedischen Unternehmens rotundus [1] beruft sich auf die “Schlichtheit der Kugel” – aber auch auf eine Wall-E-gemäße Empathie, mit der man der hier im Video herumstreunenden bodengebundenen Überwachungsdrone folgen möchte:
Ganz interessant dabei zur Firmengeschichte von rotundus, die sich, wie der Name schon verrät, ganz der spheroiden bodengebundenen Überwachungsdronentechnik verschreiben haben, finde ich, dass die Grundidee zum GroundBot ein Spin-off der Weltraumfahrt ist:
GroundBot was initially designed for extraterrestrial exploration. The European Space Agency was looking for a vehicle that could explore the surface of Mercury.
The vehicle needed excellent all-terrain performance. It also had to be virtually breakdown-free since the nearest help would have been millions of miles away. So reliability was prioritized.
Although GroundBot never made it into space, our development philosophy has remained the same: to answer real market needs.
Dass die schön simplizistische Konzeption für einen Merkur-Rover jetzt in die unsympathische Wach- und Schließbranche abdriftet, ist bedauerlich, aber andererseits ein schönes Gagdet für zukünftige Intrusion-Film- und Game-Action von 007 über Ocean’s n bis Mission Impossible. Gibt bestimmt gute Soundeffekte, wenn die Dinger zerplatzen.
Komisch, aber dass diese genial simple Modell des monothematischen Start-ups aus Schweden nicht beim Google Lunar X PRIZE [2] mitmacht. Dasselbe Prinzip aus einer nano-leichten elektrostatisch sich entfalteten Metallfolie, vielleicht noch durch eine Art regenschirmartig vertärkten Speichenkinematik neben den beiden Sensor-Pods verstärkt, würde mich begeistern.
So tüchtig die deutsche Part-Time Scientists-Gruppe [3] im Lunar X-PRIZE auftritt, bzw. die c-base OpenMoon-Truppe [4] es vergeigt hat, das GroundBot-Prinzip hat Zukunft.
In der industriellen Logik der kapitalistischen Warenfertigung dürfte eine Produktpremiere wie die der Ducati 1199 Panigale [1] nicht passieren. Wie unlängst bei Apples iPhone 4S – und Ducati ist in jeder Hinsicht das Apple der Motorradindustrie – übersteigt das Erwartungsprofil in der Regel die erfüllbaren Produkteigenschaften, um aber im Sinne der oben erwähnten Logik sofort den Raum für weitere Desiderate und damit verbundene Produktkommunikation in der Anhängerschaft zu perpetuieren. Aus der kühlen Sichtweise dieser Praxis unendlich dehnbarer, aber nie wirklich einzulösenden Produktversprechen schert Ducati nun aus – der neue Supersportler aus Borgo Panigale hat die kühnsten Erwartungen [2] der Ducatisti und nicht nur dieser übertroffen. Oder wie es Spiegel Online formulierte: “Ducati schockt die Konkurrenz.”[3]
Nun steckt hinter jeder großen Anstrengung der Versuch einer Kompensation. Auch wenn der Markenname Ducati wohlvertraut und schon lange weltberühmt zu sein scheint – sowie in einem Atemzug mit den Kollegen von Ferrari als Italiens motorsportliches Tafelsilber genannt wird –, ist der Aufstieg zur Rennsportlegende jüngeren Datums. Insbesondere die erst 1988 gestartete Superbike-WM für großvolumige Viertakt-Straßensportmaschinen, die von Ducati einschließlich dieses Jahres 2011 zum 17. Male gewonnen wurde, hat den im Vergleich zu den großen japanischen Konzernen unbedeutenden Manufakturbetrieb aus Bolognas Stadtteil Borgo Panigale zur Weltgeltung verholfen. In diese Zeit fiel die Einführung der revolutionären 916, die insbesondere auf den Einsatz in der SBK-Weltmeisterschaft hin entwickelt worden war und in den Ausbaustufen 996 und 998 (mit der spektakulären Verfolgungsszene in The Matrix Reloaded[4] samt gleichnamiger Dunkelgrün-Metallic-farbener Sonderserie , obwohl im Film die Vorgängerin 996 zum Einsatz kam) zehn Jahre lang in Produktion blieb, was im Umfeld der zwei- bis vierjährigen Produktionszyklen der Supersportler mit Wettbewerbseinsatz wohl einzigartig bleiben wird. Seit 1994 wird Ducati-DNA an dem Erfolg und dem Erbe dieser Maschine gemessen, wie es sonst nur Porsche von ihrem 911er gewohnt ist.
Um die Bedeutung der damaligen Neuerscheinung noch einmal zu vergegenwärtigen, hat unlängst im Vorfeld der 1199-Premiere Ducati News Today noch einmal einen lesenswerten Fahrbericht von 1994 [5] in Erinnerung gerufen. Und in diesem Zusammenhang ist der gleichermaßen lesenswerte Eintrag “How the 999 Nearly Killed Ducati” [6] zu empfehlen, der das bis jetzt nachwirkende Trauma in der Ducati-Mannschaft um die Nachfolge der Stil-Ikone 916 beleuchtet. Technisch wie stilistisch konservativ gestaltet, verhalf dann seit 2006 die 1098/1198 Ducati wieder in die Erfolgsspur.
Best of Breed?
Mit der 1199 Panigale will sich Ducati die Krone in der Supersportler-Kategorie erobern, die sie aufgrund des prinzipiell benachteiligten V-Twins eigentlich gar nicht beanspruchen dürfte. Aber in all ihren Leistungsparametern ist die Neuerscheinung von der Papierform her der bisherigen Benchmark BMW S1000 RR ebenbürtig, wenn nicht überlegen. Da mit den ellenlangen Insektenfühler-artigen Rückspiegeln auch eine immer von deutscher Erbsenzählerseite her kritisierter Mangel erfolgreich abgestellt sein wird, kann jetzt nur noch der fehlende Soziusplatz – wie hier im Eintrag “Überquadratisch. Praktisch. Gut? Ducatis radikale Superbike-Revolution” vom 28. Juni 2011 [2] vorhergesagt – den Sieg in der MOTORRAD-1000-Punkte-Testwertung gefährden. Wie sehr die Ducati-Mannen über die aus ihrer Sicht völlig belanglosen deutschen Eingaben in Sachen Alltagstauglichkeit gelitten haben müssen, enthüllt dieser MOTORRAD-Videoclip von Ducatis Presse-Launch anläßlich des 69. Salone Internazionale del Motociclo in Mailand vom 7. November 2011 mit dem deutsch sprechenden Marketing-Chef Diego Sgorbati, wenn er bei Minute 8:16 sagt, dass der Erfolg der 2009 vorgestellten Multistrada 1200 für sie endgültig festgestanden habe, als MOTORRAD deren Rückspiegel für tauglich befunden hätte. Sehr sympathisch, der Mann!
Überraschungen beim Superquadro-Motor
In einer professionell ausgespielten Salami-Taktik, hatte Ducati schon vor einigen Wochen die Details zu ihrem neuen Superbike-Kraftwerk enthüllt. Details und Analyse hier bei Asphalt & Rubber[7] vom 10. Oktober 2011. Wie eingangs schon erwähnt, ist es eher ungewöhnlich, das Tor zur “Innovationshölle” so weit zu öffnen, dass man sowohl ein brandneues Triebwerk als auch ein dazugehörendes Motorrad from scratch aus entwirft. Die Besonderheit der 1199 Panigale ist aber, dass Monocoque und Motor aufeinander abgestimmt sein mussten, um das angestrebte, im MotoGP-Rennsport schon eingesetzte, aber dort umstrittene und inzwischen wieder verworfene Konzept auch in der straßentauglichen Serienversion umzusetzen. Rennsportentwicklungen auf die Straße zu bringen ist Ducatis Markenkern und damit ein Quell der Anziehungskraft der Produkte, auch wenn dies mitunter Einschränkungen in der Alltagstauglichkeit bedeutet.
