“Charaktermasken” – Batman vs. Bane in The Dark Knight Rises

Wie glücklich Batman über Nolans Interpretation des Dunklen Ritters ist, wissen wir nicht. Moebius hingegen hat den Superhelden-Comic wenig hinzugefügt – das macht ihn ein wenig humanoider.

Die erste Teaser-Welle [1] zu The Dark Knight Rises rollt, mit der im näcshten Jahr Chris Nolan’s BatmanTrilogie zu einem Abschluss gebracht werden könnte. Kommerziell und visuell habe die beiden bisherigen Filme Batman Begins und The Dark Knight überzeugt (letzterer mit dem Hype um den kurz vor Filmstart verstorbenen Heath Ledger über Gebühr angeheizt), aber mich haben die Filme konzeptionell nicht so glücklich gemacht.

Warum? Erstens das Batman-Universum rund um die Metropole Gotham City [2] kann mich nicht recht überzeugen. Vieles mutet realistisch-modern an, anderes verbleibt in einer seltsamen Zeitkapsel zwischen Chicago 1930 und DC-Manierismen wie dem Arkham Asylum. Der Horror heutiger lateinamerikanischer Megastädte ist viel schrecklicher als es sich das artifizielle Superhelden-Hollywood zu erträumen wagt. (Lest mal meine Kurz-Reviews über Miss Bala by Gerardo Naranjo und Dias de Gracia by Everardo Gout dazu.) [3]

Um so interessanter, dass Batmans Gegenspieler in The Dark Knight Rises (2012) Bane [4] sein wird, eine Figur mit Catcher-Maske, wie sie in den Barrios als reale Superhelden und Anwälte der Armen und Entrechteten auftreten. Vielleicht kommt da über getwistete Wege noch ein wenig Gesellschaftskritik ins Fledermauskostüm.

Zweitens kranken die meisten Superhelden-Verfilmungen immer noch am “Yes, we can!”-Syndrom, das es schon für einen Erfolg hält, die Comic-Charaktere und ihr Setting einigermaßen stimmig zu adaptieren. Für die Fans ist dabei wichtig, wie kommt das Kostüm rüber, wie schaut der Superschurke aus. Chris Nolan hat in diesem Bereich sicherlich einige Batman-Assets kongenial interpretiert, aber trotzdem keine eigenständige filmische Relevanz erlangt.

Gerade in The Dark Knight ist der Joker so übernatürlich perfekt in seinen Plots, dass es letztlich genauso Fantasy ist wie Tim Burton’s Rummelplatz-Verfilmungen Batman (1989) und Batman Returns (1992). Letzerer mit dem Star-Villains Michelle Pfeiffer als Catwoman und Danny de Vito als Pinguin ist immer noch mein Favorit.

Ich hätte Nolan den harten Schnitt in den ‘Realismus’ empfohlen: “Keep it to Wayne Enterprises!” Das heißt wie beim wirklich genialen Batmobil und der aller Gothic Novel-Klischees beraubten Batcave im zweiten Teil hätten alle spitzen Ohren und Fledermausflügel gestutzt und nur als situativ gegebene ‘pseudoreale’ Gadgets ausgegeben werden sollen. Das Cape als ausfaltbares Notflug-Device und die Öhrchen für Echolot-Ortungen bei Nacht und Nebel.

Und ansonsten hätte die Filmreihe noch stärker an bestehende Real-Thriller herangeführt – mit der Tarnidentität des omnipräsenten Jet-Set-Milliardärs sicherlich kein dramaturgisches Problem. Wie man ein postmodernes Superhelden-Märchen samt dessen inhärenter selbst-referenzieller Dekonstruktion erzählt, davon zeugt Tarantinos Kill Bill.

Überhaupt brauchen alle bisherigen Superhelden-Verfilmungen, um zu funktionieren, ein dramaturgischen “Genre-Wirtskörper”, der dem Superhelden-Klamauk die Leitplanken setzt. Wenn dieses Wirts-Genre clever gewählt, klappt es dann ganz leidlich mit den Verfilmungen: Spider-Man ist Coming-of-Age, X-Men sind Hanni und Nanni im Mutanten-Internat, Captain America [5] wird wohl ein Kriegsfilm als Trägergenre nutzen.

Und so sind es die “nicht-kanonischen” Superhelden-Filme, die ohne Ballast auf der breiten Brust überzeugend aufspielen können – sei es hard-boiled wie Kill Bill oder Travestien wie Hancock oder Kick-Ass. Ich warte aber weiter auf einen Comic-Superhelden-Verfilmung, die sich als Film wirklich emanzipiert. The Dark Knight Rises wird es wohl nicht sein.

[1] Giga.de über The Dark Knight Rises samt einem eingebetteten Teaser
[2] WP: Wissenswertes über Gotham City
[3] KINO – German Film: Cannes 64: Regarding Un Certain Regard
[4] WP: Bane, der fiktionale DC-Charakter
[5] PHUTURAMA: Captain America – Der Erste Rächer ist ein Mann von Gestern

Das Batman-Motiv von Mœbius habe ich dem sehr empfehlenswerten Blog “quenched conciousness” aka theairtightgarage.tumblr.com entnommen, dessen Mission folgende ist: “Exploring the work of Jean Giraud, aka Gir, aka Moebius.” Hier direkt auf die Archiv-Gallerie gelinkt.

“Einstürzende Überbauten” – Anmerkungen zu Frank Schirrmachers Die Revolution der Zeit

XKCD antwortet Frank Schirrmacher

Frank Schirrmacher arbeitet weiter an seiner Stellung als raunende Kassandra des kommenden digitalen dunklen Zeitalters. In seinem gestrigen FAS-Artikel [1] tarnt er eine allerdings tagesmedienpolitisch motivierte Stellungnahme, in der die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Partei ist, mit einem theoretischen Überbau, dessen Grundannahme lautet, dass der gesamtgesellschaftliche Sinnstiftungsapparat durch disparate Zeitwahrnehmungen aus den Fugen gerät.

“Es spricht einiges dafür, dass künftige private, intellektuelle und soziale Konflikte an dieser neuen Unstimmigkeit von Internet-Zeit und Realzeit ausbrechen werden – die Zeitungen und das Fernsehen sind auch hier nur die Vorreiter.”

Wie eingangs schon erwähnt, geht es Frank Schirrmacher um eine Argumentation im Konflikt der Verlage gegen die publizistische Konkurrenz durch die mehr als nur programmbegleitenden News-Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sender. Als gefühlt Einziger in der oft so einmütig auftretenden Netzgemeinde, halte ich diese Position für sehr nachvollziehbar und wünsche den Verlegern viel Erfolg.

Die Zeitdisruptionen halte ich aber für kein neuartiges, oder gar grundsätzlich umwerfendes Ding.  Der von Schirrmacher beschriebene “Neue-Zeiten-Mensch” begegnet uns schon als Phileas Fogg in Jules Vernes Globalisierungsklassiker In 80 Tagen um die Welt. Und nach wie vor ist die Einführung einer allgemeinen Internet-Standardzeit als Ersatz der GMT bzw. UMT nicht so recht vom Fleck gekommen. Oder haben je Twitter, Facebook und Co. Swatchs “Beat Time” [2] implementiert?

In der gestrigen FAS gibt es auch eine tolle ultrakompakte, aber um so unterhaltsamere und informativere Würdigung anläßlich des Marshall McLuhan-Centennials durch Claus Pias, und auch Schirrmacher bezieht sich auf McLuhans erweiterten Medienbegriff sowie das Verblassen der Gutenberg-Galaxis in der digitale Revolution. [3]

Ich finde, dass eine Antwort auf Schirrmachers Symptombeschreibung eher sein müsste, dass mit dem Aufkommen des digital vermittelten globalen Dorfes mit seinen Kirchturmpolitiken (“Während in Facebook noch Face-to-Face-Videochats gefeiert werden, starten in Google+ schon echte Hangouts.”) die traditionellen Mittlerinstanzen der massenindustriellen Zeitalters kollabieren – die Presse, die Post, die Werbung. Dies findet in der Journalisten-gegen-Blogger-Kontroverse und dem sich ankündigenden Zeitungssterben nur schneller statt als in anderen Sphären wie dem “maschinenlesbaren Bürgeramt” oder der Liquid Democracy, wo Datenübetragungen nicht nur Meinungsäußerungen sind – sondern Hoheitsakte.