Einige dieser konsequent dem Rennsport entnommenen Detaillösungen ist der noch aufwendiger konstruierte Ventiltrieb, der nach wir vor von Ducati als einzigem Hersteller mit Desmodromik “zwangsgesteuert” wird, jetzt nicht mehr über Zahnriemen, sondern viel präziser über eine Zahnradkaskade getrieben wird. Dies hat wohl auch die ganz erstaunliche Erweiterung des Wartungsintervalls der Mascchine auf 24.000 Kilometer ermöglicht. In Verbindung mit der sehr großen Bohrung der überquadratischen Zylinder wird bei hoher Drehzahl der innermotorische Luftwiderstand zu einem noch limitierenderen Faktor, der durch den Einsatz einer Vakuumpumpe zur Motorinnenentlüftung bekämpft wird. Um dem Anlasser die bisherigen Qualen zu ersparen, gegen die enormen Widerstände der hochverdichtenden Brennräume anzuorgeln, wurde kurzerhand ein alter Trick aus uralten Motorradzeiten – zeitgemäß automatisiert –wieder eingesetzt: nämlich ein Dekompressionsventil für die Startphase, das einen wesentlich kleineren und leichteren Startgenerator ermöglicht.
Man sieht an diesen Beispielen, wie befreiend es sein kann, nach Jahrzehnten der kontinuierlichen Evolution (die bisherigen Triebwerke basieren auf dem 500-ccm-V-Twin der Pantah aus dem Jahre 1979) einen disruptiven Schritt nach vorn zu wagen. In der Tat, geblieben ist motorseitig nur das Grundlayout des bei Ducati “L-Twin” genannten 90°-V2, der aber zur Kompaktifizierung der Massen und des Radstands um weitere 6° aus der Horizontale rücken musste und die schon erwähnte markentypische Desmodromik als Alleinstellungsmerkmal, deren technische Komplikation allerdings witklich Vorteile gegenüber den konventionell federgetriebenen Ventilrückstell-Kinematiken konventioneller Lösungen der Wettbewerber bringt.
Im Ducati-Portfolio spielt der Superquadro momentan noch eine Solistenrolle. Eine auf 849 oder 749 ccm reduzierte Superquadro-Variante für eine “kleine” Panigale-Schwester für 2013 liegt in der Logik der bisherigen Baureihen, aber ein Einsatz in den weiteren Modellen würde das bisher so charakteristische Erscheinungsbild der Ducatis mit ihren typischen Trellis-Stahlrohrrahmen als einem bisher ebenfalls markentypischen Alleinstellungsmerkmal endgültig killen.
Monocoque-Chassis
Hier gibt es wenige Überraschungen. Auf Basis der in der MotoGP schon eingesetzten Technik und der in [2] schon erwähnten Patentanmeldung war es eher die Materialfrage (Aluminiumguss), die für das Monocoque noch offen stand, das gleichzeitig als Airbox dient.
"Double-use:" Die piekfeine Airbox, die eigentlich das Monocoque ist. Foto: Ducati
Die Ironie und wirklich peinlicher Marketing-Fail an dieser radikal rennsportlichen Architektur ist, dass die Rennsportabteilung Ducati Corse in der MotoGP von dieser Lösung unter ihren verzweifelnden Top-Fahrer Valentino Rossi justament mit Markteinführung der 11999 davon Abstand nimmt und zu einer vollkommen konventionellen “japanischen” Alu-Brückenrahmen-Konstruktion zurückrudert.
Für die Fahrbarkeit der 1199 Panigale muss das erst mal gar nichts heißen, da die Monocoque-Materialien einerseits Aluguss ist beim MotoGP-Prototypen eine sehr schwer zu berechnende und bekannter- und eigentlich auch gewolltermaßen unflexible Leichtbaulösung ist und andererseits normalsterbliche Fahrer einer Straßenmachine nie auch nur in die fahrdynamischen Grenzsphären eines Valentino Rossi vorstoßen werden, an denen das Layout scheitert. Allerdings läge es in der Logik der Entwicklung, dass eine spätere 1199 Panigale “R” als SBK-Homologationsreihe ebenfalls ein solches Kohlefaser-Monocoque erhielte. Ducati hat jetzt noch eine komplette Saison Zeit, darüber nachzudenken, da ein Einsatz der 1199 Panigale ein der Superbike-WM erst für 2013 vorgesehen ist.
Mechatronisches Zauberwerk
Durch die kompetente und umfassende Elektronikaufrüstung der 2009 bzw. 2010 eingeführten Modelle Multistrada 1200 und Diavel waren Wettbewerber wie potentielle Kunden des neuen Ducati-Supersportlers eigentlich vorgewarnt. Doch das Elektronikfeuerwerk, das jetzt von der Panigale schon in der Standard-Ausführung abgebrannt wird, hätte auch ich persönlich nicht erwartet.
Es gibt nichts, was die bisherige Benchmark BMW S1000 RR nicht ebenfalls an Bord hätte, die als kompletter Neueinsteiger in das Supersportler-Segment allerdings auch eine Bringschuld zu tragen hatte. Und sogar ein wenig mehr, wenn ich jetzt alles richtig zusammentrage: DDM (Ducati Riding Modes Race,Sport und Wet), ABS, in der 1199 S DES (Ducati Electronic Suspension), DTC (Ducati Traction Control), DQS (Ducati Quickshifter System, also: Schaltautomat), EBC (Engine Break System, ungefähr: Motorschleppmomentkontrolle), RbW (Ride-by-Wire, also: komplett elektronischer Gaszug), DDA+ (GPS-unterstützter Ducati Data Analyzer, also: Fahraufzeichnung- und wertung), adaptive Instrumentenanzeige durch hochauflösendes TFT-Display und ein für Motorräder weltexklusives LED-Fahrtlicht in der S-Version. Darüberhinaus ist der 1199 für einige Zeit exklusiver Einsatz von Brembos Monobloc M50-Vorderradbremsen sowie das Aufziehen des Diablo Supercorsa SP in einer speziellen Hinterraddimension von 200/55 x ZR17 auf natürlich speziellen Marchesini-Felgen vorbehalten. Ach, auch die Ducati-typisch rasselnde Trockenkupplung wurde zugunsten einer konventionellen im Ölbad laufenden Anti-Hopping-Lösung ersetzt.
Also, das ist schon ein ziemliches Komplettpaket, das vorkonfiguriert in den drei übergeordneten Fahrmodi daherkommt, wenn man sich nicht in den Millionen von individuellen Einstellmöglichkeiten vertiefen möchte. Als typisch deutscher Beobachter erscheint mir allerdings der Einsatz des supersportlich-leichten ABS-Systems von besonderer Bedeutung. Denn auch auf einem Supermotorrad ist der Fahrer vor affektiven Schreckbremsungen mit garantiertem Vorderradblock nicht gefeit.
Beauty Queen?
Wie es in dem DNT-Beitrag “How the 999 Nearly Killed Ducati”[6] so schön heißt, ist der Anspruch an Ducatis Königsklasse auch immer, die Schönheitskönigin in der Klasse zu stellen:
Nevertheless whilst the 916 through 998 range was the most attractive sportsbike on the market at the time, the arrival of the 999 passed the mantle of most beautiful to the very stylish Yamaha R1. Sacrilege!!
Da bin ich wie eine wachsende Anzahl von Bewundern der Arbeit Pierre Terreblanches an der 999/749 allerdings schon immer anderer Ansicht gewesen, wobei ich ein wenig daran zweifle, ob es wirklich gutes Karma einbringt, das Design eines Supersportlers am Vorbild der New York Central Commodore Vanderbuilt Stromlinien-Lokomotive aus den 1920ern [8] auszurichten.
Mit der Ducati 1199 Panigale ist Ducati sogar ein größerer und disruptiverer Design-Meilenstein gelungen, denn wie oben beschrieben führte das radikale Techniklayout zu einer Vielzahl neuer teils zwingender Gestaltungslösungen. Das agressive Doppelscheinwerfer-Antlitz der 916 sowie der 1098 wurden wieder aufgenommen und stellen inzwischen eine fast markentypische signature dar, wie sie auch in der Multistrada 1200 zum Einsatz kommt. Die LED-Tagleuchten verstärken den aggressiv-animalischen Look noch in Verbindung mit den aufgeblähten Nüstern der jetzt direkt mit den Leuchten verbundenen Lufteinlässen.
Die nach dem 999-Zwischenspiel wieder eingeführte Einarmschwinge läßt aus von der rechten Fahrzeugseite ein fast frei schwebendes Rahmenheck zu, das durch die für die Massenkonzentration günstige Verlegung der Schalldämpfer unter den Motor allerdings komplett neu gestaltet werden musste. Die Grafik der LED-Rücklichter zeichnet gewissermaßen den Phantomschmerz der jetzt fehlenden Underseat-Auspuffenden nach. Im Übergang zum Motor-Monocoque unter dem Fahrersitz erscheint mir allerdings die Verbindung aus der Perspektive von schräg vorn zu fragil zu sein. Das ganze Motorrad erhält dadurch etwas Kopffüßlerisches – was durch die Insektenfühler von Rückspiegeln nicht gemindert wird.
In der direkten Seitenansicht erscheinen mir die zwei übereinander liegenden horizontalen Trennlinien zwischen Tank und Verkleidung einerseits und der durch den großen Entlüftungsschlitzes eher unelegant. Ein Zeichen dafür, dass hier die Formgebung nicht effektiv ästhetisch gelungen ist, ist für mich, dass – ganz Ducati-untypisch – die in Sonderkriegsbemalung (Abbildungen oben) lackierte 1199 Panigale S Tricolore wesentlich attraktiver als die unifarbenen Schwestern rüberkommt. Dafür ist das Tricolore-Design allerdings besonders rassig, schön und begehrenswert. Und da stehe ich nicht allein:
Ducati’s newly-unveiled 1199 Panigale Superbike has been awarded the title “Most Beautiful Bike of Show” at the EICMA 69th International Motorcycle Show in Milan, Italy. Over 13,800 passionate show visitors participated in the voting organised by Italian motorcycle publication, Motociclismo, with the stunning new Ducati 1199 Panigale attracting a massive 53.4% of votes, followed by the MV Agusta F3 with 17% and the Husqvarna Nuda 900R with 3%. [9]
Es sollte für Ducati der Höhepunkt der 150-Jahr-Feiern der Republik Italien darstellen. Die Präsentation der Ducati 1199 Panigale ging nun ausgerechnet mit Italiens schwärzester Stunde in der Euro-Schuldenkrise einher, die der stolzen Nation fremde Finanzaufseher und ein neue Not-Regierung bescherte. Wie erfolgreich Italien wirklich sein könnte und wie Italien sich selbst wahrgenommen fühlen möchte, wird in diesem ästhetisch wie technischen Meilenstein von Motorrad deutlich. So ist die 1199 Panigale nicht nur “Exorzistin” der Ducati-eigenen Traumas von der bisher missglückten Emanzipation von der Ikone 916, sondern auch Ausdruck einer Absetzbewegung von bisherigen “italienischen Krankheit”, unter der Ducati in den 1990er Jahren noch selber allzu sehr betroffen gewesen ist.
Wem das zu weit her geholt ist dem sei das “Checkmate”-Werbevideo ans Herz gelegt, an dem am Ende nicht umsonst der schwarze König von der roten Beauty Queen von zur Strecke gebracht wird:
"Experimentalraumschiff PHOENIX" oder wie ich sie heute nenne: "Der irre Ständer". Vor 31 Jahren beim ersten WeltCon in Mannheim habe ich diese RZ weniger als phallographisches Manifest denn als eine Fingerübung in Rasterfolien-Semimanifestation verstanden. Dank an Oliver Scholl!
PERRY RHODAN ist im Gegensatz zu Star Trek oder Star Wars ein vorrangig literarisch geprägtes Science-Fiction-Universum. Dennoch durchzieht den graphischen Auftritt des Perryversums ein einzigartiges “Look & Feel”, welches auch dem Uneingeweihten signalisiert, hier nicht irgendeiner beliebigen, sondern der “größten SF-Serie” zu begegnen.
Welche sind aber diese prägenden Bausteine einer “visuellen DNA” des PERRY RHODAN-Universums? Wie haben sie sich über fünfzig Jahre hinweg herausgebildet? Werden sie Bestand haben? Sind es die typischen Kugelraumer, die schnittigen Space-Jets oder die multifunktionalen Shifts? Sind es der Mausbiber Gucky, die weißblonden Mähnen der Arkoniden oder ein doppelköpfiger Zünder-Mutant? Ist es das langjährige Wirken Johnny Brucks, im Verbund mit den einzigartigen Werken der ersten Risszeichnergeneration um Rudolf Zengerle, Ingolf Thaler und Bernhard Stoessel oder haben erst ihre Nachfolger diese Gestaltungsprinzipien verstanden, verstetigt und fortentwickelt?
Das Phänomen der “Risszeichnung” in der PERRY-RHODAN-Serie ist unter den besonderen Bedingungen des Ökosystems “Heftromanserie” in den 60er Jahren zur Blüte gekommen. Die PR-Risszeichnungen sind einzigartig fanatstischen Genre selbst und sind eines der herausragenden Alleinstellungsmerkmale der Serie selbst geworden. Auch wenn “spekulative Technikillustrationen” im Rahmen populärwissenschaftlicher Magazine immer auch eine techno-utopische Aussage beinhalteten, war es die einzigartige institutionelle Einbettung der Risszeichnungen als einem die Handlungswelt vertiefenden und beglaubigenden Romanheft-Extra, das sich über die PERRY RHODAN-Serie hinaus als eine eigenständiges ästhetisches Illustrationsgenre emanzipiert hat. Erst heute im Zeitalter der bildmächtigen globalisierten SF-Imperien gibt es Vergleichbares – und teilweise Besseres – in anderen SF-Welten zu bewundern. Was kann die Risszeichnung heute noch für die PERRY RHODAN-Serie leisten?
Auf Einladung von Klaus N. Frick moderiere ich am Samstagnachmittag, 1. Oktober 2011, 16 Uhr die Veranstaltung Space Design – Die Risszeichner und ihr Bild vom Perryversum[1] im Musensaal des Kongresszentrums Rosengarten in Mannheim.
Auf dem Podium sind PERRY RHODAN-Autor und nebenberuflich offizieller “Risszeichnerversteher” Hubert Haensel [2], Lars Bublitz[3] als Vertreter der aktuellen 3D-Risszeichner-Generation sowie Oliver Scholl [4], der vor über 30 Jahren mit dem Risszeichnen begann und heute als Production Designer für große Hollywood-Produktionen arbeitet – aber auch weiterhin für PERRY RHODAN Titelillustrationen verfertigt.
PHUTURAMA-Überraschungsgast ist Jürgen Rudig [5], der die Gelegenheit des WeltCons 2011 zum Anlass genommen hat, nach beinahe drei Jahrzehnten wieder Kontakt zum Perryversum aufzunehmen. Nachdem er vor einigen Wochen hier im Interview auf PHUTURAMA [6] einiges zum Werdegang des umstrittenen Abfangjäger der neuen “Redhorse”-Baureihe verraten hat, werde ich ihn am Samstag fragen, wie er als Nicht-PR-Fan überhaupt zum Risszeichnen gekommen ist.
Ich bin froh, dass das Thema Risszeichnungen damit wieder auf einer WeltCon-Agenda prominent vertreten ist; der schon anfang des Jahres von Klaus Frick gewählte Titel “Space Design” zeigt, dass ursprünglich auch ein weiter gefasstes Motto angedacht worden sein könnte.
Immerhin können so doch einige Risszeichner mehr die WeltCon-Bühne entern, aber eben nicht alle in Mannheim am Wochenende anwesenden Risszeichner. Da bin ich doch froh, dass ich mit Ausnahme ‘meines’ PHUTURAMA-Überraschungsgastes Jürgen Rudig die Auswahl nicht treffen musste.
Work in Progress als Blueprint. Die BATTLE-Version des 3D-Korvettenprojekt-Vollkonstruktion für den PERRY RHODAN-WeltCon2011 als klassische Risszeichnung getarnt. Mit freundlicher Unterstützung von Holger Logemann.
Zum eher unspektakulären 45-jährigen Bestehens der PERRY RHODAN-Serie hat der frühere Verlagsleiter Eckhard Schwettmann im Jahre 2006 ein dafür um so spektakuläreres Coffee-Table-Buch namens All-Mächtiger! Faszination Perry Rhodan – Hintergründe aus 45 Jahren Perry Rhodan. (Hannibal, Höfen (A) 2006, ISBN 978-3-85445-259-1) herausgegeben, in dem sehr viele Facetten des Phänomens PERRY RHODAN beleuchtet wurden. Auch einige der für die Serie tätigen Illustratoren wurden hierzu interviewt. Mein Gespräch mit Eckhard Schwettmann (“ES”) gibt einige Hintergrundinformationen zum Thema Risszeichnungen preis, von denen ich überzeugt bin, dass sie auch heute noch zutreffen.
Am kommenden Samstag, den 1. Oktober 2011 habe ich die Freude während des WeltCons 2011 ein Podiumsgespräch zum Thema RZs bei PERRY RHODAN moderieren zu dürfen. [1] Als Einstimmung auf Space Design – Die Risszeichner und ihr Bild des Perryversums habe ich dieses Interview von vor fünf Jahren ausgegraben und dank der großzügigen Unterstützung von Holger Logemann darf ich diesen Beitrag mit der exklusiven Vorabschau auf die jüngste Work-in-Progress-Zusammenstellung seines Korvettenprojekts[2] illustrieren.