Es ist auch nicht wahr, dass die “digitale Revolution” zuerst die Zeitungsverlage gefressen hätte; die inzwischen jahrzehntealten Klagen der “Content Mafia” erst aus der Musikbranche, jetzt auch Film und Fernsehen belegen dies.

Auf dem weltweiten Dorfplatz werden die wichtigen Gespräche zwischen den unmittelbar interessierten Akteure wieder selbst geführt – ohne Agenda-Setting und Filterinstanzen wie Werbung und Presse. Das Zeitalter der Massenmedien wird vergehen “wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.” [4]

Aber eine wichtige Stimme bleibt wichtig, wie diese Reply auf einen Blogeintrag in faz.net belegt.

[1] Frank Schirrmacher, Die Revolution der Zeit, FAS vom 17. Juli 2011
[2] WP: Swatch Internet Time
[3] Claus Pias, Medium, roh und blutig, FAS vom 17. Juli 2011, S. 24
[4] WP: Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge: eine Archäologie der Humanwissenschaften (Zitat: S. 462, Frankfurt am Main 1991

Captain Kirk’s “Farewell to the Shuttle”

Ron Cobbs Abgesang auf das Space Shuttle-Programm: Challenger aus NASA & The Exploration of Space

Ron Cobbs Abgesang auf das Space Shuttle-Programm: Challenger aus NASA & The Exploration of Space

Es ist ja gerade mal etwas stiller geworden um die letzte Space Shuttle-Mission #STS135 der Atlantis. Deshalb zur Erinnerung zwei schöne Fundstücke, die zum Teil schon durch die Netze gejagt wurden, aber immerhin noch nicht von mir.

Die Shuttle-Dokumentation [1] mit William Shatner mag vielleicht bei The Big Bang Theory’s Sheldon Cooper und anderen Original Language-sozialisierten Trekkies zu Verzückungen führen, für mich ist Shatners Originalstimme nicht so tiefen-limbisch verdrahtet. Dennoch halte ich diese Doku in ihrer sehr amerikanischen Machart für sehenswert – allein schon wegen der fehlenden Werbeunterbrechungen. Und für ein Propaganda-Video wartet sie sogar mit einigen kritischen Untertönen auf.

“The 80 minute documentary takes you through the history of the Space Shuttle program, which first got underway during the Nixon administration. The film spends ample time looking at the design challenges NASA engineers faced in trying to create a reusable shuttle, while also showing early prototypes. Once the design phase was complete, construction began on the first orbiter in June, 1974 and wrapped up two years later. NASA called its first craft Space Shuttle Enterprise, paying homage to the fictional Starship Enterprise. Next, it was time to boldly go where no one had gone before.”

[1] Open Culture: William Shatner narrates Space Shuttle Documentary

Auf der immer wieder überraschenden Conceptships-Seite [2] für Amateur-Raumschiff-Designer habe ich die oben abgebildete wunderbar melancholische Pastellbuntstift-Challenger [3] von Ron Cobb [4] gesehen, die mich zurückbeamt ins Jahr 1976, als ich erste Fotos von den damaligen Flugversuchen der Fähre auf der 747 in der Flug Revue gesehen hatte. Für mich war immer klar, dass dies der erste richtige Schritt ins Weltraumzeitalter war – mit echten, wiederverwertbaren und “nachhaltigen” Raumschiffen! Jetzt kehren wir wieder zurück in die pionierhafte Ära der Wegwerf-Raketen.

[2] Concept Ships – Die Pr0n-Site für Amateur-Raumschiffdesigner
[3] Amazon-Link zum Bildband NASA & the Exploration of Space
[4] Ron Cobbs Website. Production Designer z. B. für Alien und Indiana Jones]

Die schönste Risszeichnung aller Zeiten? Joachim Luetkes Saturnraumschiff der Choolks

Seit 1965 werden die PERRY RHODAN-Heftromane durch die “Risszeichnungen” bereichert. Mitte der 1970er Jahre etablierte sich eine New Wave von jungen Zeichnern, die als Fans von den großen Vorbildern Rudolf Zengerle, Bernhard Stoessel und Ingolf Thaler angezeckt worden waren. Unter diesen Newcomern ist Joachim Luetke bis heute ein Enigma geblieben, da es nur die oben abgebildete Arbeit des Saturnraumschiffs der Choolks [1] zu geben schien. Eine RZ, die als “Jahrhundertwerk” Maßstäbe in Sachen Faszination, Fremdartigkeit und zeichnerischer Perfektion gesetzt hat.

Für mich als Einsteiger ins “Perryversum” waren die im jugendlichen Comic-Ableger PERRY – Unser Mann im All [2] zweitveröffentlichten RZs auf hellcyan-farbenen Fond so prägend, dass es auch das Stylesheet dieses Blogs mit prägt. Die ersten Risszeichnungen des Pioniers Rudolf Zengerle waren noch sehr erkennbar kopierte Strichumsetzungen der stilprägenden “Space Race”-Reihe des US-Magazins Colliers [3], die später drei offenkundig professionell ausgebildeten Illustratoren der ersten Dekade emanzipierten sich aber schnell von solchen Vorbildern und prägten die für viele PR-Fans so wichtige visuelle Dimension der “Technosphäre” des Serienkosmos. Ein konzeptionelles Manko vieler der damaligen Risszeichnungen war allerdings, dass die drei Zeichner ihrem jeweiligen individuellen Technikdarstellungsstil verhaftet waren, den sie dem jeweiligen RZ-Sujets aufprägten. Die in der PR-Serie geschilderte Technik des Hilfsvolks der Superintelligenz KAISERIN VON THERM – den Choolks [4] – war allerdings so fremdartig und fortgeschritten, dass die von Joachim Luetke gewählte “metaphorische” Bildsprache in der Technikdarstellung wie auch im teils hyperdetaillierten Zeichenstil eine ganz neue Dimension der PERRY RHODAN-Risszeichnung darstellte.

Seine fremdartigen “Bildmetaphern” für die Choolk-Technologie sind beim näheren Hinsehen allerdings gar nicht so außerirdisch: die Triebwerksprojektoren entstammen dem Biologiebuch, Kapitel “Facettenauge”, Teile des Aggregategewusels sind technischen Handbüchern des Kfz-Gewerbes entnommen, man erkennt einen Ventiltrieb. Die Gesamtkomposition ist durch den steten Wechsel von großzügigen Weißflächen und kleinteiligen Aggregaten durchdrungen. Die realistische Fluchtpunktperspektive der Kugelzelle ist etwas verschoben, aber bedeutete im Vergleich zu den von Berhard Stoesssel weitgehend durchgesetzten iso- bzw. dimetrischen Projektionen einen Gewinn an Lebendigkeit und Anziehungskraft. Der Gipfel der Frechheit: Das Raumschiff heißt ja gerade “Saturnraumschiff” – vom Namen gebenden Ring (einer Antriebsprojektionsfelderscheinung) ist in der eigentlichen RZ (die kleine Beizeichnung aus PR 1. Auflage, Band 827, 1975 [5] ist hier nicht abgebildet) aber nichts zu sehen. Vielleicht war die Risszeichnung ja sogar vor der Exposé-Beschreibung in Arbeit gewesen und wurde erst später dem halbwegs passenden Sujet zugeordnet?

Es bliebe ein Rätsel, wenn ich nicht im Zuge der Vorbereitungen zur “Space Design”-Veranstaltung beim PR-WeltCon 2011 [5] ein wenig nach Joachim Luetke gesucht hätte und wesentlich schneller als erhofft auch fündig geworden wäre. Joachim Luetke ist der Phantastik als Gestalter treu geblieben und hat sich über die Jahrzehnte als ein renommierter Cover-, CD-, DVD-Artist im morbiden Dark Metal-Genre einen Namen gemacht. [6] Als ich seine Bilder, teils in der Tradition H. R. Gigers stehend, sah, war mir sofort klar, dass er der Schöpfer des Saturnraumschiffs der Choolks sein müsste.

Ich habe Kontakt mit Joachim Luetke aufgenommen und hoffe in der nächsten Zeit Antworten auf einige brennende Fragen um diese Arbeit, aber auch um weitere Vorgänger- und Nachfolgewerke zu erhalten.