Holger hat auf der ersten PHUTURAMA-Veranstaltung – dem Salon Talk während der transmediale.10 FUTURITY NOW! seine Arbeit am Korvettenprojekt schon einmal vorgestellt [3]. Am Samstag wird das Risszeichnen in 3D durch Lars Bublitz repräsentiert, der im Unterschied zu Holger gewissermaßen virtuelle Schnittmodelle konstruiert und darüberhinaus nicht die klassische PR-Referenztechnik , sondern meist exotische extraterrestrische Raumschiffe aus den unendlichen Weiten des Perryversums zu seinem Thema gemacht hat. [4]
Im folgenden mein “Interview mit ES”:
Wann hattest Du das erste Mal Kontakt mit PERRY RHODAN? Erinnerst Du Dich noch an Deinen ersten Roman?
Als Kind in den 1970er Jahren bin ich durch die psychedelisch-bunten PERRY – Unser Mann im All-Comics zum ersten Mal mit PERRY RHODAN in Berührung gekommen. Mein erster Roman war in der 3. Auflage Band 190 “Admiral Gecko”. Sicherlich ein glücklicher Einstieg mit Clark Darlton. Der faszinierendste Satz war die nonchalant hingeworfene Bemerkung über den “anderthalbmillionenfachen Überlichtfaktor” des Lineartriebwerks des am Mereesgrund geparkten Mausbiberkreuzers TRAMP – übrigens als 60-Meter-Kugelraumer der Risszeichnungs-Klassiker schlechthin! [Siehe oben!]
Wann hast Du damit begonnen, technische Zeichnungen zu machen, insbesondere Raumschiffe? Worin gründet sich Deine Faszination für Risszeichnungen?
Die ersten technischen Zeichnungen waren “Eigenkonstruktionen” gespeist durch die Früh-Siebziger TV-Ausstrahlungen von Raumschiff Enterprise und Raumpatrouille. Mit den PERRY-Comics kam dann auch die Faszination für die Risszeichnungen, die es in dieser Form und Tradition nur bei PR gibt.
Was war dann Deine erste Risszeichnung, die in PERRY RHODAN veröffentlicht wurde?
Willi Voltz hatte irgendwann im Jahre 1981 ein Einsehen, nachdem ich ihn mehrfach mit großformatigen Risszeichnungen immer neuer 60 Meter-Korvetten-Baumuster bombardiert hatte, und er veröffentlichte eine dann allerdings wesentlich kleiner dimensionierte KOGGE der Kosmischen Hanse auf der Leserkontaktseite.
Wieviele Risszeichnungen hast Du denn bis heute gemacht und welche davon ist Dir die Liebste? Nikki Frickels SORONG von 1987?
Die Anzahl der Arbeiten weiß ich selber nicht so genau, vielleicht ein Dutzend. Die SORONG ist dann doch zu “essayistisch”, um mein Favorit zu sein. Meine Lieblings-RZ möchte ich eigentlich erst noch zeichnen.
Von Dir und Günter Puschmann gibt es ja auch eine schöne Abhandlung über die Geschichte und Entwicklung der Risszeichnung. Seit dem 1965 in PERRY RHODAN-Heftroman Nr.192 das legendäre Beiboot vom Typ “Kaulquappe” als erste Risszeichnung von Rudolf Zengerle erschienen ist hat sich ja einiges gewandelt, optisch wie technisch. Wie war die Entwicklung und was kommen da noch für Innovationen auf uns zu?
Die Risszeichnungen stellen eine eigene Form der graphischen Kunst dar. Kein Illustrator, Titelbildgestalter oder Designer wird auf Anhieb eine richtige RZ wie in PERRY RHODAN hinbekommen. Und dies nicht nur aus handwerklichen Gründen, mangelnder Geduld oder schlechtem räumlichen Vorstellungsvermögen. Wie Arthur C. Clarke in seinem “dritten Gesetz” (aus: Profiles of The Future) schon 1961 formulierte, “any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic”, so benötigt eine gelungene Risszeichnung einen gewissen Zauber, der die Illusion einer Blaupause aus der Zukunft zum Leben erweckt.
Da es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist, die “Magie” des zukünftigen technischen Fortschritts realitätsgetreu zu phantasieren, flüchteten die Zeichner sich in die zweckfreie Schönheit der Technik selbst: Die Risszeichner strebten nach “Aggregate-Ästhetik”, nach komplexen, flirrenden und ineinander verwobenen Formen, die auf einer Symbolebene das behaupteten, was doch niemals einzulösen ist. Viele Anregungen aus der “realen” Kunstgeschichte wurden dabei verarbeitet, so dass Spielarten wie “Konstruktivismus”, “Pop-art” und “Minimalismus” identifiziert worden sind.
Auf der “semantischen” Ebene zerflossen phantastische 6D-Technologien zu “Zahnpastaaggregaten”, und die Kosmokratentechnik bekam im wahrsten Sinne des Wortes einen “Zauberhut” aufgesetzt. Auf der “silistischen” Ebene wurde der Zeichenstrich selbst expressionistisch, weniger technisch und fast comic-artig, um anzudeuten: “Wir wissen es auch nicht!” Heute ist die Situation der RZs unübersichtlicher. Haben früher alle Zeichner im Prinzip das selbe Handwerkszeug benutzt, so hat sich die Szene in den letzten Jahren aufgespalten: Es gibt noch einige “Nostalgiker” die mit analogen Techniken des mittleren 20. Jahrhunderts arbeiten; andere, die Hybridwege zwischen klassischer Bleistiftvorzeichnung und “elektronischem Abtuschen” eingeschlagen haben (was den Vorteil der nachträglichen Kolorierung beinhaltet) Und es gibt die “3D-Risszeichner”, die nicht mehr zweidimensionale Zeichnungen anfertigen, sondern virtuelle Konstruktionen. Bei letzteren gibt es wiederum Mischformen.
So “klinken” einige Zeichner einen konventionell gezeichneten 2D-Aufriss perspektivgenau in das gerenderte Still ihres dreidimensionalen Raumschiffkörpers. Andere arbeiten wie die Set-Designer im Hollywoodfilm: sie statten nur die “Räume” ihrer 3D-RZ mit Technik aus, die in der Schnittebene liegen — “Potemkinsche Raumer” also. Und es gibt die “Vollkonstrukteure”, die mit State-of-the-Art CAD/CAM-Systemen die fiktiven PERRY RHODAN-Raumer fast bis zum letzten Interkom-Anschluss durchkonstruieren, so dass man die Datei nur noch an die lunaren Raumwerften schicken müsste, um in Produktion zu gehen.
Das ist natürlich die Zukunft. Denn als die ersten Risszeichnungen 1965 in PR veröffentlicht worden sind, waren sie auf der Höhe der Zeit der damaligen Technischen Visualisierung, was man beim Stöbern in alten Auto- und Flugzeugzeitschriften sehen kann. Heute veröffentlicht ein Automobilhersteller ein speziell ausgerendertes “Röntgenbild” seiner 3D-Konstruktionsdaten in photorealistischer Perfektion. Mit den aufwendigen Arbeiten der “Vollkonstrukteure” wird das wieder möglich sein. Doch wo sollen diese Arbeiten überhaupt angemessen veröffentlicht werden? Ist im Heftroman für diese Art von Technischer Visualisierung überhaupt die richtige Plattform?
Vor ein paar Jahren haben wir uns in Berlin getroffen und Du hattest mir die c-base gezeigt, ein Gebäude, das fest in der Hand von Computer-Freaks war. Dort gab es ja auch mal eine PERRY RHODAN-Veranstaltung und die rz-c-onference. Worum handelt es sich bei der c-base [5]genau?
Da ist ein geheimer Wunsch von mir wahr geworden: Ein Haufen hochbegabter, verrückter Science Fiction- Fans habe ihre Version eines zukünftigen Raumstation in die erlebbare Realität umgesetzt. Waren meine Zeichnungen vorher nur in 2D, so ist die c-base eine “Risszeichnung” in sieben Dimensionen – Raum und Zeit, das fiktive c-base Universum drumherum, die “reale” Gemeinschaft im Verein und viele Projekte quer durch alle künstlerischen und kulturellen Disziplinen dazu, wie z.B. die Zusammenarbeit mit dem befreundeten Chaos Computer Club, der sich ja selbst als Gemeinschaft “galaktischer Datenreisender” versteht.
Auf dem PERRY RHODAN-WeltCon in Mainz [1999] hast Du neben Deiner ersten Farb-Risszeichnung auch die Pilotgeschichte einer PERRY RHODAN-Comic-Adaption präsentiert. Wie kam es denn dazu?
Ich bin über die PERRY-Comics “sozialisiert” worden, darüberhinaus mag ich die amerikanischen Superhelden-Comics, so dass ich dies dem Perryversum wieder zurückgeben möchte – mit all den zeichnerischen Ideen und Fertigkeiten, die ich schon in meinen Risszeichnungen und Datenblättern entwickeln konnte. Allerdings ist der Schritt zu einem wirklich professionellen Comic schwer – alle Comicfans unter den PR-Lesern werden das bestätigen können. Die angesprochenen Pilotgeschichte konnte ich [damals] nicht realisieren. Aber ich arbeite gerade jetzt wieder [an einer Comic-Adaption] , um dieser Idee endlich Gestalt zu geben.
Beruflich bist Du ja im grafischen Bereich tätig. Bei der Gestaltung der SOL, dem Mitgliedermagazin der PERRY RHODAN-FanZentrale, warst Du ja anfangs auch dabei. Wie kam das?
Klaus Bollhöfener hat mich anlässlich der ersten rz-c-onference in Berlin einfach gefragt!
Was macht für Dich die Faszination der PERRY RHODAN-Serie aus?
Drehbuchverfasser und PERRY RHODAN-Autor Hartmut Kasper macht Maske, Quelle: Florianfilm
Zum 50-jährigen Jubiläum von PERRY RHODAN – “Die größte Science-Fiction-Serie” sind eine Menge Dinge auf den Weg gebracht worden. Inhaltlich am Interessantesten der Launch eines alternativen literarischen Parallelkosmos namens PERRY RHODAN NEO[1], das eigentlich nur an der indiskutablen visuellen Aufmachung scheitern könnte. Im Transmitterfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit auf das Jubiläum ist auch ein Dokumentarfilm [2] realisiert worden, der mit viel Sorgfalt und Zuneigung versucht, die Komplexität des “diskreten Massenmediums” PERRY RHODAN und seiner Anhänger- und Mittäterschaft allgemeinverständlich zu erzählen.
Und dies ist schwierig, denn PERRY RHODAN als popkulturelles Phänomen sah sich seit der 68er-Zeit einer als unfair empfundenen verleumderischen Presseberichterstattung [3] ausgesetzt, die in ihrer Reflexartigkeit der heutigen immer wieder aufgefrischten “Killerspiel-Debatte” gegenüber der Computerspiel-Industrie ähnlich ist. Im Schatten dieser das Romanheftgenre abgelösten Gefährdung der Jugend erscheint PERRY RHODAN als “Pulp Fiction” heutzutage in einem schon fast romantisch verklärten Spätnachmittagsglanz einer untergehenden Gutenberg-Galaxie, die einen Film wie Perry Rhodan – Unser Mann im All als öffentlich-rechtlich unterstützte ARTE-Filmproduktion in Kooperation mit WDR und ZDF erst ermöglicht hat.
Fast tröstlich, dass da jemand bei der renommierten Hamburger Wochenzeitung Die Zeit die journalistischen Beissreflexe aus der Gewohnheit des Archiv-Palimpsests heraus nicht unterdrücken konnte und dem Autor Johannes Thumfart die Filmrezension zu einer veritablen Publikumsbeschimpfung gegenüber Machern und Lesern der PERRY RHODAN-Serie als Kleinbürger-Vorhöllenbewohnern ausartete. Im Internet-Zeitalter kam das in Zusammenspiel mit der üblichen “Hitler”-Referenz beim kreativen Headline-Basteln einer Einladung zum “Shitstorm” durch das Fandom gleich, dem zumindest die inkriminierte Schlagzeile auf Zeit Online weichen musste. Die Rezension ist trotz ihres aggressiv-überheblichen Tonfalls lesenswert und nicht grundfalsch in einigen Beobachtungen des PR-Soziotops. [4]
Die Drehbuchautoren Claudia E. Kraszkiewic und Hartmut Kasper (unter dem Pseudonym Wim Vandemaan [5] einer der interessantesten und lesenswertesten aktuellen PR-Autoren) und Regisseur André Schäfer (u. a. Lenin kam nur bis nach Lüdenscheid [6]) versuchen der Vielfalt des Serien- und Vermarktungs- und Publikumskosmos über eine gleichermaßen vielfältige visuelle Metaphorik auf den Grund gehen zu wollen. So dient als Vorspann eine eindrucksvolle CGI-/SFX-Odyssee der SOL aus Michael Peters und Dirk Schulz’ Renderfarm, die sich aus kosmischen Weiten den niederrheinisch-irdischen Gegebenheiten nähert (und einer ähnlich angesiedelten Title Sequence in der aktuellen Green Lantern-Verfilmung kaum nachsteht). Es gibt den auralen Erzählstrang, in dem dem Zuhörer die literarische und ethische Qualität einiger ausgewählter kanonifizierter PERRY RHODAN-Textpassagen durch die Hörbuchstimme Josef Tratniks nahe gebracht werden.
Und es gibt Autor Hartmut Kasper als Michelin-Männchen-artiges Raumfahrer-Teletubby, der die immerwährende kosmische Entrückung des Intensiv-Serienlesers im auffäligsten Kontrast zur schnarchnasigen bundesrepublikanische Tristesse im Nachkriegswiederaufbau-zerstörten der heutigen “heiligen Stadt Köln” nachstellen kann; sich im weiteren Verlauf der Schnittfassung aber in seiner wunderbar gelungenen Pseudo-Variablen Kokonmaske[7] als Heinrich Böll unterschiedliche Gesprächspartner und Situationen durchläuft – am Unterhaltsamsten im Vurguzz-seligen Zusammentreffen mit ARD-Literaturpromoter Denis Scheck (druckfrisch!) und visuell am Eindrucksvollsten mit Risszeichner und Production Designer Oliver Scholl [8] beim Besuch eines Flugzeugfriedhofs in der kalifornischen Mojave-Wüste, der in seiner melancolischen Skurrilität selbst fast eine Szene aus einem William-Voltz-Roman hätte stammen können (“Terrapatrouille”).
Und um die eingängig archaische Figurenkonstellation der Serien-Frühzeit (siehe auch dann PR NEO) mit dem naiven Blick der damaligen jugendlichen Rezeption kurzzuschließen, erleben wir Hartmut Kasper darüberhinaus im Dialog mit einem Jung- und Idealleser vorm Modellbau-Diorama mit den Spielfiguren-Set des durch VPM löblicherweise geschassten HJB-Verlags (wegen “Kaiserfront”- nicht Kaiserkraft-tümelnden Proto-Nazi-SF-Gebarens, vielleicht deshalb auch die Satire [?] auf PERRY RHODAN-Chefredakteur Klaus N. Frick).[9]
Diese Aufzählung macht das Dilemma augenfällig, ein so komplexes Thema, das auf den ersten Verdacht hin doch reichhaltige visuelle Anknüpfungspunkte zu bieten scheint, in eine persistente Bildsprache zu überführen. Ansatzweise gelingt dies durch die Wahl der Gesprächsschauplätze, die die Extremsituationen der Serienprotagonisten zitieren: die Einöde fremder Wüstenplaneten, die Eishöllen sonnenferner Schauplätze, die Hinterlassenschaften weltkriegerischer Abgründe – ironischerweise philosophieren die beiden österreichischen Autoren auf der Flakbunker-Plattform des ehemals großdeutschen Wiens über die Annäherung ans Piefketum via PERRY RHODAN. Seltsam die hermetisch metallisch vom Tageslicht abgeschnittene Atmosphäre bei den sehr kurzen Interview-Anteilen mit Klaus N. Frick bei VPM in Rastatt. Was wollen die Bilder hier uns suggerieren – eine Raumschiffleitzentrale zur Steuerung der umfangreichen Franchise-Systeme oder doch ein Hauch von Führerbunker?