[1] RZJ: Von Freihand zur Folie, Folge 11 – RZ-Historie von Günter Puschmann, mir und später von Georg Joergens redigiert und fortgesetzt
[2] Perrypedia: PERRY – Unser Mann im All
[3] Der italienische SF-Experte Fabio Feminò über die Colliers-Specials, mit den ursprüngliche Vorbildern der PERRY RHODAN-Risszeichnungen
[4] Perrypedia: Choolks
[5] Materiequelle: Scan der Heftmitten-RZ
[6] YouTube: Joachim Luetkes Kanal Dark Asylum-TV mit weitergehenden Links zu seinen Arbeiten

“Sag zum Abschied leise Failure.” NASA Abandoned Projects by New Scientist

Lockheed-Martins X-33: In Schönheit sterben. Illustration: NASA-MSFC

Jetzt, wo alle Welt langsam aber sicher Abschied vom Space Shuttle nimmt (offizieller Fach-Hashtag: @STS135 – STS steht in NASA-Speak für Space Transportation System; 135. Mission), und wir merken, dass da doch etwas liebgewonnen Techno-Ikonenhaftes seinen Abschied nimmt, tritt der New Scientist in seiner hier [1] verlinkten Galerie der schon am Boden liegenden Space Agency noch mal U-Bahn-Schläger-mäßig gegens Haupt.

“Failure to launch: abandoned NASA projects (21 August 2009)
Facing budget and technical concerns, the agency may abandon the development of its Ares rockets – amateur space historian Henry Spencer looks back at other big NASA projects that never got off the ground.”

Dieser Aufstellung nach hat die NASA in den letzten 36 Jahren aber weniger Rohrkrepierer produziert als Google in 3 Jahren. Das oben gezeigte Fehlprojekt fand ich am Schönsten – nicht nur wegen des Titels. Es zitiert das gewohnte schwarzweiße Design des Shuttles. Und was schreibt Henry Spencer dazu? [2]

X-33; 1996 – 2001; $912 million (NASA share). The X-33 was a NASA-Lockheed Martin suborbital technology demonstrator for a reusable rocket that would reach orbit without using multiple stages or dropping fuel tanks. It was intended to be followed by a commercial “single-stage-to-orbit” (SSTO) vehicle, VentureStar.

But the X-33 was cancelled due to slipping schedules and performance, rising costs that Lockheed Martin was unwilling to absorb, and a major failure during a test of its composite-material tanks.”

[1] New Scientist: Failure to launch: abandoned NASA projects (21. August 2009)
[2] ebenda: “Image 7 of 9”

Science Fiction: “Das Internetz in den Händen der Arbeiterklasse”

Ich werde das wohl nicht schaffen, aber die Veranstaltung [1] heute im Berliner Literaturforum im Brecht-Haus, Dienstag, den 5. Juli 2011, mit dem renommierten Science Fiction-Autorenteam Angela [2] und Karlheinz Steinmüller [3] klingt allein schon wegen des schönen Ankündigungstexts attraktiv:

“Soll man Emails aus der virtuell-existierenden DDR besser gleich löschen? Was haben Viren mit dem lieben Gott zu tun? Werden Romane künftig zielgenau für exakt einen Leser geschrieben? Angela und Karlheinz Steinmüller kennen die Zukunft-Ost und die Zukunft-West. Sie sprechen über die DDR im Jahr 2000 und die EU im Jahr 2030, über die Schwierigkeiten beim SF-Schreiben damals und heute und über das spannungsgeladene Verhältnis von Science-Fiction und Zukunftsforschung.”

UPDATE: @frank_rieger hatte mich überzeugt, dass mein Veranstaltungstipp doch interessanter sein könnte als von mir selber gedacht.

Ich hatte die Steinmüllers, zumindest ihren wohl bekanntesten Roman Andymon (1982) vielleicht passiv unter “DDR-Science Fiction” bzw. “Wissenschaftliche Phanstastik” abgelegt, aber das war’s auch schon. Die von Hardy Kettlitz flott moderierte Lesung mit Angela und Karlheinz Steinmüller begann mit einem Ausschnitt aus der titelgebenden Erzählung Das Internetz in den Händen der Arbeiterklasse. Das spezielle Szenario des aus einer Pararealität getunnelten DDR-Internet ist liebevoll konstruiert, aber schon ein wenig ostalgisch.

Die weiteren kurzen auf bestimmte Jahre des 21. Jahrhunderts charakteristische prägende Durchbrüche waren da anregender – insbesondere das Instant Book-Szenario totaler Customization ist schon sehr nahe an der Wirklichkeit. In der anschließenden kurzen Diskussion kam dann wieder das schon traditionelle unreflektierte PERRY RHODAN-Gebashe auch durch die Steinmüllers zum Tragen, was ich nun schon seit 35 Jahren kenne und dem hier auch keine neue Erkennntisse hinzugefügt wurden.

Na ja, die ebenfalls gekommenen @mspro und @texastee haben mich im Anschluss im relaxten Hofschänke des Brecht-Hauses wieder aufgebaut. Danke schön.

[1] Veranstaltungsseite Literaturforum im Brecht-Haus
[2] WP: Angela Steinmüler
[3] WP: Karlheinz Steinmüller

Captain America – Der erste Rächer ist ein Mann von Gestern

Etwas US-Patriotisches zum Independence Day 2011: Captain America – The First Avenger steht kurz vorm Start (US: 22. Juli; Deutschland 18. August) und erste Filmbilder und Trailer liefern schon ausreichend Material, um darüber einiges zu erzählen. [1] Captain America ist als Comic-Figur sowohl ein dankbares Objekt militaristischer Propaganda auch als Projektionsfläche subversiver Persiflage – wie von Peter Fonda in Dennis Hoppers Easy Rider verkörpert. [2]

Diese problematische Stellung des “ersten Rächers” selbst im Homeland Universe spiegelt seine Geschichte in Marvels “Golden Age” und seine Wiedererweckung im 1960er “Silver Age”, die auch die wesentliche Grundlage für die jetzige Verfilmung bieten. Captain America ist nämlich ein “Mann von Gestern.”

Die universelle Grundgeschichte des Hänflings Steve Rogers, der dank des “Super Soldier”-Experiments der US Army zum Superhelden evolviert, bewegt sich in dem insbesondere für Marvel-Helden charakteristischen reziprok-proportionalen “Fallhöhe” zwischen all zu menschlichen Schwächen und superheldischen Überkräften. Interessant aber für die Einordnung der Figur ist der Starttermin der “Golden Age”-Serie vor über siebzig Jahren. Marvel hieß damals noch Timely, und Stanley Lieber aka Stan “The Man” Lee gab sein Debut als Autor in Captain America #3 im Mai 1941.

Captain America ist also keine militär-faschistoide Propaganda-Erfindung des mehrheitlichen WASP-Milieus, sondern ähnlich Jerry Siegels und Joe Shusters Superman eine “Überintegrationsfigur”. Unter dem Eindruck des Zuzugs der vor der Judenverfolgung in Deutschland und Europa Flüchtenden – oftmals Familie und Freunde – fanden die jungen Amerikaner jüdischer Herkunft ein Ventil für ihre Wut gegenüber der für sie skandalösen Zurückhaltung der Vereinigten Staaten. Erst im Dezember des gleichen Jahres, in dem Captain America erscheint, wird mit Pearl Harbour Amerikas Kriegseintritt erzwungen.

Captain America – The First Avenger folgt ähnlich wie schon X-Men: First Class [3] dem Marvel-eigenen publikationshistorischen Mythos und spielt zur Zeit des 2. Weltkriegs. Die Feind ist Nazi-Deutschland, die geheime Über-SS-Organisation Hydra und der Erzbösewicht Red Skull, dessen Totenkopfhaftigkeit im Make-up leicht ins Lächerliche hätte umschlagen können. Ob der “Cap” wie auf den Cover des ersten Comic dem “GröFaZ” direkt die Fresse mit dem Schild poliert, kann ich noch nicht sagen.