Hier scheitert Regisseur André Schäfer grandios, dem es mit seinem preisgekrönten Lenin kam nur bis nach Lüdenscheid gelungen ist, die universelle Geschichte der deutschen Nachkriegslinken aus der Super-8-Nahperspektive einer Familienarchäologie heraus zu erzählen. Der Film ist unentschieden hinsichtlich seines Anliegens: Geht es um die Weltraum- und Science-Fiction-Thematik als eskapistisches Alltags- und jugendliches Ohnmachtsvehikel? Geht es wie eingangs des Films kurz und hoffnungsvoll aufscheinende Erzählperspektive darum, die bundesrepublikanische Mentalitätsgeschichte ungefiltert im populärindustriellen Massenmedium zu rekonstruieren? Geht es um die fünfzigjährige Geschichte dieser literarischen Singularität und ihrer keineswegs alleinstehenhenden Fankultur? Geht es um die seltsame Diskrepanz der Autoren zwischen bürgerlich-kleinstädtischer Lebensentwürfen und kosmologisch raumgreifenden Allmachtsphantasien?
Ich weiß es nicht. Für alle wichtigen Einzelaspekte des großen Mosaiks des Phänomens PERRY RHODAN werden im Laufe des Films Zeugen vorgestellt: die Autoren, die Sammler, die Leser, die Redakteure, die Literaturkritiker, die Sprecher, die Risszeichner, die Modellbau-Freaks, die Forscher und Astronauten, die Hinterbliebenen der “Gründerväter”, der U-Boot-Kommandant. Je länger der Film läuft, desto ratloser aber werde ich und gleichzeitig sympathischer wurden mir all die Menschen, die in diesem großen Gewebe mitwirken und gestalten.
So ist auch ein hintergründiges Kompliment für die PERRY RHODAN-Serie, wenn es klugen und erfahrenen Filmemachern nicht gelingt, die Einzigartigkeit und Magie dieser Serie einzufangen: PERRY RHODAN – Der Erbe des Universums ist so viel größer als Lenin. Oder in den Worten des ungenannten Frankfurter Buchmesse-Cosplay-Mädchens im Abspann – und damit schulterzuckendes Eingeständnis des eigenen Scheiterns an der Materie: “Wer ist eigentlich dieser Perry Rhodan?”
"Der Erbe des Universums" im NEO-Schein. Mein Geburtstagsgeschenk an alle PERRY RHODAN-Freunde.
“»Perry Rhodan […] führt hinein in die vor uns liegenden Jahrtausende und über Abgründe hinweg zu Sternenreichen, die seit Millionen von Jahren auf uns warten. Er führt in eine Zeit, in der die Nachkommen der Menschen von der Erde nur noch wie von einem Mythos reden und ein vereinsamter Planet um eine längst erloschene Sonne kreist, die einst Mittelpunkt des Universums war.« [1]
So lautete der Vorspann zu PERRY RHODAN #1 Unternehmen “Stardust” [2][3], mit dem heute auf den Tag genau vor 50 Jahren das Perryversum mit einer geradezu spektakulären Exposition explodierte: Bodenständige noch Nahezu-Science-Fiction über die Möglichkeiten der damals 1961 gerade erst von John F. Kennedy proklamierten ersten bemannten Mondladung traf auf eine hochspekulative Space Opera, in der kühn nichts weniger als die kosmologischen Grundannahmen zu Bühnenelementen eines nicht risikofreien kosmischen Erbantritts werden.
Im Laufe der Expansion dieses Perryversums [4] hat sich gezeigt, dass diese Vision des ersten Hefts, im bis Band 1000 durchgehaltenen Claim “Der Erbe des Universums” auch angezeigt, handlungsbestimmend war – ein “Zwiebelschalenmodell” kosmischer Evolutionsstufen und ein Großsteuerungssystem namens Moralischer Code bilden einen weitaufgefächerten kosmischen Hintergrund, vor dem sich die Schicksale und Geschichten um die Protagonisten entspinnen.
Aber der wahre Clou ist, dass das Storyuniversum durch eine Identifikationsfigur des 20. Jahrhunderts initiiert ist, durch den der Leser diese ferne Zukunft immer auch mit heutigen Augen betrachten kann.
Ein ganzer Figurenkosmos hat diesen Haupthelden Perry Rhodan und seinen Buddy Bully inzwischen durch die Jahrzehnte und Jahrtausende der Hefthandlung begleitet. Und nach Vorbild der großen Superhelden-Dioramen wie z. B. von Alex Ross’ DC-Serie Kingdom Come[5] habe ich hier zum 50. Geburtstag meine ganz persönliche Auswahl von fünfzig für mich das Perryversum repräsentierender Figuren getroffen (HiRes nach dem Klick aufs Bild oben).
Vieles, wie die “fünf Säulenheiligen” (Chefredakteur Klaus N. Frick) ist selbsterklärend, aber eine Menge der Figuren, die nicht so eindeutig kostümiert sind wie im üblichen Superhelden-Comicgewerbe, werden selbst für “terkonitstählerne” Hardcore-PR-Fans nicht auf Anhieb zu entziffern sein.
In diesem Bild hat der Zeichner also versteckt (Mehrfachnennungen sind möglich):
50 Charaktere aus 50 Jahren PERRY RHODAN
19 Zellaktivatorträger/Innen — mit einer Ausnahme aus kosmokratischen bzw. den Beständen von ES
17 Terraner/Innen, darunter ein Pseudo-Neanderthaler
9 Mutant/Innen — 6 davon Angehörige des Terranischen Mutantenkorps, davon ein Halbcyno
5 Angehörige der arkonidischen Oberschicht, einer davon ein “Sternenbastard”
4 Roboter bzw. Androiden, einer davon aber ursprünglich als Mensch geboren
4 Umweltangepasste terranischer Abkunft
3 Arkoniden-Abkömmlinge, aber einer davon bloß als Maske
2 von Perry Rhodans Söhnen und eine seiner beiden Töchter
2 Halbmutanten/Innen, einer davon ist Gefühlsmechaniker und Cappin-Spürer
2 Höchstedle des Großen bzw. des Göttlichen Imperiums der Arkoniden
2 Kosmokraten/Innen bzw. deren Inkarnationen
1 ehemaliger Sotho der Milchstraße in Tarnidentität
1 ehemaliger Mächtiger in Gestalt eines Puppenspielers
1 Restsubstanz von supraheterodynamisches Wesen
1 Superintelligenz bzw. deren Inkarnation
Wer alle Figuren errät (halbintelligente Zier- und Haustiere gelten nicht), die Liste einfach via Kommentarfunktion an mich schicken. Ich gebe die mögliche Fehlerquote bekannt. Der erste komplette Vorschlag erhält das dann farbige Diorama als Ausdruck in Schön zugesandt. Wer einen Fehler in dieser Tipp-Aufstellung entdeckt und belegen kann, natürlich auch.
Lösungshinweis I: Figuren mit starken gemeinsamen Bezügen stehen meist beieinander – in einem Fall könnte dies aber zu einem Fehlschluss verleiten.
Lösungshinweis II: Wenn Figuren durch klar zuzuordnende Kostüme oder Zubehör in der Serie charakterisiert wurden, hoffe ich, das auch berücksichtigt zu haben.
Bonus-Aufgabe: Benennt die 5 im Bild dargestellten bedeutenden PERRY RHODAN-Raumfahrzeuge des klassischen Perryversum sowie das des NEO-Universums mit Namen (wer hier alles richtig hat, kann oben eine fehlende Figur kompensieren):
Beiboote gelten nicht
Es sei denn, das Beiboot hätte sich selbst einen Namen gemacht
Ein 7. der ‘Raumfahrzeuge’ hat in der realen Welt an der Grenze zum Weltraum gekratzt – es sollte auch im fiktionalen Perryversum einmal von Perry Rhodan geflogen sein (Stichwort: Risikopiloten)
"Ich weiß nicht, wer mich fährt, noch Straßenlage – doch ich komm' wieder, keine Frage." Quelle: BidSpotter
Die Geschichte des “rosaroten Panthers” ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Ursprünglich nur einer der typischen 1960er Vorspänne (“Opening title sequence”), entspann sich daraus ein monströses Franchise [1], das sich von den Realfilm-Kriminalklamotten praktisch komplett gelöst hat. The Panther of all Spin-offs.