Während ich der Story wie leider den meisten bisherigen Superhelden-Adaptionen keine besondere Tiefendimension zutraue, so scheint mir das Design der Marvel Studios-eigenen Produktion sehr gelungen. Die Entwicklung des “Super Soldiers” von der Propaganda-Figur der US Army-Truppenbetreuung – wie im Bild oben – zur echten Superheldengestalt in einer combat proven Kämpferrüstung erscheint glaubhaft zwischen WWII-Vintage Style und den Anforderungen an das Superhelden-Genre zu vermitteln. Der hammerschlag-grüne Vita-Ray-Konverter, aus dem die neugeborene Superkämpfergestalt entsteigt, ist ein erstklassiger retro-fiktionaler Entwurf. Die kurz im Trailer auftauchenden Hydra-Schergen-Krafträder scheinen mir über zu moderne Teleskop-Gabeln zu verfügen; aber die Nazis hatten zu den Olympischen Spielen 1936 ja auch schon Fernseh-Liveübertragungen.

Wichtig auch, weil der Film zum Schluss den Weg in die Gegenwart des kommenden “Avengers Assemble!”-Films [4] weist, das Goßereignis auf die Marvel Studios seit Jahren schon mit ihren Filmen Iron Man, Iron Man 2, The Incredible Hulk und Thor zusteuert. Wie ich gelesen habe, wird ein Nazi-Nurflügel-Tarnkappenbomber [5] irgendwo im ewigen Eis durch S.H.I.E.L.D. geborgen werden – mit einem tiefgefrorenen Captain America an Bord. Mit diesem Schluss folgt der Film der ursprünglichen Wiedereinführung des Captains ins “Silver Age” von Marvel: Als ein aus der Zeit gefallener Veteranenknochen des 2. Weltkriegs, dessen Aneckpunkte mit der Moderne jede Menge dramaturgisches Reibungspotential verspricht.

Politisch steht die Figur für Amerikas gegen die üblichen Parteilinien verlaufende Richtungsdiskusssion zwischen, wenn nötig, unilateralen Interventionisten und auf “Amerika First!” sich rückbesinnender Isolationisten. Dies ist ja das geheime Versprechen der Popkultur, das ihre Massenerzeugnisse in ihrer vermeintlichen Unernsthaftigkeit und Oberflächlichkeit die ‘wahren’ Befindlichkeiten und unausgesprochenen Sehnsüchte einer Gesellschaft zu dechiffrieren vermag. Insofern ist dies vielleicht ein tröstliches Bild der US-Gesellschaft, dass ihr erster Krieger und Rächer ein anachronistischer Mann von Vorgestern ist – und in Zukunft in eine breite multilaterale irreguläre Kampfeinheit eingebunden sein wird.

[1] Marvel Studios offizielle Flash-verstrahlte “Micro Site” zum Film
[2] WP: Easy Rider von Dennis Hopper (1969)
[3] PHUTUTAMA: X-Men First Class 1960s Visual Archeology
[4] WP: The Avengers von Joss Whedon. Bei diesem Lemma gibt es wohl keine Pre-Relevanz-Problematik
[5] How to be a Retronaut hat eine Zeitkapsel über “Hitler’s Stealth Bomber” veröffentlicht

“Versagensängste in verschiedenen Verkehrssituationen” – Transformers 3: Auf der dunklen Seite des Mondes

Da die Erwartungen aufgrund meiner TV-Erlebnisse mit den vorherigen Transformers-Verfilmungen denkbar niedrig gehalten waren, konnte mich Transformers 3 – Auf der dunklen Seite des Mondes gar nicht mehr richtig enttäuschen. Die teils schweren Totalverrisse z. B. in Fünf Filmfreunde [1] und Spiegel Online [2] lassen einige schöne Aspekte des Films und bemerkenswerte popkulturell-nerdige Anspielungen in den Dialogen (die sogar die deutsche Synchronisation überstanden haben) unberücksichtigt.

So erfahren wir passend zum 50-jährigen Jubiläum der bemannten Weltraumfahrt, dass das ganze “Space Race” der 1960er Jahre zwischen den Großmächten nur der Bergung des gestrandeten cybertronischen Raumers Ark galt. PERRY-RHODAN-Feunde aufgemerkt: jetzt klaut Hollywood uns auch noch den Gründungsmythos unseres Mannes im All! Und aktuell zum Beschluss des Deutschen Bundestags zum vorübergehend finalen Atomausstieg erfahren wir endlich auch, was 1986 wirklich den Tschernobyl-Super-GAU ausgelöst hat: Schlamperei im Umgang mit cybertronischen Energon-Trägern.

Darüberhinaus werden amerikanischen Ur-Traumata von der Ermordung Abraham Lincolns und JFKs (im wiederkehrenden Motiv des Lincoln Continental), der Challenger-Katastrophe bis hin zu den Angriffen des 11. Septembers 2001 abgehandelt. Wesentliche Teile der wichtigsten Action-Sequenzen stellen die Frage: “Was hättest Du gemacht, wenn Du an 9/11 in den Twin Towers gewesen wärst?” Hochsensibel, aber auch etwas perfide die demonstrative Zerlegung Chicagos anstelle des Katastrophenfilm-technisch verbrannten New Yorks.

Das Staraufgebot und das sichtbare Vergnügen der Hollywoodrecken wie John Malkovich, Patrick Dempsey, John Torturro oder – ganz wunderbar – Frances McDormand als eine positive US-Verkörperung des abtrünnigen SMERSH-Führungskaders Rosa Klebb (Lotte Lenya) aus From Russia with Love [3] sind das notwendige Salz in den ständigen Crash-Crescendi dieser digitalen 3D-Stock Car-Battle! Darüberhinaus gibt es noch ein wunderbares Cameo mit Buzz Aldrin als Zeitzeuge des großen Apollo-11-Cover-ups.

“Congratulations, Michael Bay!” [4] Auf Basis einer für Jungen bis 9 Jahren altersgerechten Hasbro-Spielzeugroboter-Franchises, die eine amerikanische Übernahme des japanischen Robot-Animismus (≠ Anime) sind, eine Blockbuster-Serie aufzusetzen, die auf das aus eimergroßen Popcornkübeln mampfende Teenager-Kernpublikum von 16 bis 19 Jahren gerichtet ist und im wesentlichen deren Versagensängste in unterschiedlichen Verkehrssituationen – Sex, individuelle Mobilität und Berufsaufstieg – mit deren testosteron-überbordender Pubertäts-Jungmännlichkeit metaphoriert, finde ich eine handwerklich bemerkenswerte Leistung (Buch: Ehren Kruger).

Leider habe ich noch keine Gender Studies-erprobte Stimme gehört, die mal nach dem Verbleib der TransformerInnen fragt. Ob Autocons oder Decepticons, der Grundkonflikt dieser zwei offenkundig aus post-ideologischen Gründen gegeneinander kämpfenden Robotervölker ist ganz klar ein männlich dominiertes Diskurs-Heat.

Die Kritiker werfen dem Film dann auch noch Ernsthaftigkeit vor, was bedeutet, dass die im Film dargestellten Konflikte tatsächlich durchgekaut werden – bis zu einem gewissen guten Ende. Niemals war übrigens das dramaturgische Stilmittel des Deus ex Machina so zutreffend wie beim finalen Move, der die gute Autocon-Ordnung auf Erden wieder herstellt.”

Das in Wikipedia [5] genannte Budget von $ 195 Mio. nehme ich dem Film übrigens ab – jeder Voxel ein Milli-Cent!

[1] Fünf Filmfreunde: “Aber dank 3D muss sich Bay von seinem üblichen Nahaufnahmen/Wackelcam-Schnittinferno verabschieden und tatsächlich mal zeigen, was eigentlich gerade passiert.”
[2] SPON: “Die humorfreie Blech-Parade erweist sich als absolut unterhaltungsuntüchtig.”
[3] WP: Ian Fleming’s James Bond 007: From Russia with Love
[4] Michael Bays Blog: “Hasbro Thanks Michael Bay in The Hollywood Reporter”
[5] WP: Transformers 3 – Dark of the Moon

Schlemmkreide auf Mattschwarz – Das “Race 61” Rock’n’Race-Festival

Der Roadrunner's Paradise liegt am ersten Juli-Wochenende in Finowfurt: Poster-Motiv des 14. "Race 61"

Für alle Non-Fusionistas [1] gibt es alljährlich meist sogar am gleichen Wochenende eine ernstzunehmende Alternative in Form des “Race 61” [2] auf dem Gelände des Luftfahrtmuseum Finowfurt [3], den Chaos Communication Campern [4] wohl vertraut. Musikalisch und auch, was die Formel “Spaß am Gerät” anbelangt, ist das “Race 61” zwar etwas anders gestrickt, aber mit dem spezifischen Zeitreisefaktor, der weiteste Teile des Fuhrparks und des Outfits der Besucher ausmacht, eine wirkliche Attraktion.

Das “61” bezieht sich auf die ursprüngliche Ansage, dass die teilnehmenden Wagen der Schau-Rennen über die Achtelmeile auf dem zum Dragstrip ausgeflaggten Rollfeld vor 1961 zugelassen sein mussten. Da dies nun auch nicht mehr ein ganz alltägliche Baujahrgrenze für potentielle Teilnehmer ist, gibt es inzwischen eine zweite Wertung – die “Race 76” am Sonntag.

Als ich vor zwei Jahren das erste Mal die Gelegenheit hatte, das “Race 61” zu besuchen, nutzte ich das Zulassungsdatum meines alten mattschwarzen, aber auf Altglanz hochpolierten VW Käfer (1959), um mich als Rennteilnehmer anzumelden und damit das Eintrittsgeld zu sparen.

Der Spaß mit meinem Wagen dann im Feld mit den anderen teils hochkuriosen Kisten auf dem Dragstrip anzutreten war eigentlich unbezahlbar. Die technische Abnahme allerdings war fast strenger war als beim TÜV. Und noch jetzt, zwei Jahre danach, entdecke ich Schlemmkreidereste an den Seiten des Wagens. Das reinste “American Grafitti” [5] – von den handgepinselten Startnummermarkierungen.

Sowohl für Motorrad-, Auto- als auch Flugzeugbegeisterte ist das “Race 61” ein Gesamtkunstwerk. Gerade, was Motorräder und ihre Fahrer[innen] angeht, gibt es keine coolere Veranstaltung. Besonderes Highlight hierzu dieses Jahr: das Kirmesspektakel der Steilwandfahrer von Demon Drome und ihrer  “Wall of Death.” [6]

Dass mich 2009 das Datum “61” und die ganze zeitkapselartige Charakter der Veranstaltung auf eine ganz andere Idee gebracht haben, nämlich die “Risikopiloten”-Geschichte um Perry Rhodan und Bully als Comic zu erzählen, ist eine andere Geschichte. Dazu demnächst mehr.

[1] Website des Fusion Festival Lärz
[2] Website des “Race 61 – 14th Annual Rock’n’Race Festival”
[3] Website des Luftfahrtmuseum Finowfurt
[4] “The Chaos Communication Camp is an international, five-day open-air event for hackers and associated life-forms.”
[5] WP: George Lucas’ American Grafitti – “Where were you in ’62?”
[6 “Welcome to the Demon Drome Wall of Death”

Als Archäologe auf Zeitreisen? @mspros Denken der Zukunft denken.

Den zukünftigen Kopf schon aus dem Bild, die Zehen noch im Hier und Heute; Foto (verfremdet): mspro

mspro fordert sich und uns in seinem Blogeintrag “Archäologie des Heute – das Denken der Zukunft denken” [1] auf, die transitorischen und damit im wahrsten Sinne “vorläufigen” Grundannahmen unserer Ideologien neu zu denken. Sie nicht nur modal als theoretisch gleichberechtigte Prämissen innerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen Wahrheitssysteme zu betrachten, sondern sie immer historisch als “Snapshots” einer zukünftigen Vergangenheit mitzudenken.

Das ist eine Demutsgeste, die mir im fiebrig tagesaktuellen Netzdiskurs, als dessen prominenten Vertreter ich mspro hier nicht reduzieren sollte, sehr gut gefällt. Mit einem Geschichtsstudium belastet, hat sich mir eine gewisse Demutshaltung, aber auch Fremdheit gegenüber den Menschen vor unserer Zeit prägend eingeschrieben. Gerade unter den Erfahrungen eines hyperbeschleunigten wissenschaftlich-technischen Fortschritts aber bin ich mit meinen jeweiligen Zeitgenossen aber all zu gerne bereit, diese Demut gegenüber den scheinbar so rückständigen, vorwissenschaftlichen im “Tal der Ahnungslosen” Lebenden zu vergessen. Das Hier und Jetzt ist doch immer die Krone der Schöpfung.

Ich entsinne mich einer Empörungsfloskel in meiner Kindheit “… und das im 20. Jahrhundert!”, die diese Gegenwartsdünkel gegenüber den angeblich dunklen Zeitaltern auf einen volkstümlichen Nenner bringt.

“Ich glaube, wir haben unser ‘Heute’ lange genug von der Vergangenheit her gedeutet. Es wird Zeit, es von der Zukunft her zu deuten.”

Nun sind bekanntlich Vorhersagen insbesondere dann schwer zu treffen, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. mspros Forderung, “das Heute von der Zukunft her zu befragen” bleibt ohne aus der Vergangenheit heraus extrapolierte Szenarien ein substanzloses Memento Mori.

Es sei denn, man mache sich die Interpretation von @tristessedeluxe zu eigen, dass mspro tatsächlich Zeitreisen als notwendige Diskurspraktiken propagiert. [2] Weswegen dies alles auch ein PHUTURAMA-Post wert ist.

Die Wahrheit aber, Genosse, ist konkret! Und so ist mspro mutig genug, seiner oben deklarierten Prämisse zu folgen, und heutige Problemfelder auf ihre zukünftige Obsoletheit hin zu skizzieren. Allerdings sind mir die erörterten Kontroversen zu feingranular, als dass ich sie zu Opfern eines epochalen Paradigmen- oder Epistemewechsel erklären würde: “Medienregulierung, Depublikation, Lohnarbeit, Regiert werden” – alles bloße Überbauphänomene, wie ich als guter Marxist einwenden würde.

Die wirklichen Umbrüche betreffen die Wissens- und Wahrheitssysteme

Mit dem Titel seines Beitrags “Archäologie des Heute” bewegt mspro sich schon in der Begriffswelt des frühen Foucaults, der sich umfassend, aber letzlich unbefriedigend mit dem Umbrechen ganzer Wissensformationen beschäftigt hat.

Zwei maßgebliche epistemologische Umbrüche sehe ich allerdings, die unser heutiges Denken und Wissen im Nachhinein marginalisieren könnten:

I. Zum einen die Möglichkeit des Transhumanismus als Resultat der Herrschaft der automatisierten und algorithmisierten und sich von den Menschen emanzipierenden Institutionen. Weit radikaler als von Max Weber ursprünglicher Dichotomie zwischen bürokratischer “Maschine” (as in “Chicago Machine”) und charismatischer Führungsgestalt problematisiert. Hier spielt auch die Singularität, über die @plomlompom und die Matrix-Trilogie mehr zu erzählen wissen, hinein.

Zum Transhumanismus gehört die Relativierung des Menschen im biologischen Re-Engineering als “Spiel[er]material”. Es gehört zu den Vorzügen der deutschen konservativ-verharrenden rest-christlichen Milieus, dass diese Fragen als ethische wahrgenommen und quer durch alle politischen Lager noch verhandelt werden können. Das oft so lächerlich gemachte “christliche Menschenbild” der C-Parteien hat den Vorteil, dass es weitestgehend mit dem allgemeiner gefassten Wertekanon des Grundgesetzes übereinstimmt. Der humanistische Ansatz, dass der Mensch “das Maß aller Dinge” ist, wird im christlichen Denken mit dem Argument “weil Ebenbild Gottes” nur bestärkt.

II. Die Delegitimation der Ratio als Grundlage eines universell durchgesetzten wissenschaftlichen Weltbilds: So sehr die Logozentrismus-Kritik der Poststrukturalisten gerechtfertigt ist – insbesondere, wo sie den Sack schlug, aber den ihn tragenden Esel des “wissenschaftlichen Marxismus” glaubte treffen zu können – , die hochgradige Spezialisierung der Wissenschaftsdisziplinen behindert aber zunehmend ihre weitere Allgemeingültigkeit. Die Kreationisten und Grand Designer-Anhänger sind die Vorboten eines solchen Relativismus.

Als Beispiel sei die Suche nach dem Higgs-Teilchen genannt. Die damit einhergehenden LHC-Experimente sind nur noch in ihrem Unwahrscheinlichkeitsgehalt (Stichwort: “alles verschlingendes Schwarzes Loch”) von gesellschaftlicher Bedeutung. Das eigentliche wissenschaftliche Grundproblem hat für die Menschen “in der Fläche” dieselbe Relevanz wie vormals der mittelalterliche Scholastiker-Streit um die Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze tanzen können.