Der namensgebende Pink Panther ist in den Filmen nur ein fiktionaler superwertvoller Diamant, der als MacGuffin auch gar nicht immer in den insgesamt elf Filmen auftaucht. Zusammen mit Henry Mancinis genialem musikalischem Intro-Samtpföter wurde die Zeichentricksequenz [2] so erfolgreich, dass das beauftragte Cartoon-Studio DePatie-Freleng Enterprises den Zuschlag für eine eigene Cartoon-Show erhielt, die in den 1970ern auch im ZDF-Vorabendprogramm lief. Mit “Paulchen Panther” und “Inspektor Closeau” als Hosts für diverse neue und recyclte Zeichentrickformate. [3]
Im Raelfilmvorspann der ersten Staffel 1969/70 taucht das Panthermobile auf, das nicht nur für den Dreh, sondern zu Promotion-Zwecken als Showcar genutzt worden ist und selbst als Spielzeugartikel zu erwerben war [4]. Das originale Showcar ist bis zum 14. Oktober 2011 bei Robson Kay & Co via BidSpotter [5] zu ersteigern.
Die Credits für das ursprüngliche Design werden bei Wikipedia Bob Reisner zugesprochen, der damit die dfuturistischen 1970er SF-Italo-Gleiter-Silhouetten à la Maserati Boomerang, Lamborghini Countach[6] oder Lancia Stratos im Concept Car-Bereich vorweg genommen hätte. Interessant ist die Anlehnung an das Fighter-Motiv in Verbindung zum Limousinen-Service: Der im Wind sitzende Pilot benötigt definitiv einen Helm, was sehr cool aussieht, aber gleichzeitig ist er bloß Chauffeur für zwei Cartoon-Figuren.
Bei BidSpotter werden die Credits an Jay Ohrberg von California Show Cars Company vergeben. Das muss keine Widerspruch beinhalten, da das Design für die Cartoon Show das eine, der Custom-Bau mit allen Extras etwas anderes ist:
“Designed by Hollywood’s master vehicle designer Jay Ohrberg, best known for having produced the world’s most coveted movie and television vehicles including, Knight Rider K.I.T.T., Back To The Future DeLorean, 1966 Batman Batmobile, 1989 Batman Batmobile, Dukes of Hazzard General Lee, Starsky & Hutch Ford Gran Torino and even the Flintstones cars, the Pink Panther car is a seminal work by this master Hollywood artisan.” [5]
Keine schlechte Gesellschaft, in der sich das Panthermobile da tummelt. Ohrberg ist unter “Jay Ohrberg’s Hollywood Cars” nach wie vor aktiv. [7]
Das Panthermobile ist hier im Vorspann der Pink Panther Show zu bewundern – im Gegensatz zur deutschen Show leider ohne das Henry-Mancini-Stück zur Untermalung (wahrscheinlich zu cool fürs junge Sonntagsmorgenpublikum):
Die beste RZ aller Zeiten? Terranische Raumschiffe: Abfangjäger der neuen "Redhorse"-Baureihe, Rudig 1981; Source: PR I, Band 1059 Fels der Einsamkeit
Als ich mir im Spätherbst 1981 an einem üblichen Dienstagmorgen vor Schulbeginn PERRY RHODAN 1. Auflage Band 1059 Fels der Einsamkeit am Kiosk kaufte, war ich wie alle vier Wochen insbesondere auf die neue Risszeichnung gespannt. Noch vor Ort schlug ich mit klopfenden Herzen die Heftmitte auf – und sofort wieder zu! Mein Leben war von diesem Augenblick an ein anderes. Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas Seltsameres und Fremdartigeres gesehen als Jürgen Rudigs Abfangjäger der neuen “Redhorse”-Baureihe.
Zu dieser Zeit hatte ich schon erste Veröffentlichungen meiner eigenen Risszeichnungen als “Leser-RZ” erlebt, aber mir wurde in diesem Moment schlagartig klar, dass ich meinen Zeichenstil komplett umstellen müsste, um wirklich die Risszeichnungen anzufertigen, die ich mir bis dahin aber nur vage vorzustellen gewagt hatte.
Das ist jetzt beinahe 30 Jahre her, und im Zuge der Wiederbelebung dieses Blogs und des bevorstehenden WeltCons in Mannheim zum 50-jährigen Jubiläum der PERRY RHODAN-Serie, hielt ich es für eine gute Idee, Kontakt mit Jürgen Rudig zu suchen, um ihn selber zu fragen, wie er das damals erlebt hat.
Wir haben kurz miteinander telefoniert und dann das folgende Interview per E-Mail geführt.
Jürgen Rudig ist Jahrgang 1958, verheiratet, hat zwei halbwegs erwachsene Kinder, ist seit fast 30 Jahren im öffentlichen Dienst, inzwischen Schulleiter einer weiterführenden Schule irgendwo im Hinterland von Aachen. Er hatte seit vielen Jahren kaum noch Kontakt mit PERRY RHODAN und dem SF-Fandom; um so mehr freut es mich, dass er hier Rede und Auskunft stand.
Wie kam es zum “Redhorse-Jäger” – einer Risszeichnung, die auch im Vergleich zu Deinen vorhergehenden Veröffentlichungen heraussticht?
Vor über 30 Jahren stand ich mitten im Studium in Aachen – Kunst und Deutsch – und wollte eventuell Lehrer werden. Mittelprächtig begabt, hatte ich neben dem Studium schon etliches verkaufen können und verdiente für einen Burschen von Anfang Zwanzig gar nicht mal schlecht damit: Ölportraits nach Vorlage, Buchillustrationen für kleine regionale Verlage, Raumabwicklungen für Architekten, und – ja, klar –natürlich diese Risszeichnungen. Wie ich dazu kam, ein andermal. Es soll hier und heute ja vornehmlich um diesen vermaledeiten “Redhorse-Jäger” gehen, der wohl einigen Staub aufgewirbelt hat und mehr oder weniger das Ende meiner kurzen „Karriere“ als Risszeichner einläutete.
Der “Redhorse-Jäger” war ja eine typische freie Arbeit, die mit dem “Perryversum” nur über die Namensgebung verbunden war, aber sie war nicht im luftleeren Raum entstanden?
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ich das Ding bei Jim Burns abgekupfert haben soll – oder zumindest davon motiviert gewesen wäre. Da ist sogar ein bisschen was dran, obwohl ich beim Zeichnen dieses Jägers – soweit ich das in der Erinnerung noch zusammenbekomme – schwer unter dem Eindruck von einer anderen illustren Größe der damaligen Zeit stand: Möbius.
Brian Lewis' "Gaussi-Jäger" aus MECHANISMO. Die RZs darin (es gibt noch eine des Robots im Vordergrund) sind über Chris Burns' Bilder gedubbt. Source: RZJ und Sky-Ffy
Das nehme ich Dir sofort ab. Die beiden verdutzten Piloten vorm Jäger könnten direkt aus Der hermetischen Garage gesprungen sein!
Über die ersten Hefte von Metal Hurlant – “Schwermetall” – stolperte ich beim Stöbern im Katalog des Volksverlages, das muss 1979 gewesen sein. Die Möbius-Storys haben mich umgehauen – so locker, so dermaßen gekonnt, erkennbar mit einem Filzer hingeworfen … In einer Rezension las ich dann, dass Möbius angeblich einfach drauflos zeichne, ohne konkreten Plan, ohne Vorzeichnung, eben einfach mit dem Filzer. Das wollte ich unbedingt auch versuchen, mit eigenen Comics, aber eben auch mit Risszeichnungen. Ich malte und zeichnete zu der Zeit sowieso sehr viel, probierte nun auch in dieser Richtung herum, entwarf großformatige Arbeiten – halb Comic, halb Risszeichnung –, kombinierte die Rotring-Feder mit dem Edding 3000. Die Ergebnisse waren eher zwiespältig und liegen zum Teil heute noch in meiner Sammlung vergraben.
Das ist eine gute Nachricht!
Ich nicht weiß, warum es eine gute Nachricht sei soll, dass ich noch alte RZs irgendwo vergraben habe. Ist es gut, dass die noch da sind? Oder ist es gut, dass sie so tief vergraben sind?
Spaß beiseite – ungefähr zur gleichen Zeit war ich dann mal wieder zu Besuch bei Willi Voltz zu Hause, um eine eher übliche Risszeichnung – ich weiß nicht mehr welche – abzuliefern, sauber eingerollt in eine Papprolle und fast 300 Kilometer im klapprigen Käfer meiner Freundin transportiert. Willi Voltz fand die RZ prima und nahm sie sofort, und dann schenkte er mir etwas: Die beiden Bände Mechanismo und Planeten Story – beide Bücher habe ich heute noch.