Was im aktuellen Wissens- und Wahrheitssystem als lächerlichste Spitzfindigkeiten religiöser Verblendung “wahrgenommen” wird, kann in einer zukünftigen Episteme auf die Hohepriester des CERN zurückfallen. Ich möchte nicht mit Butlers Djihad oder der Orange-Katholischen Bibel drohen, aber hinterher ist es vielleicht der “Muhahad’Dib,” der am Lautesten lacht.

[1] mspros Blogbeitrag “Archäologie des Heute – das Denken der Zukunft denken”
[2]  @trsitesedeluxe: “@mspro hat das Genre Zeitreise für sich entdeckt.”

Überquadratisch. Praktisch. Gut? Ducatis radikale Superbike-Revolution

Die Revolutionäre aus Borgo Panigale fordern ein radikal "vereinfachtes Motorrad." Quelle: Stefan Kraft/MOTORRAD

Unter dem Stichwort “Ducati Superquadrata” nimmt die nächste Superbike-Generation von Ducati – ein im Vergleich zu den “Großen Vier” japanischen Motorradherstellern geradezu winziger Manufakturbetrieb – radikale Formen an.[1] Ducatis Supersportler in den Hubraumvaraianten 850 ccm und 1200 ccm sind das Kernsegment der Marke, die ähnlich wie Porsche im Sportwagen-Automobilbereich in den letzten Jahren inzwischen sehr erfolgreich andere Motorradkonzepte in den Markt gebracht hat – die urbane Supermoto-Interpretation Hypermotard, die sehr sportlich-leichte Allzweck-Reiseenduro Multistrada 1200 und als jüngster Coup der superleichte, supersportliche Powercruiser Diavel.

Wenn auch Spiegel Online glaubt, die Naked-Bike-Reihe Monster sei Ducatis Pendant zum 911, dann ist das Unsinn. [2] In der schnelllebigeren Motorradindustrie mit ihren teils zweijährigen Produktzyklen kann die Rolle des supersportlichen, L-Twin-Pendants zu Porsches Sechszylinder-Boxer-911 nur ein Motorrad sein – die 916/748 (später 996 und 998) und ihre zwei bisherigen Nachfolge-Generationen 999/749 und 1098/848 (später 1198 beim großen Modell). Waren diese drei Modellgenerationen Ausdruck einer technisch eher evolutionären Entwicklung der Verfeinerung, Elektronifizierung und Qualitätssteigerung, so steht jetzt mit der “Superquadrata” eine wirkliche Revolution ins Haus – radikaler vielleicht als bei der Premiere der 916 im Jahre 1994. [3] Die ungeliebte, kurzlebige 999/749 [4] tat nach Außen avantgardistischer, als sie eigentlich war, und ist deshalb auch das Motorrad meiner Wahl – Stichwort: “futuristisches Design zum Befahren von Marskanälen” (MO – Das Motorradmagazin). [5]

Zuerst einmal zum “Überquadratischen”

Motorenbauer bezeichnen damit Brennräume, deren Bohrung wesentlich größer ist als der Hubweg, den die darin befindlichen Kolben zu durchlaufen haben. Weniger Weg, weniger Belastungen für alle mechanisch beanspruchten Teile bei gleichzeitig höheren Drehzahlen und freiere Gaswechsel (= Leistung) am Ende des Drehzahlbands durch die größeren möglichen Ventildurchmesser. Nun sind alle Supersportmotoren sowieso schon überquadratisch ausgelegt, die Betonung auf “Superquadrata” legt nah, dass hier ein besonders rennsport-radikales Konzept in eine straßenzugelassene Maschine eingebracht wird.

Das alleine wäre keine besondere Innovation – und es wäre erst recht keine gute Idee! Schon die jetzige, besonders auf den Rennstreckenbetrieb ausgelegte Ducati 1189 SP ergibt im normalen Verkehr keinen großen Sinn. Nur ein mit einer dynamischen, Drehmoment und Laufkultur verändernden Technik versehener und damit auch im Alltagsverkehr fahrbarer “Superquadrata”-Motor hielte ich für einen echten Fortschritt. Ob dies die Extremisten bei  Ducati Corse auch so sehen?

Richtig radikal wird es jedoch erst mit dem “Rahmenbau” des vermutlich im November 2011 auf der EICMA Mailand Premiere feiernden Superbikes. Denn es gibt ihn nicht mehr! Die oben abgebildete Patentzeichnung von Ducati zeigt es: Abgeleitet vom Design ihres 2009-MotoGP-Protoypen Desmosedici, wird der Motor selbst zum Rückgrat des gesamten Fahrzeugs. Vorn  ist wahlweise ein Carbon- oder Aluminumbauteil angeflanscht, das zugleich als Airbox und als Aufnahme für den Steuerkopf fungiert, hinten lagert die Schwinge direkt im Motorgehäuse. Das kleine, leichte Rahmenheck aus Carbon für den Fahrerersitz wird da nur noch dran gehaucht. Wenn nicht die Antriebskette wäre, die evolutionäre Verwandschaft zum klassischen Fahrrad, wie es bei den bisherigen Ducatis mit ihren markanten Stahlrohrfachrahmengeflecht so augenfällig ist, wäre kaum mehr wahrnehmbar. Ich fand diesen Anachronismus immer toll!

Erste Erlkönigschüsse von Erprobungsfahrzeugen zeigen jedoch, dass die bisherigen Ducati-Markenzeichenen – die Trellis – beim kommenden Superbike tatsächlich nicht mehr existieren. Wohl unter dem Schock des so rundherum abgelehnten 999/749-Designs scheint aber die Silhouette und die Frontverkleidung den gewohnten Mustern der 916 und 1198 zu folgen. Mit der Ausnahme, dass die Aufsehen erregenden, aber fahrdynamisch ungünstigen doppelten Underseat-Auspufftöpfe nach neuesten Erkenntnissen der Massenkonzentration unten an den Verkleidungskiel verlegt werden.

OK, aber warum die Aufregung? Weshalb “Concorde Moment” im PHUTARAMA-Sinne?

Das “Superquadrata”-Konzept kommt direkt aus der Königsklasse des Motorradrennsports – der MotoGP, einer extrem teuren und aufwendigen Prototypen-Weltmeisterschaft, die als das Zweirad-Pendant zur Formel 1 gilt. Die oben beschriebene radikale Rahmenbauweise, mit dem Triebwerk als tragendem Element, ist auch dort revolutionär und avantgardistisch. Es jetzt zum Straßeneinsatz für eine nicht ganz billige, aber dennoch in Stückzahlen relevante Volumenbaureihe in Serie zu bringen – und nicht als superteure, superlimitierte Rennsport-Replica-Sonderserie wie zuletzt bei der noch klassisch Trelli-berahmten Desmosedici RR [6] – läßt dieses Motorrad im gesamten Vergleichsumfeld wie vom anderen Stern erscheinen.

Sogar ein ähnlich radikales Straßensportwagenkonzept fällt mir dazu im Vergleich nicht ein. Alle radikalen Über-Sportwagen wie Ferrari Enzo Ferrari, Maserati MC-12 oder Porsche Carrera GT, die State-of-the-Art-Rennsporttechnologien auf die Straße brachten, waren limitierte, superteure Sammlerstücke – aber keine Volumenmodelle. Vielleicht träfe es, wenn man sich vorstellte, Lamborghinis letztjährige Studie zum Pariser Automobilsalon Sesto Elemento [7] würde eins zu eins zum Nachfolger des Gallardo auserkoren sein. Was er nicht ist.

Dann sitzt in der MotoGP im Moment auch noch der gefühlt zehnfache italienische Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi auf der für die “Superquadrata” konzeptprägenden Moto-GP-Rennmaschine. Die Ableitung zum straßenzugelassenen Superbike bedarf da keiner Marketing-Verrenkungen. Wenn der zwecks Fahrwerksoptimierung leicht aus der Horizontalen zurückgelehnte L-Twin-Motor in “superquadratischen” Hochdrehzahlauslegung von bis zu 14.000 Touren und knappen 200 PS auch noch alltagstaugliche “Schleichfahrt”-Mappings zum Brötchenholen anerzogen bekäme, neben der schon etablierten Ducati Safety Control auch ein sowohl im Alltag wie auf der letzten Rennsportrille funktionierendes ABS bekäme und das Ganze fahrbereit keine 180 Kilogramm wiegen sollte, dann könnte sich Ducati selbst die übliche pornöse Notsitzoption für die Sozia sparen – und hätte trotzdem die Supersportler-Referenzklasse im Sack.

Nur die in diesem Segment sehr erfolgreiche Debütantin BMW S 1000 RR [8] würde dann vermutlich wegen einiger typisch deutschen Ergonomie-Erbenszählereien doch noch einige Zähler Vorsprung im “1000-Punkte-Test” einer führenden deutschen Motorradzeitschrift [1] ins Ziel retten. In der diesjährigen produktionsnahen Superbike-WM, für die die “Ducati Superquadrata” das zum Einsatz ausschlaggebende Homologationsmodell sein wird, zieht das Vorgängermodell 1198 SP mit Carlos Checa als “Privatfahrer” trotzdem an allen Konkurrenten – auch BMW – vorbei. Aber die Revolution wird kommen!

[1] MOTORRAD: “Die Überquadratur des Kreises” vom 22.12.2010
[2] SPIEGEL Online: “Fahrbericht Ducati Monster 1100 EVO
[3] WP: Ducati 916
[4] WP: Ducati 749
[5] MO-web.de
[6] WP: Ducati Desmosedici RR
[7] FTD.de: “Lamborghini Sesto Elemento – Leichtgewucht”
[8] BMW Offzielle Website zur S 1000 RR

Der schmale Grat zwischen Kitsch und Kunst – Terrence Malicks The Tree of Life

"Fiat Lux"– Jessica Chastain in Terrence Malicks The Tree of Life; courtesy Fox Searchlight

Terrence Malicks The Tree of Life gilt als cineastischer Höhepunkt, den man sich nicht entgehen lassen darf. [1] Ist der Film den Hype wert? Bin ich jetzt ein anderer, besserer Mensch – oder bilde ich es mir zumindest ein? Filmfreundin @waxmuth war jedenfalls wie schon eine ganze Reihe Kritiker in Cannes (trotz späterer Goldener Palme) gar nicht angetan und schrieb die wunderbar lakonische Twitik: “The Tree of Life fällt in die Kategorie: Prätentiöses Geschwurbel.” [2]

Ich versprach ihr zur Ehrenrettung des Films einige seiner guten Seiten herauszustellen – mit den für PHUTURAMA spezifischen Anmerkungen.

The Tree of Life ist eine Elegie. Eine filmische Visualisation der Kindheitserinnerungen eines Architekten (Sean Penn), der anlässlich des Todestags seines jüngeren Bruders in Flashbacks seiner Jugendzeit zurückversetzt wird und die persönliche Familientragödie in den universellen Rahmen des Theodizeeproblems [3] stellt. Filmisch und dramaturgisch wird dies in mehreren bildmächtigen kosmologischen Sequenzen eingebunden, wie sie in dieser Art nur von Stanley Kubricks 2001 – A Space Odyssey (“Jupiter – And Beyond”) [4] vertraut sind.

Aus der subjektiven Perspektive des Protagonisten heraus erzählt  The Tree of Life einige Schlüsselmomente der Jugend, deren visuelle Kraft und Schönheit gerade aus der Stilisierung und Idealisierung der Erinnerung gezogen wird: Die feenhafte Erscheinung und Sanftmut der Mutter (Jessica Chastain), die Verliererhärte des scheiternden Vaters (Brad Pitt), die stereotyp-suburbane Heile-Welt-Idyll der Fünfziger Jahre, das nur in wenigen unangenehmen Momenten die damaligen sozialen Härten aufklingen läßt (Verhaftungsszene auf der Main Street, Sonntagsausflug in die ärmliche Black Neighbourhood von Waco, Texas).

In der Rückerinnerung fühlt der Protagonist Schuld – der Karrierearchitekt, der sich den Härten des Lebens in der ständigen Auseinandersetzung mit dem Vater gestellt hat und in seinem Erfolgsleben diesem gegenüber nun triumphieren könnte. Er fühlt sich schuldig, gegenüber dem jüngeren, sensibleren Bruder der Erfolgreichere im Überlebenskampf gewesen zu sein, wie es in den naturgeschichtlichen Evolutionssequenzen als das rein darwinistische “väterliche” Prinzip des “Lebens” gespiegelt ist.

Hoffnung auf den Weg religiös-spiritueller “Gnade”, wie er in der Muttergestalt verkörpert wird, spendet sich Malick, wenn in der entrückten Schlusssequenz am Salzsee alle Lebenden und Toten sich wieder begegnen.

Pathos und stereotype Religiosität visualisiert Malick in den Bildern teilweise eins zu eins; den schmalen Grat zum abgrundtiefen Kitsch überschreitet er des öfteren. Die grandiosen Bildmotive und die unglaublich gut montierten Bewegungen der Kamera in den rauschhaften Familiensequenzen entschädigen dafür. Sie entsprechen dem Fluss unserer prägenden Kindheitserinnerungen die Memory Lane hinab.

Wer Terrence Malick diese Bildstereotypen vorwirft, sollte Quentin Tarantino gleichfalls des klischeebeladenen B-Movie-Epigonentums anklagen. In seiner Spiritualität erscheint The Tree of Life aus der Zeit gefallen. Wer sich diesen letzten Fragen nach dem Warum? entzieht, der leistet allerdings aktive Verdrängungsarbeit – wie wahrscheinlich der Protagonist, der eine lebensfeindliche, Hochglanz-Spiegelglasfassadenwelt bewohnt, in der Menschen mit Pappbechern in der Hand sich ständig anrempeln. Gibt es zwischen all diesen reflexhaft abwehrenden Spiegeln noch authentische Bilder?

In der Retrospektive des Fünfziger-Jahre-Americana-Idylls gibt es sie jedenfalls. Malicks Ikonographie ist damit auch eine allgemeine Kritik an der lebensfeindlichen amerikanischen Spätmoderne, die das menschliche Maß, jeden Stil und jede Proportion verloren hat. Die Reflexion über das Verlorene der Kindheit ist eine Kritik an der verlorenen, aber natürlich eingebildeten und fortschrittsgläubigen Unschuld Amerikas.

Terrence Malick arbeitet nach dem Erfolg von The Tree of Life an einer sechseinhalbstündigen Redux-Version [5]; vielleicht ist die notwendig, um diesen Film wirklich zu verstehen. [6]

Für alle noch Unentschlossenen, dieser Film ist wirklich fürs Kino gemacht, und vielleicht kann dieser Trailer selbst am Monitor für den Rausch der Bilder  einnehmen.

[1] Dorothea Holloway über The Tree of Life in KINO – German Film
[2] https://twitter.com/#!/waxmuth/status/82906477119021056
[3] WP: Theodizee
[4] WP: 2001 – A Space Odyssey]
[5] Fünf Filmfreunde: The Tree of Life: — Terrence Malick arbeitet an einer Sechs-Stunden Fassung
[6] WP: The Tree of Life (Film) – Lustig naive Plotbeschreibung für alle, denen meine Interpretation nicht genügt

monochrom’s ISS über Berlin: Mehr Lokalisation wagen!

Schwerelose Diskurshoheit im Orbit über Berlin. monochrom's ISS Crew hier in Episode 3 "Graveyard Orbit"; Foto: Johannes Grenzfurthner

Johannes hatte mit Freikarten für die Donnerstags-Premiere Episode 6 “In Space No One Can Hear You Complain About Your Job” der ISS-Impro-Sitcom im Berliner Ballhaus-Ost geworben. Es sind dann nur ermäßigte Karten bei herausgekommen, so dass ich als zahlender Gast jetzt die ganze Wahrheit sagen darf.

monochroms englischsprachige Performances haben es in Berlin schwer, denn trotz aller Internationalität ist das Publikum eher deutschsprachig. Der Humor ist sehr auf einer akademisch geschulten Metaebene angesiedelt, die Shows gleichzeitig ausufernd und aggressiv dilettantisch. So manche kluge Anspielung bleibt “lost in translation,” während der Klamauk als Oberflächenphänomen die Diskurshoheit übernimmt. Wenn, wie gestern, eine eingeschworene Peer Group das Ganze begleitet, kommt auch dabei Stimmung auf. Aber ich habe monochrom schon Mainhalls leer performanzen sehen, weil sie nicht zum Ende kommen wollten.