Ich will nicht abstreiten, dass Jim Burns auf mich Eindruck machte (wie gesagt: ein bisschen was mag dran sein, dass der Gaussi-Jäger meinen “Redhorse” beeinflusste), aber – großes Aber! – siehe oben: Zu dem Zeitpunkt waren meine Ideen von halbschrottigen Raumschiffen, die von skurrilen Typen mehr improvisiert als geflogen wurden, von Raumfahrzeugen, denen man einen harten Arbeitsalltag ansah und die mit lockerer Hand eher hingeworfen als durchkonstruiert schienen, schon sehr weit gediehen.
OK, aber eine Risszeichnung ist zuerst einmal keine Comic-Illustration. Gewisse “Freiheiten” hattest Du Dir in Deinen Arbeiten bis dahin immer herausgenommen, aber eben auch durch Deine handwerklichen Qualitäten z. B. beim Setzen von Schraffuren so geschickt kaschiert, dass der Eindruck der technischen “Blaupause” immer erhalten geblieben ist. Beim “Redhorse-Jäger” hatte ich den Eindruck, dass Du uns sagen wolltest: “Das mache ich jetzt extra schief und absurd!” Damit keiner mehr auf die Idee kommt, das Ding könnte es wirklich mal geben.
Ich war den von mir zumindest so empfundenen Bierernst der Szene um die Rhodan-Serie eigentlich satt. Als begeisterter, kritischer Leser von Lem, den Strugatzkis u. a. hatte ich den Hype (so würde man heute wohl sagen) um diese Weltraumserie sowieso nie ganz begriffen. Auch wollte ich eigentlich weg von der ganzen Matrosen-Ästhetik mit “Decks”, “Geschützpforten”, “Kommandoständen”, “Außenschotts” etc. Ich war immer der Meinung, Raumschiffe – und die Typen, die sie fliegen – sehen in zweitausend Jahren ganz anders aus als für uns vorstellbar. Raumschiff Orion mit seiner ganz eigenen Ästhetik imponierte mir z. B. viel mehr als der ganze Star Wars-Kram.
Also, langer Rede kurzer Sinn: Es musste mal was Spaßiges, was Anderes her, und zudem lebte ich in dem Gottvertrauen darauf, dass man mir auch “so was” im wahrsten Sinne des Wortes abkaufen würde, vielleicht sogar Verständnis dafür hätte, mich unterstützen würde … Ansonsten konnte ich ja noch genug alte Omas und Kommunionskinder in Öl produzieren.
Interessant, dass Du doch deutlich in Distanz zu PERRY RHODAN gehst – gerade, wenn man Deine urtypisch “rhodanesken” Arbeiten Shift und Korvette (Neukonstruktion) aus den PR-Sonderheften betrachtet.
Ich hatte meinen Adlatus Ralf, einem Freund aus der Abi-Zeit, der mir als verschworener Rhodan-Freak von Anfang an immer gerne die notwendigen Daten lieferte. So entwarf ich also an einem Nachmittag den “Redhorse- Jäger” (und ich meine ehrlich, ich hatte da den Gaussi- Jäger zumindest bewusst schon wieder vergessen oder verdrängt). Hatte ich bisher immer sorgfältig tagelang mit Bleistift vorgezeichnet und dann Stück um Stück mit Rotring nachgearbeitet, so warf ich jetzt nur die Perspektive und ungefähre Abmessungen Freihand mit Bleistift aufs A2-Papier, um dann sofort mit Rotring und Edding loszulegen. Wobei diese Kombination im Original nie besonders gut aussah, denn der Rotring trocknete tiefschwarz, der Edding eher matt und gräulich.
Schade, dass bei dieser “integrativen” Zeichentechnik im Gegensatz zur “klassischen” Methode mit dem Abtuschen auf Transparentpapier die oft sehr ausdrucksstarke Bleistiftvorzeichnung vernichtet wird.
Nun, wie dem auch sei: das Ding wurde sehr schnell fertig, sah im Original ulkig und gar nicht mal schlecht aus. Und Ralf konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, noch mehr Blödsinn einzubauen. Er prophezeite mir weise vorausschauend, ein schlimmes (Risszeichner)-Ende. Aber ich war nicht mehr zu halten: Das Ding musste auf den Postweg, mal gucken wie der Verlag reagiert … Ich könnte ja auch gerne wieder, falls gewünscht, was “Normales” zeichnen, dachte ich ganz naiv damals.
Als ob Deine anderen RZs jemals “normal” gewesen wären …
Tja, das “Ding” wurde dann tatsächlich also gedruckt, ohne vorher mal nachzufragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte, oder ohne das “Ding” einfach kommentarlos zurückzuschicken mit der freundlichen Bitte, mich erst mal gründlich auszuschlafen und dann noch mal anzurufen … Ich hätte es verstanden. Den Mut des nun Verantwortlichen in der Redaktion – ich habe heute keine Ahnung mehr wer das war – bewundere ich ehrlich, die “etablierten” Rhodan- Leser mit dieser “ernstgemeinten Spaßnummer” von einem Raumvogel zu düpieren. Immerhin war ich bis dahin nur im PERRY RHODAN-Magazin gedruckt worden.
Also meines Wissens war Willi Voltz doch zu dieser Zeit der dafür Verantwortliche. Ich kann mich an ein Risszeichnertreffen im Oktober 1982 bei Willi in Heusenstamm erinnern – für mich damals ein Ritterschlag, dabei sein zu dürfen – , bei dem Du auch gewesen bist und noch faszinierendere Arbeiten präsentiert hast.
Aber neben diesem Gag und all dem Spaß, den Ralf und ich damit hatten, bleibt für mich bis heute der durchaus ernst zu nehmende Hintergrund und Anlass für diese Zeichnung, das eigentliche Unvermögen, sich wirklich vorzustellen, wie solche Fahrzeuge in ein- oder zweitausend Jahren aussehen und funktionieren mögen. Wer sich einen Raumjäger als perfektionierten Düsenjäger vorstellt und einen Raumkreuzer als Weltkriegsschlachtschiff mit Laserkanonen und großen Heckflossen, begeht m. E. den gleichen Fehler wie die phantastischen Autoren des 18. bzw. 19.Jahrhunderts, die auch nur ihre Kenntnisse von Technik lediglich in die Zukunft umsetzten. Wobei Jules Verne der Sache noch am nächsten kam, aber letztlich ja auch der Ästhetik seiner Zeit verhaftet blieb.
In diese Kerbe haut auch das Leitmotiv dieses Blogs: “Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.” (Arthur C. Clarke)
Aber andere – und vielleicht bessere – Risszeichner als ich erkannten das ja auch, setzen diesen Gedanken aber vielleicht etwas “sozialverträglicher” (sprich “serienverträglicher”) um.
Jedenfalls war meine kurze Karriere als “Shooting-Star” der RZ-Szene (vom “technisch und zeichnerisch höchst begabten Leser”, siehe PERRY RHODAN-Sonderheft Nr.1, hin zum Sündenfall der Szene mit anschließendem “Rauswurf”) damit im Großen und Ganzen beendet. Eine Zeichnung konnte ich noch – ohne großen Erfolg offensichtlich – unterbringen (Raumschiff der Namenlosen, PR 1123); der RZ-Zeichnerclub reagierte, soweit ich mich erinnere, gar nicht mehr auf mich bzw. ließ mich ab da links liegen … Dann war’s das für mich wohl gewesen mit PERRY RHODAN.
Ich kann nicht bestätigen, dass Du wegen des “Redhorse-Jägers” auf eine schwarze Liste gekommen wärest. Im übrigen war der der Konsens schon ab Mitte 1983, dass diese RZ ein wichtiger Meilenstein für das Genre gewesen ist – vielleicht vegleichbar mit dem Punk-Klassiker Never Mind the Bollocks der Sex Pistols.
Viel mehr bleibt nicht zu sagen – dass der gute alte “Redhorse-Jäger” offensichtlich eine sehr kontrovers geführte Diskussion auslöste, finde ich im Nachhinein – ich erfuhr erst Jahre später zufällig davon, als mich das alles längst nicht mehr interessierte – eigentlich gar nicht schlecht.
Irgendwann in diese Zeitspanne fiel – soweit ich es erinnere – der für mich und wohl auch viele andere unerwartete und sehr bedauerliche Tod meines Mentors Willi Voltz. Er war ein sehr sympathischer, zurückhaltender und intelligenter Mann, den ich damals sehr mochte und bewunderte.
Aber zu dem Zeitpunkt lockten schon ganz andere Aufträge und – im wahrsten Sinne – neue “Perspektiven”.
POSTED BY Gregor Sedlag AT August 23rd 2011 5 Comments