Vorbild von monochrom’s ISS [1] ist das Sitcom-Format, so dass dies die Endlos-Überdehnung der Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers im erdnahen Orbit verharren läßt. Johannes Grenzfurthners und Roland Gratzer rahmen als bekannt monochromisierende Conferenciers die durch professionelle Schauspieler besetzte ISS-Crew-Handlung ein. Das trashige Bühnenbild kommt den bekannten Fernsehbildern erstaunlich nah. Die Darstellung der Schwerelosigkeit ist eine Disziplin, die der Hälfte der Crew fast perfekt gelingt. Was aber den scharfen Kontrast zur irdischer agierenden anderen Hälfte der ISS-Besatzung hervorhebt und ein wesentliches Merkmal der Illusionsmaschine Theater verpuffen läßt.

Natürlich ist monochrom’s ISS Konzeptkunst [2] als gespielter Witz erst einmal bestechend: Die Sitcom als Wohnzimmerformat nimmt sich des globalisierten aller Arbeitsplätze an, der International Space Station, um an ihrer Crew zeitgenössische Kapitalismuskritik zerschellen lassen zu können. Dennoch ist die Gloablisierung nicht so weit, dass man in einem Austro-internationalisierten Off-Kulturformat, dass im US-akademischen Milieu durch den Strangeness-Faktor gewinnen mag, unlokalisiert rückübertragen kann.

Ein Wort noch zum Spielort Ballhaus Ost: [3] Persönlich durch die c-base Raumstation unterhalb Berlin [4] sozialisiert und selbstkritisch hinsichtlich des räudigen Charmes sogenannter Off-Locations, bin ich doch entsetzt, wie sperrmüllig diese Spielstätte, die früher als großartige Indie-Club- und Konzertvenue funktioniert hat, jetzt daherkommt. Vielleicht hätte monochrom’s ISS eine glamourösere Spielstätte auf gleichsam internationalem Niveau besser getan.

Und jetzt reingehen oder nicht? Ja, unbedingt und den monochromaten heute Freitag, den 24. Juni oder Samstag, den 25. Juni im Ballhaus Ost eure Meinung sagen. Kostet unermäßigt 13 EUR.

UPDATE: Schöner Tweet von @johannes_mono dazu: [5]

@gregorsedlag: Harmlos! Ist ja ein public recording für HD-Video… schon deswegen ist mir die deutsche Theater-Scholle wurscht. ;) #iss2011

[1] monochroms Website mit aktuellem Pressespiegel zur Berliner Premiere der Bühnenfassung
[2] monochrom’s ISS Projektseite mit den Videos
[3] Website Ballhaus Ost
[4] c-base – Raumstation unterhalb Berlin
[5] https://twitter.com/#!/johannes_mono/status/84273822064320513

transmediale 2012 in/compatible Call of Duty

Markus Huber, Programme Manager der transmediale 2012 in/compatible hat über die rohrpost – die deutschsprachige zur Kultur digitaler Medien und Netze [1] einige schöne Sachen zu den laufenden Ausschreibungen und den Veränderungen geschrieben. Ich finde es gut, dass der vom jeweiligen tm-Themenschwerpunkt unabhängige Award wegfällt und damit alles fokussierter wird.

“Die nächste Festivalausgabe der transmediale wird vom 31. Januar bis zum 05. Februar 2012 unter dem Titel in/compatible im Haus der Kulturen der Welt in Berlin stattfinden.

Für das Festival 2012 wird es keinen allgemeinen transmediale Award mehr geben. Diese Änderung spiegelt unsere neue Art der Produktion des Festivals wider: Mit der frühen Aneignung der thematischen Herangehensweise zielen wir auf eine kuratorische Kohärenz zwischen den einzelnen Programmbereichen und wollen uns gleichzeitig direkter in der transmediale Community engagieren.

Mehr Informationen hierzu findest du unter:
Einsendeschluss: 31. August 2011

transmediale.12 thematische Ausschreibung:

Im konzeptuellen Rahmen von in/compatible sind wir auf der Suche nach künstlerischen Arbeiten und Projekten jeglichen Genres oder Formats, die sich entweder auf ausdrückliche oder subtile Weise mit der inkompatiblen Natur zeitgenössischer technologischer Kulturen beschäftigen. Wir erwarten von den Einreichungen, dass sie – anstatt die Lösung vorwegzunehmen – die ungelösten Spannungen innerhalb der translokalen Medienpraktiken und Systeme ansprechen, akzentuieren und sich darauf einlassen. Im Speziellen rufen wir auf zur Einreichung von Projekten, die uns dadurch überraschen, dass sie sich nicht einfügen bzw. nicht kompatibel sind.

Projekte, die für das Programm berücksichtigt werden, können sich auf folgende Schlüsselwörter und Bereiche beziehen:
Dissensual aesthetics, hacktivism, operating systems, speculative realisms, queer technologies, strange ontologies, displacements, ecologies, psychedelia(s), glitches, spam, media-archaeologies, technological obsolescence, haunted media, reverse remediations, the untimely, erotics, ambivalences, tools, law, anxieties, confusions, violence, obscurities, junk, addictions, restlessness, user-unfriendliness, destructions, attractions, surveillance, accidents, dysfunctionality, isolation, punk, feedback as distortion, surrealisms, aggressiveness, the uncommon, frustrations, spiritualities, risks, dubious calculations, psychosis, uneven structures, crimes.

Alle Informationen über das Konzept, das Bewerbungsverfahren und die Einreichungsbedingungen findest du hier:

Übrigens sind die Umbauten an der transmediale-Website jetzt auch erfolgt und die Videos zum PHUTURAMA-Symposium von der transmediale.10 jetzt wieder online. [2]

[1] rohrpost – Deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze
[2] www.transmediale.de/en/phuturama

Le Mans Concept – Lamborghini Miuras wilder Colani-Mutant

1970 überbietet Luigi Colani Marcello Gandini mit dem Miura Le Mans Concept; Quelle: dreamcast18, Lamborghini-Talk.com

Luigi Colani [1] hat im Jahre 1970 einen Lamborghini Miura auseinander gesäbelt und einen ganz speziellen futuristischen “Hybrid-Gleiter” entwickelt, der als Meilenstein des futuristischen Design gilt. In letzter Zeit häufen sich die Nachrichten [2] über ein Wiederauftauchen des wohl für längere Jahre als verschollen gegoltenen Studie “Le Mans Concept” – bei ebay.

Colanis futuristische Überbietung des klassischen Lamborghini Miura [3], der vor 45 Jahren Premiere beim Turiner Automobilsalon feierte, gibt die Gelegenheit auf diesen bahnbrechenden Organspender von Marcello Gandini [4] (für Bertone) hinzuweisen, dessen späterer Countach-Prototyp ein wenig die Sicht auf den Vorgänger verstellt hat. Nicht bei den Kennern, denn die Angebote für Miuras bewegen sich in der Regel in doppelt so hohen Preisregionen wie die für den Countach, bei eigentlich vergleichbarer gebauter Stückzahl.

Der Miura ist aber auch so etwas wie die Epitome des 1960-Supersportwagens und in der Gegenwart nur mit dem Ferrari Enzo Ferrari vergleichbar, da er erstmalig echte Rennsporttechnik (Mittelmotorkonzept) für einen reinen Straßensportler zur Verfügung gestellt hat. Darüberhinaus hat der Miura ein wunderschönes Interior, das Lamborghini im Zuge des damals angesagten “Insourcings” beim Nachfolger nicht mehr erreichen sollte.

Mir gefällt allerdings die Frontpartie des Miura nicht so recht – etwas tumb-karpfig kommt sie mir daher. Vielleicht ging es Colani auch so, als er sich entschloss die Frontpartie für das Le Mans Concept einfach zu kupieren?

[1] Luigi Colani– die offizielle Website
[2] “Senior Member” dreamcast18 fasst es auf Lamborghini-Talk.com zusammen
[3] Guter Artikel über 45 Jahre Miura beim AutoScout24-Magazin
[4] WP: Marcello Gandini

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